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Gute Aussichten. Steuerzahler sollen in Zukunft weniger für die Verfehlungen der Banken haften.

© dpa

Regeln für Finanzinstitute: Was die Bankenunion in Europa verändert

Die neue Bankenunion steht: Ein gemeinsames Gremium soll strauchelnde Institute bald abwickeln können. Ein Überblick.

Die EU-Finanzminister haben in der Nacht zum Donnerstag „den letzten Pfeiler der Bankenunion aufgestellt“, sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Der litauische Ratsvorsitzende Rimantas Sadzius entschuldigte sich gleich dafür, dass die neue Regeln leider „so kompliziert sind, wie Finanzmärkte es heutzutage sind“.

Sage und schreibe 1600 Milliarden Euro haben die Staaten im Zuge der Finanzkrise in die Rettung europäischer Banken gesteckt, die so marode waren, dass sie besser frühzeitig geschlossen worden wären. Davor sind die Aufseher aber zurückgeschreckt. So passierten etwa Geldhäuser in Spanien oder Zypern national durchgeführte EU-Stresstests – gingen dann aber nur Monate später pleite. Das hat die Haushalte der Länder so überlastet, dass diese selbst Milliardenhilfen aus dem Eurorettungsschirm ESM brauchten. Deswegen entschied der EU-Gipfel Ende Juni 2012, eine zentral gesteuerte Bankenunion aufzubauen.

DIE NEUEN REGELN

Die neue Aufsichtsbehörde für die 130 größten Banken in der Währungsunion, bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main angesiedelt, nimmt im kommenden Herbst die Arbeit auf. Das neue Abwicklungssystem ergänzt sie nun. „In Zukunft“, versprach Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem, „werden wir bei Bankenproblemen keinen Beitrag des Steuerzahlers mehr verlangen.“

Mit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2015 wird ein neues Gremium gegründet, der europäische Abwicklungsausschuss. Er tritt zusammen, wenn von den Aufsehern der EZB das Signal kommt, dass ein Geldinstitut vor der Pleite steht. Auf Basis zuvor eingereichter Abwicklungspläne empfiehlt das Gremium, ob die Bank geschlossen, teils zerschlagen oder rekapitalisiert wird.

DIE ENTSCHEIDER

Dem Ausschuss gehören neben fünf unabhängigen Experten die nationalen Aufseher an – im Falle Deutschlands sind das Vertreter der Aufsichtsbehörde Bafin.

Es gibt zwei Konstellationen, in denen sich das Gremium trifft. Der Normalfall soll eine kleine Runde aus den fünf Experten und den Kontrolleuren jener Staaten sein, die direkt betroffen sind. Ein Beispiel aus dem vergangenen Jahr: Als das belgisch-französische Geldhaus Dexia vor dem Aus stand, kamen Vertreter der beiden Staaten plus Luxemburgs zusammen. Künftig müssten sie im europäischen Rahmen verhandeln. Könnten sie sich nicht einigen, würden die fünf „Europäer“ mit Mehrheit entscheiden.

Sobald mehr als 20 Prozent des Geldes im neuen EU-Abwicklungsfonds angezapft werden soll, müssen Vertreter aller Mitgliedstaaten am Tisch sitzen. Geht es um Finanzspritzen zur Rettung von Banken, liegt die Schwelle bei zehn Prozent.

Drei Instanzen werden nach dem Beschluss der EU-Finanzminister an der Entscheidungsfindung beteiligt. Die Empfehlung des Ausschusses geht an die EU-Kommission, die etwa prüft, ob die Regeln für staatliche Beihilfen eingehalten werden. Sie kann Änderungen verlangen und leitet – unabhängig davon, ob der Ausschuss diese akzeptiert oder nicht – eine Beschlussvorlage an den Ministerrat weiter. Der trifft die formale Entscheidung, die innerhalb von 24 Stunden umgesetzt werden muss. Die Nicht-EuroStaaten haben schriftlich zugesagt, entsprechende Voten nicht zu torpedieren oder zu blockieren.

DIE ABSTIMMUNG

Besteht Unklarheit über die Zukunft eines Geldinstituts, muss diese schnell beseitigt werden, um Unsicherheit und eine negative Kettenreaktion an den internationalen Finanzmärkten zu verhindern. „Für gewöhnlich wird das zwischen dem Börsenschluss am Freitagabend und Sonntagabend geschehen, wenn die Börsen in Ostasien wieder öffnen“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Brüssel.

Ob ein so schnelles Vorgehen mit der gefundenen Lösung möglich ist, bleibt umstritten. Schwedens Finanzminister Anders Borg stellte dies infrage: Das dreistufige Verfahren sei „so kompliziert, dass wir die Märkte damit nicht überzeugen können“. Dijsselbloem widersprach heftig. „Das ist eine Leiter der Eskalation, die wir gar nicht besteigen werden“. In den „meisten Fällen“ würden Vorlagen des Abwicklungsausschusses nur noch formal von EU-Kommission und Ministerrat abgenickt: „Und wenn der Vorsitzende sagt, das muss in 24 Stunden geschehen, dann geschieht es in 24 Stunden.“

DIE HAFTUNG 

Haften sollen in erster Linie Eigentümer und Gläubiger. Eine neue EU-Richtlinie, die parallel zum neuen Abwicklungssystem im Jahr 2016 erstmals angewendet werden soll, schreibt eine Mindestbeteiligung in Höhe von acht Prozent der Bilanzsumme vor. Ausnahmen sind nur bei höherem Anteil und einer „drohenden Systemkrise“ möglich.

Wird mehr Geld benötigt, um ausstehende Verbindlichkeiten und Risiken der zu schließenden Bank abzudecken, kommt der neue EU-Abwicklungsfonds ins Spiel. Er muss von den Instituten im Laufe von zehn Jahren mit insgesamt 55 Milliarden Euro gefüllt werden.

Die Bankabgaben werden von den einzelnen Staaten eingesammelt und kommen in sogenannte „nationale Kammern“ eines Topfs, die erst über die Zeit wirklich miteinander verschmolzen werden. Damit bleibt zu Beginn vor allem die Finanzbranche eines Landes zuständig, wenn dort ein Institut ins Schlingern gerät. Erst 2026 kommt es nun auf Druck der Bundesregierung zu einer vollen Vergemeinschaftung. „Der Bankensektor eines Mitgliedslandes rettet dann die Bank in einem anderen“, so Kommissar Barnier.

DAS ERSPARTE

Spareinlagen jenseits von 100 000 Euro können – wie bisher schon – im Pleitefall verloren gehen. Bis zu 100 000 Euro sind sie jedoch gesetzlich garantiert. Erst am Dienstagabend wurde eine neue EU-Richtlinie dazu vereinbart. Sie wird dafür sorgen, dass Europas Finanzbranche für diese Zwecke ebenfalls über zehn Jahre hinweg weitere 60 Milliarden Euro in nationale Einlagensicherungssysteme einzahlt. Das Europarlament muss noch über die neuen Regeln abstimmen.

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