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Mangelwirtschaft. Die Kartoffelernte auf Kuba ist in diesem Jahr um 30 Prozent eingebrochen.

© AFP

Reformbemühungen: Kapitalismus light auf Kuba

Der sozialistischen Karibikinsel Kuba geht es wirtschaftlich schlecht – mit zaghaften Reformen versucht die Regierung, sich zu retten.

Von Michael Schmidt

Fidel Castro, kaum von schwerer Krankheit genesen, sucht neue Herausforderungen. Die Welt befinde sich „in ihrer bislang gefährlichsten Phase“, es gebe „noch einige Dinge zu erledigen“, sagte der 84-jährige Máximo Líder Kubas dieser Tage. Sein fünf Jahre jüngerer Bruder Raúl Castro hingegen, dem er 2006 wegen einer „akuten Magen- Darm-Krise“ die Staatsführung überließ, sieht vor allem den karibischen Insel- Marxismus selbst in einer gefährlichen Phase. Deshalb beschreitet Kubas Präsident, wenn auch zögerlich, den Weg wirtschaftlicher Reformen. Ausländer dürfen künftig Grund und Boden erwerben, Investoren sollen mehr Sicherheit und Freiheit genießen, Golfplätze und Hotels zahlungskräftige Touristen anlocken.

Der Staat könne sich nicht um alles kümmern, sagte Wirtschaftsminister Marino Murillo jüngst in außergewöhnlicher Offenheit, ist das doch nicht weniger als das Eingeständnis, dass Staat und Regierung versagt haben. Tatsächlich steckt Kuba in einer der schwersten Krisen seit der Revolution vor mehr als 50 Jahren. Die Versorgungslage ist miserabel und die Produktivität in Industrie und Landwirtschaft auf einem Tiefstand. Die Schulden sind hoch, die Löhne niedrig: Sie liegen bei monatlich umgerechnet 15 Euro. Einzig der Schwarzmarkt boomt.

In der ersten Hälfte dieses Jahres ist die Lebensmittelproduktion nach offiziellen Angaben um 7,5 Prozent gesunken. Besonders hart betroffen sind die Kartoffelernte und die Produktion von Zitrusfrüchten und Bohnen. Die Folge: Rund 80 Prozent der Lebensmittel müssen importiert werden. Kostenpunkt schon 2009: 1,6 Milliarden Euro. Insgesamt weist die Handelsbilanz Kubas ein Defizit von 8,4 Milliarden Euro aus. Exporten im Wert vom 2,9 Milliarden stehen Importe von 11,3 Milliarden Euro gegenüber. Die wichtigsten Sektoren der Inselwirtschaft sind der Tourismus (knapp zwei Milliarden Euro) und der Export von medizinischen Dienstleistungen an befreundete Länder. Hinzu kommen Überweisungen von Auslandskubanern. Sie tragen mit knapp 800 Millionen Euro zur Zahlungsbilanz bei. Tendenz steigend, nachdem die US-Administration eine Reihe diesbezüglicher Beschränkungen aufgehoben hat. Der starke Anstieg der Weltmarktpreise für Lebensmittel, der Absturz der Nickelnotierung (Nickel ist das wichtigste Exportgut Kubas), die globale Finanzkrise und drei Hurrikans im Herbst 2008 haben zu einer äußerst schwierigen finanziellen Situation geführt. Kubas Auslandsschulden werden auf mehr als 15 Milliarden Euro geschätzt. Fast alle in Kuba tätigen Unternehmen klagen über hohe Außenstände.

Die außenwirtschaftliche Verflechtung des Inselstaates fällt nach wie vor gering aus. Die wichtigsten Handelspartner sind Venezuela und China. Vor allem diesen beiden verdankt es Kuba, die Krise nach dem Rückzug des Hauptsponsors Sowjetunion Anfang der 90er Jahre überhaupt überlebt zu haben. Fidels politischer Ziehsohn, der venezolanische Präsident Hugo Chavez, ist eingesprungen. Der Linkspopulist half und hilft mit Öllieferungen weit unter dem Weltmarktpreis, mit Krediten, Investitionen und der Beschäftigung kubanischen Fachpersonals. China gewährte dreistellige Millionenkredite.

Angesichts der prekären Lage setzt Raúl Castro auf mehr Freiräume für unternehmerische Initiative und Investitionen aus dem Ausland. Frühere Versuche einer zaghaften Agrarreform haben bisher kaum gefruchtet. Jetzt soll die Direktvermarktung durch die Produzenten in der Landwirtschaft ausgebaut werden. Der private Anbau von Obst und Gemüse solle ein wichtiger Beitrag für die Ernährungssicherheit sein, heißt es in einem Präsidenten-Dekret. Für Bert Hoffmann vom Giga-Institut für Lateinamerika-Studien in Hamburg ist die Ankündigung „einer der substanzielleren Schritte“ Raúl Castros, „aber keiner, der auch nur im Entferntesten dem Ausmaß der wirtschaftlichen Misere angemessen wäre“. Zwar könne nun brachliegendes Staatsland an Kleinbauern verpachtet werden, und die könnten ihre Produkte auf eigene Rechnung verkaufen. Doch „In- und Output bleiben in Staatshand“ – will sagen: Für Düngemittel und Arbeitsgeräte gibt es nach wie vor keinen Markt, sie werden ausschließlich vom Staat zu festen Preisen vertrieben. Und von den ebenfalls staatlich festgelegten Verkaufspreisen kann nach wie vor keiner leben. Raúl Castro ist vor vier Jahren mit zwei Versprechen angetreten, sagt Hoffmann: Weniger ideologische Reden, mehr auf dem Tisch. „Das erste hat er gehalten, das zweite hat er nicht eingelöst.“ Das gefährde die Legitimität der Regierung. Und das wiederum, sagt Hoffmann, wisse der Präsident. Deshalb der neue Anlauf zu Reformen.

Anfang des kommenden Jahres soll der Bau von 16 Golfplätzen beginnen, auf denen luxuriöse Appartement-Anlagen und Hotels entstehen sollen. Um Investoren außerhalb Kubas zu finden, wurde beschlossen, dass Ausländer den Grund und Boden 99 Jahre nutzen dürfen – nicht wie bisher nur 50. Die Lockerung werde Geldgebern mehr Sicherheit garantieren und so Investitionen erleichtern, zeigt sich der Lateinamerika-Experte Oliver Tarche von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) optimistisch. Deutsche Unternehmen engagieren sich vornehmlich in den Bereichen Tourismus, Medizintechnik und erneuerbare Energien. „2008 war ein kritisches Jahr“, sagt Tarche. „Aber jetzt öffnet sich ein Fenster mit neuen Perspektiven – viele Unternehmen hierzulande sind zuversichtlich, dass sich das Ganze gut entwickelt.“

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