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Tausende Verbraucher, die zwischen 1994 und 2007 eine Lebens- oder Rentenversicherungen abgeschlossen haben, können davon womöglich heute noch wegen mangelhafter Belehrung über ihr Widerspruchsrecht zurücktreten. Die damals geltende einjährige Verjährungsfrist ist unwirksam, wenn Kunden Informationen über ihr Widerspruchsrecht nicht ordnungsgemäß erhalten haben, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch verkündeten Urteil entschied. Betroffene haben aber keinen Anspruch auf die volle Auszahlung ihrer Prämien, da sie während der Laufzeit den Versicherungsschutz genossen haben. (Az. IV ZR 76/119)

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Recht auf Widerspruch: BGH stärkt Kunden von Lebensversicherungen

Mehr Rechte für Versicherungskunden: Wurden sie nicht ausreichend aufgeklärt, können sie ihre Lebensversicherungen auch nach Jahren noch rückabwickeln. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Viele Verbraucher würden ihre alte Renten- oder Lebensversicherung am liebsten ungeschehen machen. Doch Kündigungen oder Beitragsfreistellungen haben zumeist finanzielle Verluste zur Folge. Wer jedoch unzureichend über seine Rechte aufgeklärt wurde, kann seinen Vertrag nach Jahren noch rückabwickeln. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden und Versicherungskunden damit den Rücken gestärkt. Unklar bleibt vorerst aber, wie viel Geld der Kunde nach einem erfolgreichen Widerspruch zurückbekommt.

Welche Verträge betrifft das Urteil des BGH?

Das Urteil betrifft diejenigen Renten- und Lebensversicherungen, die nach dem sogenannten Policenmodell zustande gekommen sind. Dabei erhielt der Kunde sämtliche Unterlagen erst mit dem Versicherungsschein. Er hatte die Möglichkeit, ab Erhalt der Unterlagen innerhalb einer bestimmten Frist zu widersprechen. Seit 2008 gibt es dieses Modell nicht mehr.

Wer kann nach dem Urteil jetzt noch erfolgreich seinen alten Vertrag rückabwickeln?

Wer zwischen 1994 und 2008 einen Vertrag nach dem „Policenmodell“ geschlossen hat und nachweislich nicht oder nicht richtig über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist. Auch wer die Verbraucherinformationen und/oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat, kann seinem Vertrag widersprechen.

Was heißt nachweislich?

Wer muss im Falle eines Prozesses denn die Aufklärungsfrage beweisen? Der Kunde oder das Unternehmen? Die Versicherung muss nach dem Gesetz beweisen, dass der Versicherungsnehmer, sprich der Kunde, alle notwendigen Unterlagen erhalten hat.

Kommen auf die Versicherer jetzt massenhaft Klagen zu?

Das muss sich zeigen. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geht jedenfalls davon aus, dass Lebensversicherungskunden auch in der Zeit von 1994 bis Ende 2007 die vorgeschriebenen Vertragsunterlagen regelmäßig vollständig erhalten haben und auch ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrt wurden.

Bekommt der Kunde seine gesamten eingezahlten Prämien samt Zinsen zurück?

Auch im Falle eines erfolgreichen Widerspruchs, bekommt Kunde wohl nicht seine gesamten eingezahlten Prämien samt Zinsen zurück. Dem BGH zufolge hat der Kläger im konkreten Fall keinen uneingeschränkten Anspruch auf Rückzahlung aller Prämien. Vielmehr müsse ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten gefunden werden. Dabei sei etwa zu berücksichtigen, dass der Versicherte Versicherungsschutz genoss. Dieser stelle einen Vermögensvorteil dar.

Lässt sich ein solcher Schutz denn in Geld bemessen?

Ja. Die Prämie für einen Lebensversicherungsvertrag besteht aus Spar-, Risiko- und Kostenanteil, wie ein GDV-Sprecher erklärt. „Alle diese Faktoren werden bei der Kalkulation konkret beziffert.“ Die Verbraucherzentrale Hamburg schätzt, dass der maßgebliche Risikoanteil im Verhältnis zur gezahlten Prämie klein ausfallen dürfte.

Lohnt sich ein Widerspruch dann für alle Kunden, die sich nicht richtig aufgeklärt fühlen?

„Es gilt: Je länger die Verträge gelaufen sind und desto mehr eingezahlt worden ist, umso weniger wird sich vermutlich ein Widerspruch lohnen“, sagt die Versicherungsexpertin Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg dazu. dpa

Diana Niedernhöfer

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