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Das Erbe von Quelle – jährlich knapp 2,5 Milliarden Euro – wird seit diesem Jahr an die Konkurrenz verteilt. Davon profitiert auch Neckermann.

© dpa

Versandhandel: Quelle-Pleite hilft Neckermann

Deutschlands zweitgrößter Versandhändler schafft überraschend die Wende. Schon dieses Jahr erwartet der Versandhändler beim Betriebsergebnis schwarze Zahlen. Die Wiederauferstehung verdankt das Unternehmen nicht zuletzt der Pleite von Quelle.

Es ist noch kein Jahr her, da herrschte bei Neckermann Untergangsstimmung. Ein Umsatzminus von 15 Prozent in den ersten zehn Monaten 2009, das jedenfalls errechneten Wettbewerber fürs Deutschlandgeschäft, zerrte an den Nerven von Firmenchef Henning Koopmann. Hohe Verluste zeichneten sich ab – wieder einmal.

Heute kann davon keine Rede mehr sein. Schon dieses Jahr erwartet der Versandhändler beim Betriebsergebnis (Ebitda) „eine schwarze Null“, wie Firmenchef Henning Koopmann dem „Handelsblatt“ sagte. Im ersten Quartal 2010 zog das Geschäft gegenüber dem Vorjahreszeitraum im zweistelligen Prozentbereich an, berichten Branchenbeobachter, auch im April ging es weiter bergauf. Der Turnaround, auf den im vergangenen Herbst kaum jemand zu hoffen wagte, scheint geschafft.

Die Wiederauferstehung verdankt das Unternehmen, das zu 49 Prozent dem insolventen Handelshaus Arcandor gehört, nicht zuletzt dem Untergang einer anderen Tochter: Das Ende von Quelle beschert dem einstigen Schwesterunternehmen unverhofften Schwung. Seit dem Räumungsverkauf des Fürther Wettbewerbers geht es steil bergauf. Kein Wunder: Vor der Pleite verkaufte Quelle jährlich Waren für 2,45 Milliarden Euro, davon rund zwei Drittel in Deutschland. „Dieser Umsatz geht für die Branche schließlich nicht verloren“, sagt Oliver Claas vom Bundesverband des Deutschen Versandhandels.

Der geräuschvolle Zusammenbruch Quelles ist freilich nicht der einzige Grund für Neckermanns Aufschwung. Das Management um Koopmann hat auch einige der hausgemachten Probleme angepackt. „Neckermann hat seine Werbestrategie jetzt deutlich besser auf die Wünsche der Kunden angepasst“, sagt Martin Groß-Albenhausen vom Branchendienst „Versandhausberater“. Die Besserung hält er für nachhaltig.

Im Internet, wo Neckermann inzwischen 66 Prozent seiner Umsätze generiert, nahm Koopmann Abschied von bunten Spielereien. Mit wachsendem Erfolg stellte der Versender die Artikel zurück in den Mittelpunkt. Zudem arbeiten die Frankfurter mit ihrem Katalog jetzt sparsamer: Die Produktionskosten wurden gesenkt, Kundenadressen ließ Koopmann nach unrentablen Sammelbestellern durchforsten. Auch den Außendienst, eine Mannschaft von 140 Mitarbeitern, schickte der 45-Jährige nach Hause.

Neckermann scheint damit eine lange Leidensgeschichte zu beenden. 2008 war in Deutschland ein operativer Verlust von 133 Millionen Euro angefallen. Zu jedem Euro Umsatz legte das Unternehmen 14 Cent obendrauf. Auch 2009 fielen Verluste in zweistelliger Millionenhöhe an. Hinzu kamen weitere Probleme: Als Vorbesitzer Karstadt-Quelle das Logistikgeschäft seiner Töchter Neckermann und Quelle 2005 an DHL verkaufte, hatte die Konzernmutter dem Erwerber einen Mindestumsatz zugesichert. Für ihn sollten beide Versender gesamtschuldnerisch haften, doch mit der Quelle-Pleite fiel das gesamte Vertragsrisiko an Neckermann. Hätten die Frankfurter den Vertrag vorzeitig gekündigt, wäre ihnen ein Schaden von 32 Millionen Euro entstanden. Inzwischen hat DHL Neckermann von dieser Verpflichtung entbunden, wie ein Sprecher versicherte.

Neckermanns Niedergang trübte auch die Stimmung von Arcandors Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg. Die 49-prozentige Beteiligung, die Arcandor hält, erwies sich als unverkäuflich. Geld für die Gläubiger versprach das Geschäft kaum abzuwerfen. Doch das hat sich geändert: Der Übernahmepreis dürfte sich auch nach der Ertragskraft von Neckermann richten. „Wir haben mit dem Verkauf der Neckermann-Anteile keine Eile“, lässt Görg über seinen Sprecher mitteilen. Als möglicher Käufer gilt der Investor Sun Capital, der schon 51 Prozent der Anteile hält.

Christoph Schlautmann

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