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Frauen und Technik! Viele deutsche Konzerne klagen über den Mangel an weiblichen Bewerbern in Ingenieursberufen.

© picture alliance / dpa

Quote für die Aufsichtsräte: Frauen in Führung

EU-Justizkommissarin Viviane Reding bringt nach langem Ringen eine europäische Quote auf den Weg – doch Kanzlerin Merkel lehnt den Vorstoß ab.

Berlin - „Geschafft“ twitterte Viviane Reding am Mittwoch gleich in mehr als 20 Sprachen. Nach monatelangen Verhandlungen gelang es der EU-Justizkommissarin nun, die europäische Frauenquote in der Kommission durchzusetzen. „Dieser Vorschlag wird die gläserne Decke durchbrechen, die talentierte Frauen davon abhält, in Top-Jobs zu kommen“, erklärte Reding. Der Gesetzentwurf verpflichtet die rund 5000 börsennotierten Unternehmen in Europa, bis 2020 40 Prozent ihrer Aufsichtsratsposten mit Frauen zu besetzen. Eine Regelung für Vorstände ist nicht vorgesehen. Das Gesetz könnte 2016 in Kraft treten – wenn alles glatt geht.

Denn der Entwurf muss sowohl vom europäischen Parlament als auch vom Ministerrat gebilligt werden und hier gibt es erheblichen Widerstand. Acht Länder unter Führung von Großbritannien drohen damit, dort das Gesetz zu blockieren. Redings Freude dürfte am Mittwoch auch vom Widerstand aus Deutschland getrübt worden sein: Bundeskanzlerin Angela Merkel signalisierte ihre Ablehnung: „Wir sind der Meinung, das muss auf nationaler Ebene geregelt werden“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Für eine Regelung auf EU-Ebene gebe es keine Rechtsgrundlage. Ob Deutschland auch formal gegen die Quote abstimmen würde, wollte Seibert nicht sagen.

Wie die Chancen für eine gesetzliche Regelung in Deutschland stehen, ist offen. Allerdings hatte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung und Staatsministerin bei der Kanzlerin, Maria Böhmer (CDU), sich vergangene Woche auf der DIVERSITY-Konferenz des Tagesspiegels für eine Frauenquote von zunächst 30 Prozent in Aufsichtsräten ausgesprochen.

Auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU) erklärte, Brüssel habe „nicht die Zuständigkeit für eine Frauenquoten-Richtlinie“. Zudem würden Aufsichtsräte in Deutschland nicht benannt, sondern gewählt. „Die Vereinbarkeit von echten Wahlen mit den Vorstellungen von Frau Reding wird sich ganz bestimmt noch als Hürde erweisen“, erklärte Schröder. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sprach sich dagegen erneut für eine feste Quote aus, die Unternehmen „klare Ziele“ setze und Zeitvorgaben machen, wie ihre Sprecherin sagte. Die SPD kommentierte den EU-Vorschlag als „großen Tag für Europas Frauen“. Der Vorstoß sei wirtschaftlich sinnvoll und vor allem gerecht, erklärte die stellvertretende Parteivorsitzende Manuela Schwesig.

Die Wirtschaft, wie auch schon in der Debatte um eine deutsche Regelung klar wurde, hält nichts von „starren“ Quoten. So erklärte der Bundesverband der Deutschen Industrie, Redings Vorschlag schränke „die Handlungsfreiheit der Firmen unangemessen ein“. In den vergangenen beiden Jahren seien bereits 40 Prozent der neuen Aufsichtsratspositionen in großen deutschen Unternehmen mit Frauen besetzt worden – „auch ohne gesetzlichen Zwang“. Dennoch ist der Abstand zum EU-Entwurf weiterhin groß, derzeit sind hierzulande nur 15,6 Prozent der Aufsichtsräte weiblich. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, die Redings Entwurf ebenfalls ablehnt, erklärte, die Wirtschaft bemühe sich bereits „nach Kräften um mehr Frauen in den Betrieben.“

Die Dax-Konzerne BMW und Siemens, die eine staatlich verordnete Quote ebenfalls nicht für sinnvoll halten, geben sich selbstbewusst. „Wir brauchen eine Quote nicht zu fürchten, bei uns haben wir bereits 20 Prozent Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat“, sagte ein Siemens-Sprecher. Statt einer Quote für den Aufsichtsrat habe der Konzern eher ein Interesse daran, generell mehr Frauen in alle Führungsebenen zu bekommen.

Auch bei BMW sind derzeit vier der 20 Aufsichtsratsmitglieder weiblich, in der gesamten Belegschaft liegt der Anteil bei 14 Prozent. Den Vorschlag Redings halte man „nicht für zielführend“, sagte ein Sprecher. Sollte eine solche gesetzliche Vorgaben kommen, werde man sie „selbstverständlich“ erfüllen. „Leicht wird das aber nicht“, sagte der Sprecher. Denn in technischen Berufen sei es immer noch schwierig, genügend Frauen zu finden. Daher versuche der Konzern in der Ausbildung anzusetzen. „Der Anteil der Frauen in unseren Traineeprogrammen für Managementpositionen liegt heute bei mehr als 37 Prozent“, sagte der Sprecher.

Im Ringen um einen Kompromiss in den vergangenen Wochen hatte EU-Kommissarin Reding den Gesetzentwurf abgeschwächt. Die EU-Staaten müssen die Sanktionen – zum Beispiel Geldbußen oder die Annullierung von Ernennungen – für Verstöße selbst festlegen. Ausgenommen sind Firmen mit weniger als 250 Beschäftigten und weniger als 50 Millionen Euro Umsatz und solche, in denen weniger als zehn Prozent Frauen beschäftigt sind.

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