zum Hauptinhalt
Ausverkauf. Fitch hat Italiens Kreditwürdigkeit gesenkt – das Land ist gelähmt.

© AFP

Rat der Wirtschaftsweisen: "Banker-Boni sind ein Nebenkriegsschauplatz"

Der neue Wirtschaftsweise, Volker Wieland, über Gehaltsgrenzen in der Geldbranche, den Kampf gegen die Finanzkrise und die Lage Italiens.

Herr Wieland, Italien hat noch immer keine neue Regierung. Geht die Finanzkrise jetzt von vorne los?
Sie war nie vorbei. Wer das geglaubt hat, lag falsch. Übrigens, die Unsicherheit über den Wahlausgang in Italien stand schon lang im Raum: Zwar war Montis Reformkurs positiv, aber niemand wusste, wie es nach der Wahl weitergeht. Bei dem Ergebnis jetzt überrascht es nicht, dass Anleger nun erst einmal vorsichtig sind.

Wird die Europäische Zentralbank ihre Ankündigung wahr machen müssen, den Euro durch Anleihekäufe zu stützen?
Die EZB will Staatsanleihen angeschlagener Länder nur kaufen, wenn sich eine Regierung zu Reformen verpflichtet. Es ist derzeit aber unsicher, ob eine neue italienische Führung das tun würde. Wenn Rom sich sträubt Bedingungen zu akzeptieren, aber trotzdem eines Tages Hilfe nötig haben sollte, wird es eng. Dann muss die EZB Farbe bekennen.

Käme Italien mit einer Weigerung durch, würden Spanien, Griechenland oder Portugal auch die Lust am Sanieren verlieren.
Sollte die EZB nachgeben, könnte es so kommen. Deshalb hatte ich die Ankündigung der EZB auch kritisiert. Auf jeden Fall wird es sehr schwierig. Allerdings, jede neue Regierung in Italien, die sich Geld am Markt leihen will, steht vor derselben Herausforderung. Sie muss mit einer Konsolidierungs- und Reformpolitik, die langfristig mehr Wachstum bringt, Anleger überzeugen, ihr Geld in italienische Staatsanleihen zu stecken. Nur so kann sich die Lage zum Besseren wenden.

Volker Wieland (47) ist seit März Mitglied im Rat der Wirtschaftsweisen. Er folgt auf den langjährigen Vorsitzenden Wolfgang Franz und lehrt monetäre Ökonomie in Frankfurt am Main.
Volker Wieland (47) ist seit März Mitglied im Rat der Wirtschaftsweisen. Er folgt auf den langjährigen Vorsitzenden Wolfgang Franz und lehrt monetäre Ökonomie in Frankfurt am Main.

© dpa

Nicht nur in Italien gibt es großen Unmut über die Sparpolitik – sie sei von Europa verordnet und schädlich, lautet der Vorwurf.
Die Finanzmärkte verlangen eigentlich noch viel härtere Maßnahmen. Nur die Kredite durch den Rettungsschirm in Form des ESM und Staatsanleihenkäufe oder Ankündigungen der EZB geben den Krisenstaaten Gelegenheit, abzuwarten und langsamer vorzugehen. Europa ist nicht verantwortlich für die jeweiligen nationalen Probleme. Es oktroyiert auch keine Sparpakete, sondern gibt Kredite an Länder wie Portugal, Irland und Griechenland, sodass sie sich mit Sparen und Reformieren mehr Zeit lassen können. Im Übrigen haben die Regierungen in Spanien und Italien einfach auf den Kostendruck reagiert, mit dem sie sich bei der Kreditaufnahme am Markt konfrontiert sahen.

Welche Chancen hat Italien?
Italien ist schon lange verwundbar wegen seiner hohen Schulden und des geringen Wachstums. Dabei ist das Land nicht arm, es hat Potenzial und gute Unternehmen. Die Regierung Monti hat aber wohl mehr auf Steuererhöhungen als auf Ausgabenkürzungen und Reformen gesetzt. Der umgekehrte Weg wäre besser gewesen.

Eine Boni-Begrenzung verhindert nicht automatisch Finanzkrisen

Die Politik nimmt sich die Finanzbranche vor – sie will die Boni begrenzen, eine Transaktionssteuer einführen, den Hochfrequenzhandel bremsen, sogar ein Trennbankensystem wird diskutiert. Trifft das die Richtigen?
Ich halte alle vier Ansätze für nicht besonders förderlich bei der Lösung der Finanzkrise. Das Wichtigste ist, dafür zu sorgen, dass die Banken weitaus mehr Eigenkapital vorhalten im Verhältnis zu den Risiken, die sie eingehen. Dann können die Banken und ihre Aktionäre auch in angemessenem Maß selbst Verantwortung übernehmen, wenn etwas schiefgeht. Die Eigenkapitalvorschriften müssen also schärfer werden.

Da ist bereits etwas passiert.
Ja, aber nicht genug. Hinzukommen muss eine stärkere Beteiligung der Gläubiger der Banken, die etwa eine Anleihe gekauft haben. Im Fall Irlands etwa sind sie mit hohen Summen vom Steuerzahler gerettet worden. Das geht in Zukunft nicht mehr. Wir brauchen Bail-ins statt ständiger Bail-outs. Im Fall Spaniens, wo viele Banken angeschlagen sind und vermutlich nicht überleben können, sollte man dieses Prinzip anwenden. Man kann nicht die gesamte Rettung den europäischen Steuerzahlern aufbürden.

Macht die Begrenzung der Boni die Banker zu besseren Menschen?
Sinnvoller wäre es sicherzustellen, dass die Führung der Banken, die vom Staat gerettet werden, dann auch ausgewechselt wird. Extraleistungen zu deckeln mag populär sein, wird aber eine simple Konsequenz haben: Die Festgehälter steigen. Gewonnen hat man dann nichts. Besser wäre es, Boni so auszurichten, dass sie für langfristig geschaffene Werte gezahlt werden, nicht für kurzfristige Erfolge mit großem Risiko. Das ist ebenso ein Nebenkriegsschauplatz wie die Regulierung des Hochfrequenzhandels. Die Forschung gibt keinen Hinweis darauf, dass dadurch Finanzkrisen verhindert werden.

Die Finanz-Transaktionssteuer soll das System weniger anfällig für Krisen machen.
Mit der Steuer will der Staat in erster Linie mehr Geld einsammeln. Wahrscheinlich wird sie dazu führen, dass das Handelsvolumen sinkt und die Preise der Produkte steigen. Zahlen wird der Endverbraucher. Dass sie Krisen vorbeugt, glaube ich nicht. Eher daran, dass ein Teil der riskanten Transaktionen in Länder verschwindet, die weniger streng reguliert sind und damit die Intransparenz zunimmt.

Der Sachverständigenrat hat in der Finanzkrise an Einfluss verloren. Wie wollen Sie das ändern?
Der Rat ist gut aufgestellt. Ich finde auch nicht, dass er weniger gehört wird – auch wenn der Vorschlag eines Schuldentilgungsfonds, das heißt eine zeitlich begrenzte gemeinsame Haftung für einen Großteil der europäischen Schulden, in Deutschland verständlicherweise auf Skepsis gestoßen ist. In Sachen Bankenunion und langfristigem Ordnungsrahmen für die Währungsunion liefert das Gutachten 2012 sehr gute Vorschläge.

Dringt der Sachverständigenrat bei der Politik durch?
Der Rat ist unabhängig und hat kein Büro im Kanzleramt – da ist sein Einfluss auf die Tagespolitik nicht so groß. Dafür kann er die Regierung kritisieren und ihr Reformen nahelegen. Heute genießt Deutschland mit niedrigen Arbeitslosenzahlen und einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft die Früchte der Arbeitsmarktreformen und Steuersenkungen aus der Agenda 2010. Bei der Vorbereitung dieser Reformen spielten die Analysen des Sachverständigenrats eine wichtige Rolle.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

Carsten Bönstrup

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false