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RAG-Streit: Der Ton wird schärfer

Wilde Medienspekulationen und offene Auseinandersetzungen zwischen der CDU-Landesregierung und dem ehemaligen Minister im Kabinett Schröder, Werner Müller, belasten den Führungsstreit um die Kohlestiftung. Es geht um 80.000 Arbeitsplätze und mehrere Steuermilliarden.

Essen - Angesichts der Medienspekulationen über einen Gasprom-Einstieg warf die NRW-Landesregierung RAG-Chef Werner Müller am Wochenende Eigenmächtigkeit und Zurückhaltung von Informationen vor. Der Konzern sprach von einer Ente und bloßen Inszenierung des Landes, die sich gegen den RAG-Börsengang richte. So viel an die Öffentlichkeit getragener Streit mit einem der wichtigsten Industriekonzerne des Landes, der knapp 80.000 Menschen beschäftigt, wunderte auch Beobachter in anderen Essener Industrieunternehmen.

Das Verhältnis zwischen Müller und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gilt als zerrüttet. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Müller hatte vor zwei Jahren im NRW-Landtagswahlkampf SPD-Kandidat Peer Steinbrück unterstützt. Zudem ist der RAG-Chef extrem machtbewusst und ehrgeizig. Rüttgers treibt auch die Sorge um die Finanzierbarkeit des von Müller vorgeschlagenen Szenarios für den RAG-Börsengang und für den Ausstieg aus der Kohleförderung um.

Bei einem Börsengang fehlten vier Milliarden

Schließlich würde ein Börsengang nach einem zu Jahresbeginn vorgelegten Gutachten netto knapp vier Milliarden Euro bringen, zur Deckung der Folgekosten für den Bergbau sind nach Einschätzung der Landesregierung aber 8,5 Milliarden Euro nötig. Sonst könnte nach dem Ausstieg 2018 doch noch der Griff in den Steuersäckel nötig werden, befürchten Pessimisten. Vor diesem Hintergrund sind Spekulationen etwa von NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) über einen möglicherweise lukrativeren Einzelverkauf der RAG-Unternehmen Degussa (Chemie), Steag (Kraftwerke) und der Immobilien nie ganz verstummt.

Vergangene Woche stellte eine CDU/SPD-Koalitionsrunde in Berlin aber klar die Weichen auf Börsengang. Gegen Müller als Stiftungsvorsitzenden wehrte Rüttgers sich dabei mit Händen und Füßen: Sogar den SPD-Kompromissvorschlag, Müller nur für ein halbes Jahr den Vorsitz zu geben und ihm dann den Chefposten im neuen Industriekonzern zu überlassen, lehnte die CDU ab. Dass sie unter der Hand offenbar fieberhaft nach einem Gegenkandidaten sucht, wird bei der RAG mit Interesse beobachtet. Einige führende Manager hätten bereits aus Respekt vor der Person Müller abgesagt, wird im Essener Konzern genüsslich kolportiert.

Rüttgers sucht noch einen Kandidaten

Die RAG fühlt sich zu Unrecht seit Wochen im Mittelpunkt von Negativschlagzeilen. Aus Sicht von Konzernsprecher Christian Kullmann gilt das neben der "Gazprom-Ente" auch für die Vorwürfe des Großaktionärs RWE, RAG habe dem Anteilseigner Arcelor ungerechtfertigte Zugeständnisse gemacht und dabei den Aufsichtsrat nicht ausreichend beteiligt. Für Anfang Juni gibt es dazu eine Sondersitzung des Aufsichtsrates. Sollte Müller ein formaler Verstoß nachgewiesen werden, müsste er wohl gehen. Die öffentliche Äußerung des Aufsichtsratschef Wulf Bernotat vor wenigen Tagen, Müller sei ein geeigneter Stiftungschef, deutet aber eher in die andere Richtung.

So wird Müller wohl Kandidat bleiben, und Rüttgers nicht mehr viel Zeit haben, einen Gegenkandidaten zu präsentieren: Bis Ende Juli muss die Stiftungsfrage entschieden sein, damit das Gesetz über den Kohleausstieg rechtzeitig verabschiedet werden kann. Und einige Wochen Vorlauf bräuchte Rüttgers sicher, um für Müllers Herausforderer die nötigen Mehrheiten zu organisieren. (Von Rolf Schraa und Claus Haffert, dpa)

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