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RECHTS Frage: an Irene Schmid Präsidentin der Rechtsanwaltskammer

Wie mache ich kurzen Prozess?

Ich klage gegen das Bauamt wegen einer Baugenehmigung. Das Verfahren hängt jetzt schon seit über zwei Jahren beim Verwaltungsgericht. Ich habe gelesen, dass ich mich jetzt gegen solche Trödelei beschweren kann. Wie geht das?

Das neue „Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren“ gilt auch für bereits anhängige Verfahren. Da erstinstanzliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht im Bundesdurchschnitt 10,9 Monate dauern und Ihr Verfahren diesen Zeitraum bereits erheblich überschritten hat, könnte ein Fall unangemessener Dauer vorliegen. Für die Unangemessenheit gibt es aber keine feste Regel, sie richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da in Ihrem Fall eine Verzögerung bereits eingetreten sein könnte, müssten Sie gegebenenfalls die Dauer des Verfahrens unverzüglich gegenüber dem Gericht rügen. Kommt es für die Beschleunigung des Verfahrens auf Umstände an, die bisher nicht vorgetragen sind, muss die Verzögerungsrüge hierauf hinweisen. Ohne Verzögerungsrüge kann später keine Entschädigung geltend gemacht werden.

Eine Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Verfahrens kann frühestens sechs Monate nach der Verzögerungsrüge erhoben werden. Spätestens hierfür brauchen Sie anwaltliche Unterstützung, weil die Klage – in verwaltungsrechtlichen Verfahren – vor dem Oberverwaltungsgericht zu erheben ist.

Für immaterielle Nachteile, die sich nicht in einem Vermögensschaden auswirken, gibt es eine Regelentschädigung von 1200 Euro pro Jahr der Verzögerung, und zwar ohne dass ein schuldhaftes Verhalten vorliegen muss. Bei unangemessener Verfahrensdauer wird der immaterielle Schaden vermutet. Das Gericht kann aber – je nach Einzelfall – auch von einer Entschädigung absehen oder diese höher oder niedriger festsetzen.

Daneben kann bei unangemessen langer Verfahrensdauer für materielle Schäden umfassender Schadensersatz einschließlich des entgangenen Gewinns verlangt werden. Hierbei sind aber die erlittenen Nachteile und die Ursächlichkeit der Verzögerung für den Schaden vom Geschädigten nachzuweisen.

Übrigens kann auch für bereits abgeschlossene Gerichtsverfahren von unangemessener Dauer noch Entschädigung verlangt werden, wenn die Klage auf Entschädigung spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, also spätestens am 3. Juni 2012, erhoben wird.

Der Bundestag hat die Regierung aufgefordert, nach Ablauf von zwei Jahren Bericht zu erstatten, ob die Regelung den Belangen der Betroffenen angemessen Rechnung trägt. Auch die Rechtsanwaltskammer Berlin hatte Bedenken, ob mit diesem Gesetz überlange Verfahren vermieden werden, vor allem weil trotz personeller Engpässe der Gerichte die Richter zusätzlich die Entschädigungsklagen bearbeiten müssen. Wir werden uns weiter für eine ausreichende Personalausstattung der Gerichte einsetzen. Foto: M. Wolff

an Irene Schmid

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