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REFORM DER ERBSCHAFTSTEUER Krach in der Koalition: Der Staat greift zu

Die CSU leistet Widerstand, die Wirtschaft protestiert. Sie fordern, dass die Regierung Erben von Firmen besser behandelt als geplant. Der Streit könnte die gesamte Reform gefährden

Von Antje Sirleschtov

Noch deutlicher kann man Unzufriedenheit kaum artikulieren: Als das Bundeskabinett am vergangenen Dienstag den Gesetzentwurf für das neue Schenkungs- und Erbschaftsteuerrecht verabschiedete, gaben gleich zwei Minister ihren Protest zu Protokoll. Sie erwarten „wesentliche“ Nachbesserungen im Gesetzesverfahren, sagten Wirtschaftsminister Michael Glos und Agrarminister Horst Seehofer (beide CSU).

Glos und Seehofer sind mit ihrem Protest nicht allein. Selten zuvor haben zwei Regierungspartner so lange um die Einzelheiten eines Gesetzes gerungen und am Ende doch den breiten Protest von Betroffenen und eigenen Abgeordneten hervorgerufen.

Der Widerstand richtet sich vor allem gegen die geplanten Regeln bei der Unternehmensnachfolge. Nach dem Entwurf sollen Firmenerben nur dann weitgehend steuerfrei bleiben, wenn sie das Unternehmen 15 Jahre lang weiterführen und die Lohnsumme zehn Jahre lang bei mindestens 70 Prozent halten. Die CSU- Minister halten diese Fristen für zu lang.

Damit sind sie auf einer Linie mit der Wirtschaft. Sowohl der Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg Braun, als auch der Präsident des Verbandes der Familienunternehmer, Patrick Adenauer, fordern deutliche Nachbesserungen. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer bezeichnet den Entwurf als „einen gewissen Rohling“. Das neue Erbschaftsteuergesetz, das auch für Schenkungen gilt, wird den Bundestag und den Bundesrat sicherlich nicht so verlassen, wie es Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) konzipiert hat.

Der steuerpolitische Gau: Sollten der Druck der Lobbyisten und der Unmut der Parlamentarier dazu führen, dass die Steuerreform scheitert, dürfte die Erbschaftsteuer ab Januar 2009 gar nicht mehr erhoben werden. Das liegt am Bundesverfassungsgericht. Die Richter hatten dem Gesetzgeber aufgegeben, das Steuerrecht so zu reformieren, dass es mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Schafft die Regierung das nicht bis zum 31. Dezember 2008, fällt die Steuer ganz weg – die Länder, denen die Erbschaftsteuer komplett zufließt, müssten dann auf jährliche Einnahmen von rund 4,2 Milliarden Euro verzichten.

Die Richter hatten im November 2006 die derzeitige Regelung für verfassungswidrig erklärt. Der Grund: Nach dem aktuellen Bewertungsrecht wird Kapitalvermögen (Geld, Aktien) bei der Erbschaft- und Schenkungssteuer mit dem Barwert angesetzt, für Immobilien gilt dagegen der sogenannte Einheitswert. Da dieser nur rund 60 Prozent des wirklichen Verkehrswertes beträgt, hielten die Richter diese Ungleichbehandlung für eine rechtswidrige Subventionierung der Erben. Gleiches kritisierten sie auch bei der Bewertung von Unternehmen.

Peer Steinbrück und der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bekamen daraufhin von der Koalition den Auftrag, vor dem Hintergrund dieses Urteils und dem Anspruch der Koalition, Unternehmenserben in Zukunft von der Steuerzahlung weitestgehend zu befreien, eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu erarbeiten. Herausgekommen ist ein Gesetzentwurf, der Immobilien deutlich höher bewertet, im Gegenzug jedoch die Freibeträge der Erben oder Beschenkten deutlich erhöht. Allerdings gilt das nur für nahe Anverwandte, wie Ehegatten, Kinder und Enkel. Ferne Verwandte und Familienfremde zahlen dagegen in Zukunft mehr Steuern. Dieser „private“ Bereich des Gesetzentwurfs ist politisch kaum umstritten.

Heftig gerungen wird jedoch um das Vererben von Unternehmen. In einem „basarähnlichen“ Verhandlungsprozess, erinnern sich Teilnehmer heute, haben SPD und Union festgelegt, dass in Zukunft nur 85 Prozent des Unternehmenswertes zur „Steuerfreistellung“ zugelassen werden. Und dass diese Freistellung nur dann gewährt wird, wenn die Nachfolger die engen zuvor genannten Voraussetzungen beachten. „Ein Kompromiss, der nur von beiden Seiten verändert werden kann“, sagt der SPD-Finanzexperte Florian Pronold. Will heißen: Wenn die Union darauf bestehen sollte, die Bedingungen für die Steuerfreistellung zu erleichtern, wird die SPD darauf dringen, den Anteil des Wertes, der steuerbegünstigt wird, pauschal zu senken.

Das Gesetzeswerk soll wahrscheinlich zur Jahresmitte in Kraft treten. Wer befürchten muss, in Zukunft mehr Steuern zu bezahlen, wird bis zum Inkrafttreten ein Wahlrecht zwischen altem und neuem Recht bekommen. Um die eigenen Vorteile abschätzen zu können, muss allerdings das Finanzministerium noch eine Richtlinie zur Bewertung des Vermögens (insbesondere des Unternehmenswertes) vorlegen. Und weil das noch Monate dauern kann, könnte es sein, dass die Familien ihre Entscheidungen 2008 binnen Monatsfrist zu treffen haben.

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