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Rechtsfrage: Kann ich dem Anwalt vertrauen?

Wie sicher sind Unterlagen, die beim Anwalt deponiert sind, vor dem Zugriff Dritter? Irene Schmid, Präsidentin der Rechtsanwaltskammer, antwortet.

Kürzlich hat die Staatsanwaltschaft in der Kanzlei eines Verteidigers Unterlagen beschlagnahmt. Haben sich die diesbezüglichen Vorschriften gelockert? Kann die Staatsanwaltschaft jetzt bei meinem Anwalt Verteidigungsunterlagen beschlagnahmen?

Nein, das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant bleibt auch weiterhin geschützt. Sie können sich nach wie vor rückhaltlos Ihrem Verteidiger oder Ihrer Rechtsanwältin anvertrauen, ohne dass der Staat oder sonstige Dritte davon Kenntnis erlangen.

Jeder Anwalt unterliegt der Schweigepflicht über alle Informationen aus dem Mandatsverhältnis. Ein Verstoß dagegen wird von der Rechtsanwaltskammer als grober Berufsrechtsverstoß und von der Staatsanwaltschaft sogar als Straftat verfolgt. Rechtsanwälte und Verteidiger dürfen oder müssen auch nicht als Zeugen vor Gericht über das aussagen, was ihnen als Berufsgeheimnis anvertraut wurde. Insoweit besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot. Deshalb dürfen auch schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger nicht beschlagnahmt werden. Das gleiche gilt für Aufzeichnungen und Notizen, die sich der Anwalt über ihm Anvertrautes gemacht hat. Denn es würde sich niemand mehr seinem Verteidiger rückhaltlos anvertrauen, wenn er damit rechnen müsste, dass die Strafverfolgungsbehörden später diese Informationen beschlagnahmen. Der gleiche Beschlagnahmeschutz gilt für andere Gegenstände einschließlich ärztlicher Untersuchungsbefunde, also etwa für Röntgenaufnahmen, Blutbilder, Alkoholbefunde oder Sachverständigen-Gutachten sowie für Buchungs- und Geschäftsunterlagen und für alle Tonträger, Fotos oder Filme, die solche geschützten Informationen transportieren.

Ausnahmen gibt es nur, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass der Berufsgeheimnisträger selbst an der Tat oder einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist. Eine weitere Ausnahme betrifft Gegenstände, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren. Ein Schriftwechsel über einen beabsichtigten Betrug, die zur Begehung einer Wirtschafts- oder Steuerstraftat benutzten echten oder verfälschten Buchungsunterlagen, unterdrückte Urkunden oder „Bekennerschreiben“ nach einem Terroranschlag können beschlagnahmt werden.

Bei diesen sogenannten Deliktsgegenständen oder Tatwerkzeugen kann es im Einzelfall natürlich Abgrenzungsprobleme geben. Deshalb bietet die Rechtsanwaltskammer an, bei jeder Beschlagnahmeaktion in einem Anwaltsbüro durch ein Vorstandsmitglied vor Ort die Recht- und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu überprüfen. Denn jede Beschlagnahme in einem Anwaltsbüro tangiert das von der Verfassung geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Rechtsanwalt.

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