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Rechte: Streit um Tier- und Pflanzenpatente

Konkret geht es beim Europäischen Patentamt in München um Brokkoli und Tomaten. Dahinter steckt aber eine weitreichendere Frage: Dürfen Pflanzen und Tiere patentiert werden?

Mein Brokkoli, dein Brokkoli. Ob auch in Zukunft diese Besitzansprüche für Nutzpflanzen und -tiere geltend gemacht werden können, soll das Europäische Patentamt (EPA) entscheiden. Bisher kann ein Unternehmen eine technisch veränderte Pflanze zwanzig Jahre lang konkurrenzlos anbauen. Doch Firmen lassen nun zunehmend auch konventionelle Züchtungsverfahren patentieren, laut Greenpeace liegen dem Patentamt über 1000 Anträge auf solche Lebensmittel vor. Werden diese Patente weiterhin zugelassen, können die großen Agrar- und Lebensmittelkonzerne mit den geschützten Züchtungsverfahren Monopole gründen – und grundlegend die Preise bestimmen, so die Befürchtung der Patentgegner.

Auslöser des Streits ist das israelische Landwirtschaftsministerium, das im Jahr 2000 ein Patent für eine Tomate mit sehr geringem Wassergehalt angemeldet hat. Schließlich solle nicht jeder die für die Ketchupherstellung besonders geeigneten Tomaten züchten dürfen. Die britische Firma Plant Bioscience tat es 2002 dem israelischen Ministerium gleich und beantragte ein Patent für ein Zuchtverfahren für Brokkoli mit angeblich erhöhtem Krebs vorbeugenden Inhaltsstoff.

Hergestellt wurde der Brokkoli durch das Verfahren der Präzisionszüchtung, bei dem genetische Marker genutzt werden. Mit diesen Markern können die Forscher schon den Keimlingen ins Erbgut schauen und die vielversprechendsten Exemplare für die weitere Züchtung auswählen. Weil dabei keine zusätzlichen Gene in das Erbgut der Pflanze geschleust werden, freunden sich auch Kritiker der Gentechnik mit dieser Hightechzüchtung an.

Gegen beide Patente, die neben dem technischen Verfahren auch die so gezüchteten Pflanzen und deren Nachkommen einschließen, wurde Beschwerde eingelegt. Am Dienstag fand dazu die Anhörung statt. Eine Entscheidung will das EPA Ende des Jahres fällen. Dafür ist zunächst relevant, ob das Züchtungsverfahren wie bisher als technisches Verfahren angesehen wird. Handelt es sich aber um ein „im Wesentlichen biologische Verfahren“, dann ist es gemäß des Europäischen Patentübereinkommens nicht patentierbar. Was genau unter diesem Verfahren verstanden wird, sollte in der Anhörung geklärt werden. Entscheidet die Große Beschwerdekammer, dass es sich um ein technisches Verfahren handelt und dass die Veränderung der Pflanzen neu ist, von „erfinderischer Tätigkeit“ zeugt und gewerblich anwendbar ist, dann ist das Patent rechtens. Die EU-Richtlinie zum Schutz biotechnologischer Erfindungen bejaht die Patentfähigkeit von spezifische veränderten Pflanzen und Tieren.

Bisher wurden auf etwa 80 Pflanzen ein Patent angemeldet. Diese sind von der Entscheidung nicht betroffen, ihr Patent bleibt bestehen. Das israelische Ministerium und das britische Brokkoli-Unternehmen müssen jedoch bis zur Entscheidung um ihr Patent bangen. Dabei sieht Plant Bioscience in seinem besonderen Brokkoli bereits einen Verkaufsschlager. Schließlich wurde in der Züchtung der Anteil des Stoffes Glucoraphanin um das Dreifache erhöht. Tiere, die mit diesem Stoff gefüttert, und gleichzeitig krebsverursachenden Substanzen ausgesetzt werden, entwickeln seltener Tumore. „Dafür gibt es auch beim Menschen Hinweise“, sagt Hans-Rudolf Glatt, der am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Rehbrücke die Inhaltsstoffe von Brokkoli erforscht. „Glucoraphanin stellt offenbar den Stoffwechsel um, so dass der Körper bestimmte giftige Substanzen besser abbauen kann.“ Den Super-Brokkoli würde Glatt trotzdem nicht essen. „In bestimmten Situationen ist das zwar positiv, aber es ist unklar, was der Preis dafür ist. Vermutlich gibt es auch Substanzen, die durch die Umstellung schädlicher werden.“ Das sollte man jedenfalls erwarten. Noch ist der Super-Brokkoli aber nicht auf dem Markt. Die Einführung hängt auch von der Entscheidung des EPA ab.

Umweltschutzorganisationen und Bauernvertreter protestierten am Dienstag vor dem EPA in München. „Werden Patente wie Brokkoli und Tomate nicht verboten, brechen alle Dämme“, sagt der Patentberater von Greenpeace, Christoph Then. „Wenige Agrar- und Nahrungsmittelkonzerne können zukünftig die ganze Lebensmittelproduktion kontrollieren mit steigenden Abhängigkeiten und Preisen für Landwirte und Verbraucher.“ Die Organisation fordert daher neue Patentgesetze. Auch Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) kritisiert die gegenwärtige Praxis: „Eine Konzentration auf wenige, profitable Pflanzensorten oder Tierrassen gefährdet die biologische Vielfalt.“ Aigner kündigte bereits an, in Brüssel für Einschränkungen im Patentrecht kämpfen zu wollen.

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