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Von deutschen Innenstädten hat Eva-Lotta Sjöstedt in den vergangenen Monaten schon so einiges gesehen. 47 Karstadt-Filialen besuchte die künftige Chefin des Warenhaus-Konzerns bereits. Doch offiziell übernimmt sie die Führung des Warenhais-Konzerns erst an diesem Montag.

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Radikal anders: Eva-Lotta Sjöstedt fängt bei Karstadt an

Die Schonzeit ist vorbei: Von diesem Montag an muss die neue Karstadt-Chefin zeigen, wie sie den maroden Konzern wieder rentabel machen will.

Von Maris Hubschmid

Als ihr Name fiel, wussten selbst in der Branche nur die wenigsten etwas damit anzufangen. Eva-Lotta Sjöstedt war Managerin beim schwedischen Möbelkonzern Ikea, bevor sie als neue Karstadt-Chefin nominiert wurde. An diesem Montag tritt die 47-Jährige nun offiziell ihr Amt an. Ihre Aufwärmphase ist vorbei: Die vergangenen Wochen hat sie genutzt, um – fast täglich – Deutsch zu lernen und sich mit dem Warenhauskonzern vertraut zu machen. 47 der 83 Filialen hat sie eigenen Angaben nach besucht.

Die Ausgangslage für die Schwedin ist denkbar ungünstig. Ergebnisverbesserungen müssen dringend her, die meisten der traditionellen Häuser sind nicht profitabel. „Karstadt wird auch 2014 keine Gewinne schreiben“, prophezeite Aufsichtsratschef Stephan Fanderl jüngst. Der Interimschef, Personaldirektor Kai-Uwe Weitz erklärte im Tagesspiegel, für Lohnerhöhungen gebe es keinen Spielraum. Auch Filialschließungen seien möglich. Das erschwert die Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft Verdi, die auf eine Beschäftigungs- und Standortsicherung pochen. Eine für kommenden Dienstag geplante Gesprächsrunde sagte Karstadt am Freitag ab.

Zuletzt verantwortete die Managerin die Onlinestrategie bei Ikea

Sjöstedts Erfolgschancen stufen Branchenkenner unterschiedlich ein. „Ich glaube, die Karstadt-Geschäftsführung hat ganz gut erkannt, was es zu machen gibt“, sagt Gerrit Heinemann, Handelsexperte von der Hochschule Niederrhein. „Allerdings sind noch große Barrieren in der Umsetzung zu überwinden.“ Sjöstedt will die Onlineaktivitäten ausbauen und stärker mit dem Filialgeschäft verknüpfen. In dem Bereich hat sie Erfahrung: Auch bei Ikea verantwortete sie zuletzt die Online-Strategie. „Solch ein Internetshop muss so exzellent sein, dass er auch als eigener Kanal existieren kann“, meint Heinemann. Auch in anderer Hinsicht müsse Karstadt aufrüsten: kostenloses W-Lan etwa oder Retourenservicepoints. „Dass man heute noch zur Zentralkasse in den fünften Stock muss, um etwas umzutauschen, ist eher abschreckend.“

Auf Kundenbedürfnisse stärker eingehen will Sjöstedt, indem sie regionale Schwerpunkte setzt. Sie wolle Häuser darauf ausrichten, was den Menschen einer Stadt wichtig sei. „Viele sind den Einheitsbrei im Einzelhandel leid“, sagte sie jetzt. „Auch gute Ideen“, meint Heinemann, aber sie seien „ nur umsetzbar, wenn Mittel vorhanden sind“. Er bezweifelt, dass die Investoren Nicolas Berggruen und René Benko bereit sind, das notwendige Geld zu geben – „deutlich über eine Milliarde Euro“. Mit dem Verkauf der Premiumsparte hat Karstadt sich zwar Luft verschafft. „Aber wenn Sjöstedt jetzt mit dem auskommen soll, was am wirklich abgenagten Knochen noch dran ist, sehen alle Szenarien nach Ausstieg aus.“

Jetzt geht es darum, ein Unternehmen radikal umzubauen

„In dieser Position wird Frau Sjöstedt nicht in Pension gehen“, sagt Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein- Sieg voraus. „Dieses Unternehmen wirtschaftlich zu stabilisieren, wird ihr nicht gelingen.“ Karstadts Hauptproblem ist seiner Meinung nach, dass es im Bereich Mode nicht wettbewerbsfähig ist. Vom Papier her sei Sjöstedt zudem nicht gerade die Idealbesetzung: „Ikea verkauft eigene, billige Accessoires in großen Mengen an eine komplett andere Zielgruppe. Die erste Herausforderung dürfte es für Frau Sjöstedt also sein, alles zu vergessen, was sie gelernt hat.“

Kritisch beurteilt mancher auch, dass Sjöstedt sich in den vergangenen Wochen betont mitarbeiternah gegeben hat. „Ich habe gesehen, wie viele tolle Mitarbeiter wir in den Filialen und im Service Center haben“, sagt sie. Auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen Karstadt wolle sie „die Mitarbeiter mitnehmen“. „Es geht um ein radikales Change-Management“, sagt Gerrit Heinemann. „Neue Konzepte muss man vermutlich auch gegen den Willen von Betriebsräten und Mitarbeitern durchsetzen.“ Sjöstedts Ankündigungen würden Erwartungen bei den Mitarbeitern wecken, die wahrscheinlich nicht zu halten seien.

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