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Auch europäische Börsen sind beteiligt an den aktuellen Gesprächen, die zu einer eigenständigen europäischen Ratingagentur in Form einer Stiftung führen könnten.

© dpa

Ratingagenturen: Roland Berger gegen Moody’s

Die Beratungsfirma Roland Berger will eine europäische Ratingagentur in Form einer Stiftung auf die Beine stellen. Spätestens Mitte 2012 soll sie ihre Arbeit aufnehmen und zwei Jahre später voll funktionsfähig sein.

Frankfurt am Main - „Wir führen gerade Gespräche mit Banken, Versicherungen und Börsen in Europa, aber auch mit den Regierungen verschiedener europäischer Länder sowie mit der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB)“, sagte Markus Krall, Partner von Roland Berger am Freitag auf Anfrage. Die Chance für eine europäische Agentur sei wegen des Imageverlustes der US-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch so gut wie nie zuvor. Auch die politischen Signale seien positiv.

Den Investitionsaufwand, den die Privatwirtschaft stemmen soll, beziffert Krall auf mindestens 300 Millionen Euro, die Agentur soll etwa 1000 Mitarbeiter beschäftigen. Neu am Geschäftsmodell der Agentur ist die Finanzierung: Es soll nicht der Emittent von Wertpapieren, sondern der Käufer das Rating bezahlen. Dadurch würden Interessenkonflikte vermieden. „Die europäische Ratingagentur würde nicht von heute auf morgen an den Start gehen, sondern stufenweise ihre Arbeit aufnehmen, so dass sie nach etwa zwei bis drei Jahren voll funktionsfähig sein sollte“, sagte Krall. Damit könnte die europäische Agentur ab 2014 ein schlagkräftiges, lange gefordertes Gegengewicht zu den US-Agenturen bilden. In die Gespräche eingebunden sind auch die Deutsche Börse und die hessische Landesregierung. Frankfurt wäre nach Ansicht von Krall vor allem wegen der EZB ein geeigneter Standort.

Die neue Agentur soll sich zunächst um Länderratings kümmern und dann nach und nach auch das Know-how für Bonitätseinschätzungen von Unternehmen aufbauen. Nach Ansicht von Krall erhöhen auch die verschärften Eigenkapitalrichtlinien für Banken nach Basel II die Chancen einer europäischen Agentur. Dadurch seien die Systeme und technologischen Verfahren zur Bewertung von Kreditrisiken heute erheblich besser als vor der Krise. „Es gab durch Basel II einen technologischen Quantensprung, der auch sehr hohe Transparenz für Ratingagenturen erlaubt. Die neue Agentur kann daher sehr schnell zeigen, wie gut sie ist.“

Die politischen Signale waren zuletzt eindeutig. Unter anderem haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle und das Europaparlament für die Gründung einer europäischen Agentur als Gegengewicht zu den drei US-Firmen starkgemacht. Nach Ansicht der Bundeskanzlerin muss die Initiative für eine europäische Agentur aus der Wirtschaft kommen. „Die Etablierung einer europäischen Ratingagentur wäre Schweiß und Hirnschmalz wert, denn ein Wettbewerber würde dieses enge Oligopol aufbrechen“, argumentiert Brüderle. Auch Ökonomen und Volkswirte stärken der Initiative von Roland Berger den Rücken. Damit könne der Wettbewerb gestärkt und die Schieflage in der Bonitätsbewertung zwischen Europa und den USA beendet werden, sagt Andreas Rees, Chefvolkswirt bei UniCredit HVB.

Allerdings gibt es auch Stimmen, die Ratingagenturen generell für kritisch halten. Nach Ansicht von Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Instituts (HWWI), ist die Stunde gekommen, „in der die Macht der Agenturen brachial gebrochen werden muss“. Gustav Horn, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) fordert, den Agenturen ihren Einfluss zu entziehen. Auch dem Wirtschaftsweisen Peter Bofinger geht die Macht der Agenturen viel zu weit.

Berger-Partner Krall allerdings glaubt, dass mit einem Stiftungsmodell und mit hoher Transparenz diesen Einwänden begegnet werden kann. Auch deshalb seien die Chancen für eine europäische Agentur so gut wie nie zuvor. Seit den neunziger Jahren sind unzählige Versuche zur Gründung einer europäischen Ratingagentur immer wieder im Sand verlaufen.

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