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Wolfgang Schäuble.

© Reuters

Reform der Erbschaftsteuer: Riskiert Wolfgang Schäuble eine weitere Niederlage in Karlsruhe?

Das Bundesverfassungsgericht verlangt eine Reform der Erbschaftsteuer bei Unternehmensübergaben. Der Finanzminister hat Vorschläge gemacht. Juristen haben Zweifel, ob sie in Karlsruhe Bestand haben.

„Nichts wäre schlimmer, wenn wir in drei Jahren wieder vorm Bundesverfassungsgericht stehen“, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dieser Tage gesagt. Gemeint war die Erbschaftsteuer. Bei der hatten die Karlsruher Richter im Dezember einige Veränderungen gefordert, und zwar hinsichtlich der Besteuerung von Unternehmenserben. Die Ausnahmen dürften nicht die Regel sein, so der Tenor des Gerichts, gerade bei größeren Unternehmen dürfe es nicht reichen, dass der Betrieb weitergeführt und dabei die Zahl der Arbeitnehmer ungefähr erhalten werde, um von der Steuer verschont zu werden. Es müsse eine Prüfung geben, ob die Steuer tatsächlich nicht gezahlt werden kann. Was bedeutet: Nach Unternehmensübertragungen muss das Vermögen von Erben und Beschenkten offengelegt werden.

Es war schon die dritte Rüge aus Karlsruhe zur Erbschaftsteuer innerhalb von wenigen Jahren – nach den Urteilen von 1995 und 2005. Daher gab Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Devise aus, man wolle mit der Novellierung nicht ein viertes Mal vor Gericht scheitern. Seine Eckpunkte vom Februar hatten daher vor allem mein Ziel: einen möglichst verfassungsfesten Entwurf zu liefern, der sich eng an die Vorgaben des Urteils vom Dezember hält. Zudem sollten die Eingriffe, da war sich die schwarz-rote Koalition zumindest nach außen hin einig, „minimalinvasiv“ sein.

 Die Kritik wächst

Doch seither wächst die Kritik an diesen Entscheidungen. Zum einen meinen einige Akteure mittlerweile, dass der minimalinvasive Ansatz eher hinderlich ist, weil er eine gründlichere Reform behindert. Zum anderen gewinnt auch die politische Debatte an Fahrt. In der SPD würde der linke Flügel gern Erbschaften und Schenkungen stärker belasten, ihm geht Schäuble nicht weit genug; in der Union wiederum ist der Bundesfinanzminister einigen viel zu weit gegangen. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) etwa vermisst steuerpolitische Akzente im eigenen Lager. Es gehe hier um das Profil von CDU und CSU. Und da könne es nicht sein, „dass der einzige steuerpolitische Vorschlag der Union eine Verschärfung der Erbschaftsteuer ist“. Ein klarer Seitenhieb auf Schäuble. Am Mittwoch kommender Woche treffen sich die beiden – dann wollen die Finanzminister von Bund und Ländern auslosten, ob die widerstrebenden Vorschläge zusammengeführt werden können.

 Zwei Gutachten warnen Schäuble

Die Interessenvertreter der Wirtschaft, welche die individuelle Bedürfnisprüfung (also letztlich einen Offenbarungseid) vermeiden wollen, munitionieren sich derweil mit juristischen Gutachten. Der Augsburger Rechtsprofessor Gregor Kirchhof kommt in einer Stellungnahme für den Verband der Familienunternehmen zum Schluss, dass Schäuble ein hohes verfassungsrechtliches Risiko eingehe, wenn er nur auf das Urteil von 2014 achte und nicht auch jene von 1995 und 2005 einbeziehe. Demnach sind Familienunternehmen in der Regel „gemeinwohlgebunden“, denn sie seien ihren Arbeitnehmern gegenüber besonders verpflichtet durch vielfältige Regelungen im Arbeits-, Sozial oder Betriebsverfassungsgesetz. Auch handele es sich bei Familienunternehmen um langfristig gebundene Investitionen. Damit unterscheiden sie sich laut Kirchhof von reinen Kapitalanlagen; ihre Erben dürfen, so die Logik, dann auch anders behandelt werden als Erben von reinen Geld- oder Anlagevermögen. Bei Unternehmenserben liege eine „verminderte steuerliche Leistungsfähigkeit“ vor, die der Gesetzgeber berücksichtigen müsse, wenn er sich am Gebot orientieren will, dass Besteuerung nach Leistungsfähigkeit erfolgen soll. Eine Bedürfnisprüfung dürfe daher nicht „nach Kassenlage“ erfolgen, wie im Schäuble-Modell, sondern es genüge die Prüfung, ob bestimmte Kriterien für eine verminderte Leistungsfähigkeit erfüllt seien. Dazu gehören laut Kirchhof etwa in Verträgen oder Testamenten verfügte Entnahme- und Verfügungsbeschränkungen oder Thesaurierungsvorgaben. Wer also das Kapital weitgehend im Unternehmen hält, soll von der Steuer verschont werden. In diese Richtung geht auch ein Kurzgutachten des ehemaligen Verfassungsgerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier für den CDU-Wirtschaftsrat. Papier hält eine Bedürfnisprüfung „im Einzelfall“ nicht für geboten, wenn der Gesetzgeber mit der Verschonung von der Erbschaftsteuer das Ziel verfolge, eine bestimmte Unternehmensform inklusive der Arbeitsplätze zu schützen  - also den familiengeführten „Eigentümerbetrieb“ im Gegensatz zum renditeorientierten Großunternehmen, das von Managern gelenkt wird. Papier gesteht Schäuble zu, es so machen zu können wie in den Eckpunkten. Doch zwingend geboten sei der Ansatz des Bundesfinanzministers nicht.

Ob und wie weit sich die Finanzminister auf diese Juristenargumente einlassen, ist ungewiss. Einzig die CSU hat sich eindeutig für die Orientierung der Bedürfnisprüfung an solchen qualitativen Kriterien ausgesprochen. Allerdings gibt es Überlegungen, zumindest bei der Stundung von Erbschaftsteuerschulden darauf abzustellen, ob es vertragliche Regelungen gibt, die einen Erben daran hindern, seinen Anteil am Unternehmen in kurzer Zeit zu verkaufen. 

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