zum Hauptinhalt
Bei der Reform der Erbschaftsteuer konnten sich Sozial- und Christdemokraten bislang nicht einigen.

© dpa

Reform der Erbschaftsteuer: Ein verlorenes Jahr

Union und SPD haben sich bei der Reform der Erbschaftsteuer für Unternehmen verhakt. Nun drängt die Zeit. Wie könnte die Lösung aussehen?

Vor einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht entschieden: Die Begünstigungen für Erben großer Betriebsvermögen sind verfassungswidrig. Zwar dürften kleine und mittlere Unternehmen komplett von der Steuer verschont werden, um das Unternehmen und die Arbeitsplätze zu sichern. Bei Großunternehmen aber sei das unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber solle eine neue Regelung bis Juni 2016 erlassen. Eine recht kurze Frist also, weshalb Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits im Februar seinen Reformplan vorstellte. Der ging zum Entsetzen der Unternehmerverbände und der Mittelständler in der Union sehr weit, die CSU-Führung schloss sich der Gegenfront an. Auch die Länder, denen die Steuer zwar zufließt, die sich aber nicht imstande sahen, einen eigenen Entwurf vorzulegen, trugen Bedenken vor. Schäuble musste nachgeben. Sein modifizierter Entwurf kam in den Bundestag, doch bis jetzt ist den Koalitionsfraktionen keine Verständigung gelungen. 2015 war für die Erbschaftsteuerreform alles in allem ein verlorenes Jahr. Und jetzt drängt die Zeit.

Die Union fordert eine Reform ohne Mehreinnahmen

Die Union will eine unternehmerfreundliche Reform ohne höhere Einnahmen, die SPD steht näher an Schäubles Entwurf und hätte gegen mehr Steuereinnahmen nichts einzuwenden. Mittlerweile sind die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus (CDU) und Carsten Schneider (SPD) mit der Sache befasst. Der Kabinettsentwurf vom Sommer war nach all den Interventionen noch komplexer geworden als Schäubles Erstfassung - neben der Neudefinition des begünstigten Vermögens und der von Karlsruhe nahegelegten Bedarfsprüfung für die Verschonung wurden zusätzlich noch Abschmelz- und Abschlagsregeln je nach Höhe der Erbschaft oder Schenkung eingeführt. Der Ruf nach einem einfacheren Erbschaftsteuermodell wurde deshalb lauter: geringere Steuersätze (sie reichen derzeit bis zu 50 Prozent), weniger Ausnahmen, breitere Besteuerungsgrundlage. Sowohl Sozialdemokraten als auch Christdemokraten schlugen solche Modelle vor. Dazu kamen von der SPD Änderungsvorschläge zum Regierungsentwurf. Sie alle hat nun das Bundesfinanzministerium durchrechnen lassen - mit einem Ergebnis, das letztlich Schäubles Modell bestätigt.

Die Vorschläge mit geringen Steuersätzen kämen Kleinunternehmer teuer

Denn die Vorschläge mit geringeren Steuersätzen (in den SPD-Modellen 12,5 Prozent für alle oder abgestuft fünf, zehn und 15 Prozent; im CDU-Modell nur zehn Prozent) haben, jedenfalls nach den Rechenvorgaben des Bundesfinanzministeriums, einen Haken: Sie kämen die bisher verschonten Klein- und Mittelunternehmer, also viele Handwerker- und Landwirte, teurer, während sie Erben größerer Unternehmen stark entlasten würden. Und das Niedrigsteuermodell des CDU-Abgeordneten Christian von Stetten hätte Mindereinnahmen zur Folge, was die Ländermehrheit nicht mitmacht. Die SPD-Varianten würden die Steuereinnahmen nahezu verdoppeln – das ist für die Union nicht hinnehmbar.

Auch der Regierungsentwurf führte längerfristig zu höheren Einnahmen

Allerdings haben die Berechnungen ergeben, dass auch der Regierungsentwurf längerfristig zu höheren Einnahmen führen würde (kurzfristig wären sie geringer, weil viele Unternehmer die Firma in Erwartung des Karlsruher Urteils in den vergangenen Jahren bereits übergaben, weshalb in den nächsten Jahren deutlich weniger Schenkungen erwartet werden). Das längerfristige Steuerplus von etwa 1,5 Milliarden Euro – knapp 5,8 Milliarden Euro gegenüber 4,2 Milliarden nach geltendem Recht – hat die Unternehmensverbände und die CSU wieder in Erregung versetzt. Aus München ließ Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) verlauten, man werde keine Lösung mittragen, die zu einer Mehrbelastung der Betriebe führe. Die Grünen-Steuerpolitikerin Lisa Paus zweifelt allerdings Schäubles Zahlen an: "Das langfristig prognostizierte Mehraufkommen ist völlig intransparent berechnet. Offenbar will der Finanzminister mit der Veröffentlichung der neuen Zahlen der Union helfen, weitere Aufweichungen durchzusetzen."

Die Koalition steckt in einer Zwickmühle

So ist die Koalition weiter in der Zwickmühle. Doch die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass am Ende eine modifizierte Variante des Regierungsvorschlags ins Gesetzblatt kommt. Sie könnte zu einer höheren Belastung von Erbschaften und Schenkungen bei größeren Unternehmen führen als nach dem bisherigen Plan, aber die Verschonung kleiner und mittlerer Unternehmen beibehalten. Bei etwas höheren Einnahmen für den Staat. Aber da auch das Bundesfinanzministerium in der Erbschaftsteuer eine „Bereicherungssteuer“ sieht, und die Reichen bekanntlich nicht zu den Verlierern der vergangenen Jahre zählten, könnte jedenfalls die CDU das mittragen. Als Verteidiger der Multimillionäre bliebe Horst Seehofer, dessen Karriere einst auf dem Sozialflügel der Union begann.

Die Verbände hoffen auf Korrekturen

In den Verbänden besteht indes Hoffnung auf Veränderungen. „Das von Schäuble errechnete höhere Volumen gibt Luft für Korrekturen“, sagt Peer-Robin Paulus vom Familienunternehmerverband ASU. So ist der Wirtschaft die Dauer, die ererbtes Kapital im Betrieb gebunden sein muss, um von der Steuer verschont zu werden, mit 40 Jahren zu lang. Zudem liegen auch die Pensionsrückstellungen auf dem Tisch. Hier hat die SPD gerade Erleichterungen für Firmen im Zusammenhang mit der Niedrigzinsphase gestoppt (je niedriger der Zins, umso mehr Geld muss zurückgestellt werden). Doch könnten Rückstellungen künftig als betriebsnotwendiges Vermögen steuermindernd berücksichtigt werden.

Die Grüne Paus glaubt nicht, dass die Koalition eine Reform schafft, die lange bestehen wird. "Auch die neuen Zahlen ändern nichts daran, dass der bisher vorliegende Gesetzentwurf erneut vor dem Verfassungsgericht scheitern wird", lautet ihre Einschätzung. "Die vorgesehenen Befreiungen für große Betriebsvermögen sind so weitgehend, dass sie nicht mit dem Urteil des Verfassungsgerichts zusammengehen."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false