zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Reform des Finanzmarktes: Lehrreiche Hirngespinste der US-Börsenaufsicht

Die Firma McWhortle Enterprises ist die Nummer eins auf dem Gebiet der Erkennung von biologisch gefährlichen Stoffen. Ihre kompakten Analysegeräte beherrschen den Weltmarkt.

Die Firma McWhortle Enterprises ist die Nummer eins auf dem Gebiet der Erkennung von biologisch gefährlichen Stoffen. Ihre kompakten Analysegeräte beherrschen den Weltmarkt. Beim ersten Börsengang an die Nasdaq waren die Aktien zu 200 Prozent überzeichnet. Jetzt bietet McWhortle in einer zweiten Runde weitere Papiere an. Der Kleinanleger soll nicht zu kurz kommen. Wer mitverdienen will, müsse Zeichnungsaufträge zusammen mit seiner Kreditkarten- und Versicherungsnummer per E-Mail an McWhortle schicken, informiert die Webseite ( www.mcwhortle.com ) der Firma. Innerhalb von drei Tagen meldeten sich 150 000 Besucher.

Doch die Sache hat einen Haken: McWhortle ist ein Hirngespinst der US-Börsenaufsichtsbehörde Securities & Exchange Commission (SEC). Wenn es um den Schutz der Anleger geht, glaubt die Behörde, heiligt der Zweck die Mittel. Mit dem "Schwindel" soll vor allzu leichtfertigen Investments gewarnt werden. Denn beim genauen Hinschauen fallen Ungereimtheiten auf. Übertriebene Renditeaussichten, fehlende Geschäftszahlen und die Mitteilung, dass eine Pressekonferenz mit dem Firmen-Chef Tom McWhortle und SEC-Chef Harvey Pitt in einem Saal der SEC stattfindet, hätte die Ableger eigentlich stutzig machen sollen.

Nichts dergleichen. "Risikokapital-Firmen, die investieren wollten, riefen uns an, mehrere Makler erkundigten sich nach McWhortles Aktienkürzel", berichtet SEC-Sprecher John Nester. "Ein Anrufer sagte, er besitze nur Euros und wollte wissen, wie viel Dollar er braucht." Bei McWhortle kamen die Anleger noch mit einem blauen Auge davon. Niemand hat Schaden genommen. Es blieb bei einer Belehrung.

Im Zeitalter des Internets und im Zuge des Enron-Skandals wollen Pitt und seine Leute dafür sorgen, dass sich die Anleger informieren, bevor sie ihr Geld anlegen. Nester: "Was Warnungen angeht, haben wir mit unseren Falschmeldungen mehr erreicht als mit jeder anderen Initiative zum Schutz der Anleger". Im Februar kündigte die SEC Regeln an, um die Geschäftsbilanzen transparenter zu machen. So wird von den Unternehmen unter anderem verlangt, Insider-Aktiengeschäfte größeren Umfangs der Öffentlichkeit mitzuteilen. Im Herbst 2000 hatte die SEC mit der Veröffentlichung ihrer Fair-Disclosure-Regel (FD) einen weiteren Schritt in diese Richtung unternommen. Kursrelevante Informationen, die ein Unternehmen an Analysten oder andere Personen weitergibt, müssen zeitgleich dem gesamten Börsenpublikum zugänglich gemacht werden.

Die 1929 nach dem Börsencrash gegründete SEC strengt jährlich zwischen 400 und 500 Zivilklagen gegen Personen und Unternehmen an, die gegen die Wertpapiergesetze verstoßen. Dabei handelt es sich um den Missbrauch von Insider-Informationen, Bilanzbetrug und die Verbreitung irreführender Information über Aktien und Unternehmen. Die SEC steht zwar an der Spitze des Überwachungsapparates, sie kooperiert jedoch eng mit staatlichen und privaten Einrichtungen, darunter der New Yorker Börse (NYSE) und dem Bundesverband der Wertpapierhändler (NASD), der das Nasdaq-System trägt und zugleich die Aufsicht über die Freiverkehrsmärkte hat.

Maklerfirmen sind bei der SEC registriert, die Broker selbst bei der NASD. NYSE und NASD üben zwar Eigenkontrollen aus, doch die SEC muss deren Regeln und Strafmaßnahmen genehmigen. Nach Enron und dem von Analysten angefachten Börsenfieber in den Jahren 2000 und 2001 stehen heute viele Anleger, die ihr Geld an der Börse verspielt haben, vor dem Ruin. Doch der Makler, der die Aktien verkauft hat, kann nach US-Recht nicht verklagt werden. "Investoren sind gut beraten, wenn sie das Kleingedruckte lesen", sagt Nester. In seinem Vertrag mit dem Broker verpflichtet sich der Anleger nämlich, Ansprüche vor einen Schlichtungsausschuss der NYSE oder der NASD zu bringen. Nur in Fällen des einwandfreien Betrugs kann dem Makler ein Gerichtsverfahren angehängt werden.

So genannte Sammelklagen richten sich in der Regel nicht gegen Makler, sondern gegen Unternehmen und Analysten, denen die Irreführung von Anlegern vorgeworfen wird. "Der wirksamste Anlegerschutz ist ein gut informierter und vorsichtiger Anleger", schreibt die SEC auf ihrer Internetseite ( www.sec.gov ).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false