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Niels Stolberg

© Doris Spiekermann-Klaas

Reeder Niels Stolberg: "Innerlich koche ich"

Der Bremer Reeder Niels Stolberg über Unternehmerverantwortung und den Versuch, Containerschiffe mit Segeln auszustatten.

Herr Stolberg, haben Sie keine Angst, dass die Steuerfahndung an Ihrer Tür klingelt?

Definitiv nicht, denn es gibt nichts zu beanstanden. Jeder muss seine Steuern zahlen, gerade Unternehmer.

Und wenn ein fleißiger Steuerberater für Sie irgendwo Millionen angelegt hat, wo es besser nicht hätte sein sollen?

Man sollte schon den Überblick darüber behalten, was man in diesem Bereich macht. Überlässt man das blindlings anderen Leuten, kann es gefährlich werden.

Sie machen Ihre Steuererklärung alleine?

Nein, aber wenn Geld angelegt oder investiert wird, bin ich schon im Thema. Da Beluga erst zwölf Jahre alt ist, muss ich mich nicht seit 30 Jahren mit Geld auseinandersetzen, das ich irgendwo anlegen kann. Außerdem wird eher in neue Schiffe investiert als Geld angelegt.

Und wie investieren Sie den Rest?

Gut die Hälfte der Erträge werden in Schiffsneubauten investiert. Darüber hinaus fördern wir mit knapp vier Millionen Euro im Jahr den Nachwuchs. Wir sind Deutschlands größte Ausbildungsreederei und bilden auf sechs Ausbildungsschiffen im Jahr 160 angehende Kapitäne aus, finanzieren vier Stiftungsprofessuren und errichten das Maritime Kompetenzzentrum in Elsfleth mit. Aber auch die soziale Verantwortung eines Unternehmens spielt für uns eine Rolle.

Was ist für Sie soziale Verantwortung?

Es geht unter anderem darum, dass sich die Kollegen mit Beluga identifizieren und gern hier arbeiten. Die Verantwortung dafür trage ich selbstverständlich. Außerdem partizipieren sie am Erfolg des Unternehmens. Am Jahresende schütte ich einen Teil des Gewinns aus. 2007 waren das fünf Prozent oder 1,5 Millionen Euro. Zudem haben wir im Dezember ein Mitarbeiterschiff in Fahrt gesetzt, die Beluga Family.

Tun Sie auch etwas außerhalb Ihres Unternehmens?

Nach der Tsunami-Katastrophe haben wir die Beluga School for Life gegründet und in Thailand ein Dorf aufgebaut. Wir wollen den Kinder beibringen und ermöglichen, aus dem Teufelskreis der Armut auszubrechen. Bestenfalls werden aus ihnen später selbst kleine Entrepreneure. Es gibt aber auch Projekte in Bremen, die uns am Herzen liegen. Für krebskranke Kinder und ihre Familien etwa oder für Jugendliche, die Schule oder Ausbildung abgebrochen haben und vom Staat nicht mehr erreicht werden.

Warum tun Sie das alles?

Es ist unsere Pflicht als Unternehmer, soziale Verantwortung zu übernehmen – nicht nur, um die Reputation der Firma zu verbessern oder als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Anders als andere Reedereien haben wir gerade im nautischen Bereich keine Nachwuchsprobleme. Bei unserem Flottenwachstum ist dies aber auch notwendig und nicht nur ein Wettbewerbsvorteil.

Der Ruf des Unternehmers ist durch die Diskussion um Managergehälter und den Steuerfluchtskandal ziemlich angekratzt. Kommt das auch bei Ihnen an?

Diese Diskussion wird von allen wahrgenommen. Dass man auch noch den letzten Cent herausholen muss, verstehe ich nicht. Es ist schade, dass die, die sich den Rücken krumm machen, sehen, dass Spitzenverdiener Millionen abzweigen. Unternehmer sollten Vorbilder sein.

Das klingt jetzt sehr gelassen.

Innerlich koche ich natürlich. Es ist schlimm, wenn man sich nie zufriedengeben kann. Durch so ein Verhalten einiger Spitzenverdiener werden die Regeln unseres Landes ad absurdum geführt.

Macht es einen Unterschied, ob der Firmeninhaber die Geschäfte lenkt oder ein angestellter Manager?

Das könnte man meinen. Aber ich habe viele Manager kennengelernt, die soziales Unternehmertum leben. Doch muss man auch fragen, wer in die erste Reihe kommt. Gerade in großen Firmen haben es Querdenker schwer. Dabei könnten genau sie die besseren Unternehmer sein.

Haben wir zu wenig Querdenker?

Wir haben zu wenige – und wir müssen sie auch ganz oben wollen.

Sind andere Länder da weiter?

Ja, vor allem Skandinavien insgesamt ist da vorbildlich. Uns fehlt leider oft der Mut. Nehmen Sie das Beispiel Sky Sails ...

… die Segel für die großen Schiffe, die Sprit sparen sollen.

Vor acht Jahren wurde der Inhaber Stefan Wrage für seine Idee noch belächelt. Als ich vor vier Jahren davon hörte, war ich erst auch skeptisch.

Heute ist Beluga die erste Reederei, die diese Zugdrachen einsetzt. Wie viel Sprit können Sie damit einsparen?

Mit dem kleinen 160-Quadratmeter-Segel, das wir seit dem vergangenen Jahr auf der „Beluga Sky Sails“ einsetzen, werden wir wahrscheinlich zehn bis 15 Prozent sparen. Wenn das 320 Quadratmeter große Segel kommt, könnten es bis zu 25 Prozent sein. Wenn die Route stimmt.

Wie sind die ersten Erfahrungen?

Noch wird trainiert und alles genau eingestellt, aber ich bin mir sicher, dass wir die nächsten größeren Schiffe auch mit diesem System ausrüsten. Fest eingeplant sind schon zwei 20 000-Tonner, die Anfang 2009 mit einem 600-Quadratmeter- Segel ausgerüstet werden.

Was bringt das?

Wenn wir dann rund ein Viertel Treibstoff einsparen, entspräche das bei diesen größeren Schiffen 6000 Dollar am Tag. Vor drei Jahren hatten wir Brennstoffpreise von 150 Dollar, mittlerweile liegen wir bei 500 Dollar – und das wird noch gewaltig anziehen. Außerdem: Die Schifffahrt verballert jährlich 800 Millionen Tonnen CO2, in den nächsten drei, vier Jahren wird das schon eine Milliarde sein. Unser System wäre ein Beitrag, um die Umwelt zu entlasten.

Sie bilden aus, investieren in benachteiligte Jugendliche, kümmern sich um die Umwelt – manchen Ihrer Kollegen scheint es mehr um den eigenen Vorteil zu gehen.

Ich glaube, dass sich viele Unternehmer oft nicht in der Lage sehen, sich auch noch um soziale Angelegenheiten zu kümmern. Für mich gehört aber all dies auch zum Unternehmertum.

Wo sind eigentlich die Verbände in dieser Diskussion?

Den Verbänden fehlt hin und wieder der Mut, außergewöhnliche Weg zu gehen. Daher müssen Einzelne mit gutem Beispiel vorangehen – und das auch öffentlich machen. Bei sozialem Unternehmertum geht es um mehr als Gewinnmaximierung, es geht um Verantwortung.

Wären Sie gerne Politiker?

Nein, ich bin Unternehmer. Aber einer mit Herz, der versucht, andere Wege zu gehen. Ich will Projekte anstoßen und glaube, dass ich damit Erfolg habe.

Sie müssten ja Ihr Unternehmen nicht aufgeben – in den USA gibt es den Wechsel zwischen Wirtschaft und Politik.

Ich kann mir nicht vorstellen, aus der freien Wirtschaft in die Politik zu wechseln. Aber ein Rotationssystem würde uns vielleicht gut tun. Mal für zwei Jahre aus der Wirtschaft in die Politik, um diese etwas aufzufrischen – das wäre denkbar.

Das Gespräch führten Juliane Schäuble und Ingrid Müller.

DER UNTERNEHMER

Niels Stolberg (47) ist Inhaber des großen Kapitänspatents und Wirtschaftsingenieur für Seeverkehr. 1995 gründete der Sohn eines Kapitäns und einer Buchhändlerin sein Unternehmen. Als Geschäftsführender Gesellschafter hält Stolberg heute 100 Prozent an der Beluga Shipping und ihren Tochterfirmen.

DIE REEDEREI

Beluga Shipping hat 54 Schwergutfrachter im Einsatz mit Transportkapazitäten von 10 000 bis 17 000 Tonnen. Bis 2011 sollen 24 weitere Schiffe dazukommen. Die Bremer Reederei beschäftigt 1660 Menschen und erwirtschaftete 2006 175 Millionen Euro Umsatz und einen Gewinn von 18 Millionen Euro. jul

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