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Wirtschaft: Ramsauers neue Reifen

Winter-Pneus werden zur Pflicht

Berlin - Die Liste wird immer länger. Nicht nur Oberstdorf (812 Meter Seehöhe) und Braunlage (609 Meter) melden eine brenzlige Lage. Auch in Erfurt (322 Meter), in Wernigerode (240 Meter) und sogar auf Kap Arkona (zwei Meter) hat sich die Situation verschärft – dank Tief „Gundula“ gibt es eine geschlossene Schneedecke. Für Autofahrer bedeutet das: Es kann teuer werden. Denn ab kommender Woche müssen sie mit Winterreifen fahren, wenn es schneit oder die Straßen eisglatt sind. Sonst riskieren sie eine empfindliche Strafe. So will es Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Voraussetzung ist, dass der Bundesrat am Freitag der Änderung der Straßenverkehrsordnung zustimmt.

„Wer im Winter bei Schnee und Matsch mit ungeeigneten Reifen fährt, gefährdet sich und andere. Das gilt besonders für Lkw“, moniert der Minister. Die Regel gilt für Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte. Nötig sind Pneus, die mit dem M(atsch)+S(chnee)-Symbol ausgezeichnet sind, also Ganzjahres- oder Allwetterreifen. Auch eine Schneeflocke oder ein Bergpiktogramm können den Reifen zieren. Für einfache Verstöße gibt es ein Bußgeld von 40 Euro, wer zudem den Verkehr behindert – indem er etwa an einer Steigung liegen bleibt und einen Stau verursacht – riskiert 80 Euro und einen Punkt in Flensburg. Die Pflicht gilt auch für Anhänger, nicht aber für geparkte Autos. Man wolle „die präventive Wirkung wieder herstellen“, heißt es in der Vorlage des Ministeriums für den Bundesrat.

Der Reifenhandel hat sich bereits auf eine steigende Nachfrage eingestellt. „Die Industrie hat zu Beginn des Winters gut 20 Prozent mehr M+S-Reifen an den Fachhandel geliefert als im vergangenen Jahr“, sagt Peter Hülzer, Vorsitzender des Bundesverbandes Reifenhandel. Da es bislang im November mild war, seien große Teile des Vorrats noch vorhanden. Engpässe werde es, trotz Ramsauers Verordnung, nicht geben – allenfalls, wenn ein Käufer unbedingt den Testsieger haben wolle. „Jeder, der einen Winterreifen haben möchte, bekommt ihn auch“, verspricht Hülzer. Allerdings steigen die Preise: Im Vergleich zum vergangenen Jahr gebe es ein Plus von drei bis fünf Prozent. Der Verband erklärte das vor allem mit gestiegenen Rohstoffpreisen für die Hersteller.

Schon bislang musste mit Strafen rechnen, wer im Winter auf Sommerreifen fuhr. Allerdings war der Passus in der Straßenverkehrsordnung zu schwammig – darin hieß es, die Ausrüstung sei „an die Wetterverhältnisse anzupassen“, etwa mit „geeigneter Bereifung“. Was genau ein Winterreifen ist und wann er nötig ist, war unklar. Das Oberlandesgericht Oldenburg bemängelte im Juli, auf einer so unklaren Basis dürfe kein Bußgeld verhängt werden. Daher musste Ramsauer handeln. Europaweit einheitliche Regeln gibt es aber nicht. So schreiben Tschechien oder Estland zwingend Winterreifen vor, in Österreich hängt es vom Wetter ab, in Polen spielt die Bereifung keine Rolle.

Für die meisten Autobesitzer wird sich trotz der neuen Regelung nicht viel ändern. Im Schnitt 85 Prozent besäßen bereits Winterreifen, berichtet Reifenhandels-Chef Hülzer. Fraglich ist aber, welche Folgen die Winterreifenpflicht im Alltag haben wird. „Flächendeckende Kontrollen sind fast unmöglich, dafür fehlt einfach das Personal“, sagt Frank Richter, Vizechef der Gewerkschaft der Polizei. Bußgelder würden im Alltag „fast keine Rolle spielen“, das Risiko für Reifensünder, erwischt zu werden, sei sehr gering. „Es fällt immer erst dann auf, wenn es zu spät ist, also bei einem Unfall oder einer Panne.“ Nicht einmal zehn Prozent der Autofahrer würden überprüft. Wirksam könne die neue Regel aber nur sein, wenn sie auch überprüft werde. Deshalb müsse mehr kontrolliert werden, auf dem Land ebenso wie in der Stadt. Carsten Brönstrup

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