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Viele Menschen brauchen später Pflege, mahnt Jacobus. Ein Appell auch in eigener Sache, denn die Ideal bietet entsprechende Policen.

© Sven Darmer/Davids

Rainer Jacobus, Chef der Berliner Ideal Versicherung: "In vielen Bezirken ist die Verwaltung eine Katastrophe"

Rainer Jacobus ist Chef der Berliner Ideal Versicherung. Mit dem Tagesspiegel spricht er über niedrige Zinsen, lahme Behörden und erklärt, warum der Staat die Infrastruktur selbst bezahlen sollte.

Herr Jacobus, die Bafin hat angekündigt, Versicherer in „Manndeckung“ nehmen zu wollen. Für Kunden, die für ihre Altersvorsorge sparen, klingt das nicht sehr beruhigend. Wie schlimm steht es?

Die letzte Pleite eines Lebensversicherers in Deutschland war in der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren. Wir hatten dann zwar Anfang der 2000er eine krisenhafte Zuspitzung bei der Mannheimer Lebensversicherung, die haben wir aber mit unserer brancheninternen Sicherungsgesellschaft Protektor gelöst. Aktuelle Krisenfälle sehe ich nicht.

Und mittelfristig?

Das Niedrigzinsumfeld macht den Lebensversicherern erhebliche Probleme. Aber nicht nur den Versicherern – die niedrigen Zinsen zerstören unseren gesamten Wirtschaftskreislauf. Wenn Eigenkapital mehr kostet als Fremdkapital, wenn Millionen von Kleinsparern zugunsten der öffentlichen Haushalte enteignet werden, dann ist das nicht gesund. Mit den niedrigen Zinsen können wir keine Polster aufbauen. Dabei wird uns die demografische Entwicklung in den nächsten 20, 25 Jahren vor enorme Herausforderungen stellen. Die Menschen, die zwischen 1955 und 1965 geboren sind, die geburtenstarken Jahrgänge, gehen in Rente, aber es gibt zu wenige junge Menschen, die den Generationenvertrag finanzieren. Leistungskürzungen sind aus meiner Sicht unausweichlich. Und wenn keine Polster existieren, wird es eng.

Die Zinsen haben sich in den vergangenen Wochen leicht erholt. Ist das die Wende?

Eine solche Miniwende hatten wir schon mal im November. Ich sehe derzeit keine Anzeichen für eine tiefgreifende Erholung.

Bei der Ideal haben Sie 2014 eine Verzinsung Ihrer Kapitalanlagen von 5,2 Prozent erreicht. Wie haben Sie das geschafft?

Wir fahren seit 2006, 2007 bewusst eine antizyklische Kapitalanlagepolitik. Wir sind weitgehend aus Staatsanleihen ausgestiegen, diese Papiere haben wir praktisch gar nicht mehr gekauft. Staatsanleihen sind uns zu riskant. Wir sind zum Beispiel auch sehr intensiv in den Berliner Immobilienmarkt eingestiegen und haben aus den Mieteinnahmen einen stetigen Zufluss von Kapitalerträgen.

Warum?

Wer die Anleihe begibt, kann die Spielregeln ändern. Wir haben das beim Haircut in Griechenland erlebt, das war praktisch eine willkürliche Enteignung der institutionellen Gläubiger. Und jetzt passiert das wieder bei der Bank Hypo Alpe Adria, für die das Land Kärnten eine Gewährträgerhaftung übernommen hatte, die jetzt per Bundesgesetz ausgehebelt worden ist. Es ist inakzeptabel, wenn der Schuldner einseitig die Regeln ändern kann.

Was kaufen Sie stattdessen?

Unternehmensanleihen. Die guten Anlagen bringen zwar auch keine sonderlich hohen Zinsen, aber Sie müssen zumindest nicht befürchten, dass große Konzerne aufhören, Zinsen zu zahlen, oder die Rückzahlung der Anleihe verweigern.

"Das Pflege-Risiko trifft nicht nur die Pflegebedürftigen"

Wie würden Sie heute 10 000 Euro anlegen?

Ich würde in Zeiten niedriger Renditen Geld ausgeben, um künftige Risiken abschließend abzusichern.

Sie sind Anbieter von Pflegerentenversicherungen, da verwundert diese Antwort jetzt nicht.

Ja, aber es ist trotzdem richtig. Von 100 Menschen, die heute in Berlin 60 Jahre alt sind, werden 90 auch 80 Jahre alt und von denen, die 80 werden, wird wiederum ein Drittel pflegebedürftig. Das ist vielen nicht bewusst. Dieses Risiko trifft nicht nur die älteren Menschen selbst, sondern auch ihre Kinder und sogar die Enkel.

Viele Menschen haben aber außer der gesetzlichen Pflegeversicherung keine zusätzliche Absicherung. Was passiert, wenn die Eltern nicht 85 Jahre alt werden, sondern 95 und das Ersparte aufgezehrt ist?

Dann wird es schwierig. Die umlagefinanzierten Sicherungssysteme schaffen das nicht – weder bei der Rente noch bei der Pflege, die auch nur eine Teilabsicherung mit einer hohen Selbstbeteiligung ist. Leider ist der demografische Zug abgefahren. Die Mädchen, die vor 30 Jahren nicht geboren worden sind, können heute keine Kinder bekommen. Menschen, die sich absichern wollen, brauchen eine private Zusatzversicherung.

Und wer zahlt für die, die keine Zusatzversicherung haben?

Ich denke, dass künftig die Kinder und Enkel stärker herangezogen werden. Ansonsten rechne ich damit, dass die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung steigen. In zehn Jahren liegt der Beitrag bei mindestens vier Prozent. Aber viele Menschen könnten sich durchaus eine private Zusatzversicherung leisten, das Sparvermögen ist doch so hoch wie nie.

Wenn jemand nun keine Versicherung kaufen will, welche Kapitalanlagen empfehlen Sie dann?

Ich empfehle gar nichts. Aber wenn Sie mich fragen, was ich privat mit meinem Geld mache, dann sage ich Ihnen, ich kaufe neben meiner Basisabsicherung Aktien. Bei allem Risiko ist das eine gute Kapitalanlage. Man profitiert von den Dividenden und den Wertsteigerungen in den Unternehmen.

"Wir würden gern mehr in Aktien investieren"

Kaufen Sie auch Aktien für die Ideal?

Wir würden gern mehr in Aktien investieren, aber die Rechnungslegungsvorschriften machen das in größerem Umfang unmöglich. Die Politik, die Aufsicht und die Wirtschaftsprüfer müssen den Versicherern dringlich neue Spielräume eröffnen, um eine größere Anlage in Aktien zu ermöglichen.

Die Politik wünscht sich aber, dass die Versicherer künftig mehr in Infrastrukturprojekte investieren.

Warum sollte ein Finanzminister oder ein Stadtkämmerer der Versicherungswirtschaft drei, vier oder gar fünf Prozent Zinsen zahlen, wenn er auf dem Kapitalmarkt das Geld für Infrastrukturprojekte praktisch umsonst bekommt? Dieses Geschäftsmodell erschließt sich mir nicht.

Sie sind eine Berliner Versicherung. Gäbe es hier überhaupt seriöse Projekte?

Machen Sie Berlin mal nicht so schlecht. Ich bin jetzt seit 14 Jahren hier. Es hat sich in dieser Zeit vieles gebessert.

Aber von einer Wirtschaftsmetropole ist Berlin noch weit entfernt.

Wir haben in Berlin nicht nur den Tourismus, die Kreativwirtschaft und die Start-ups, sondern auch unheimlich viele „hidden champions“, die mit einigen hundert Leuten sehr erfolgreich sind. Ich bin seit vielen Jahren in der Etatkommission der IHK und habe damit einen guten Einblick in die Entwicklung der Gewerbeerträge. In den letzten Jahren sind die deutlich nach oben gegangen. Ich bin mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Berlin zufrieden.

"Ich halte die Mietpreisbremse für falsch"

Welchen Anteil hat der Senat daran?

Der Senat hat einen großen Schritt auf die Wirtschaft zugemacht, die Regierungspolitik ist inzwischen sehr wirtschaftsfreundlich. Aber in den Bezirken sieht das oft anders aus. Das bekommen wir als große Immobilienbesitzer – uns gehört beispielsweise mehrheitlich das Hotel Ellington – oft zu spüren. In vielen Bezirken ist die Verwaltung eine Katastrophe. Das fängt bei so kleinen Dingen an wie der Zulassung eines Firmen-Pkw und hört damit auf, dass Sie, wenn Sie bauen oder modernisieren wollen, auf eine völlig unterbesetzte Bauverwaltung treffen. Die zweistufige Verwaltung aus Land und Bezirken halte ich für extrem reformbedürftig.

Wollen Sie die Bezirke abschaffen?

Nein, niemand will die Servicestellen für die Bürger in den Bezirken abschaffen. Aber müssen wir wirklich in jedem Bezirk ein Bauamt und eine Denkmalschutzbehörde haben? Könnten wir das nicht zentralisieren? In Hamburg gibt es Schwerpunktreferate, in Berlin kocht jeder Bezirk sein eigenes Süppchen. Das ist ein echtes Investitionshindernis, auch für Investoren von außen, die dieser Kleinstaaterei fassungslos gegenüberstehen.

Verdienen Sie mit Ihren Immobilien weniger, wenn die Mietpreisbremse kommt?

Wir haben viele Immobilien, bei denen es bei den Mieten noch eine Menge Luft nach oben gibt, bevor die Mietpreisbremse greift. Ich halte diese übrigens für falsch. Sie wird zu Umgehungstatbeständen führen, etwa indem uralte Küchen plötzlich wieder zu horrenden Preisen verkauft werden. Und die Vermieter werden künftig noch mehr Wert auf die Bonität der Mieter legen, wenn es bei den Mieten einen Deckel gibt. Dann gucken all diejenigen in die Röhre, die mit der Mietpreisbremse geschützt werden sollten. Wir würden sie gar nicht brauchen, wenn mehr Sozialwohnungen gebaut worden wären. Es gibt doch genug Flächen für den sozialen Wohnungsbau, etwa den Rand des Tempelhofer Feldes.

Das Interview führte Heike Jahberg

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