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Wirtschaft: Regierung verschiebt Abstimmung über den Börsengang der Bahn

Lob aus der Koalition / Gewerkschaft Transnet warnt vor erneuten Verzögerungen / Tarifkonflikt schwelt weiter

Berlin - Die Regierung hat die endgültige Entscheidung über den Börsengang der Bahn am Donnerstag um mindestens einen Monat vertagt. Der Bundestag soll Ende Oktober abstimmen – statt wie bisher geplant Ende September. Das sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am Donnerstag nach einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Es seien noch viele Diskussionen nötig. In einem dem Tagesspiegel vorliegenden „Sachstandsbericht“ der Regierung für den Bahn-Aufsichtsrat heißt es, ein politischer Grundkonsens sei Voraussetzung. Man habe sich bei dem Spitzentreffen prinzipiell darauf geeinigt, dass es keine strikte Trennung von Netz und Betrieb geben soll, sagte nun Tiefensee.

Die Verkehrsgewerkschaft Transnet kritisierte die Verzögerungen scharf. Bei Abgeordneten der Koalition gab es dagegen Zustimmung. Der SPD-Verkehrspolitiker Peter Danckert sagte dem Tagesspiegel: „Dadurch wird sichergestellt, dass das Parlament vernünftig beraten und entscheiden kann.“ Je später die Entscheidung gefällt werde, desto besser.

Kommenden Montag wird das SPD-Präsidium über den Börsengang beraten. Für Dienstag ist ein Treffen des Lenkungsausschusses der Regierung – darin sitzen Staatssekretäre der drei beteiligten Ministerien – mit dem Koalitionsausschuss angesetzt. Bisher seien den Abgeordneten dafür keine Unterlagen zur Verfügung gestellt worden, sagte Danckert. Voraussetzung für eine Entscheidung über die Privatisierung sei auch eine umfassende Klärung des Immobilienstreits zwischen Bund und Bahn.

Auch Winfried Hermann, Verkehrsexperte der Grünen, sieht die Immobilienfrage als zentral an. Bisher hätten die Grünen, die zusammen mit PDS und FDP bis Ende August vom Verkehrsministerium die Beantwortung einer ganzen Reihe von Fragen verlangt haben, noch keine Antwort erhalten. Spätestens übernächste Woche werde man darüber beraten, ob tatsächlich ein Untersuchungsausschuss zu dem Thema verlangt wird. Hermann kritisierte außerdem die Privatisierungsmodelle, die die Regierung noch verfolgt. Die Bahn erhalte in jedem Fall für einen viel zu langen Zeitraum den Zugriff auf das Schienennetz. Die Verkehrspolitik hätte so gut wie nichts mehr zu sagen.

Norbert Hansen, Chef der Verkehrsgewerkschaft Transnet, kritisierte die Verschiebung der Entscheidung. „Die Fakten sind ausgetauscht. Ich weiß nicht, warum nicht abgestimmt werden kann“, sagte Hansen dem Tagesspiegel. Die Gefahr wachse, dass die Regierung die Entscheidung über die Privatisierung bis zum Ende der Legislaturperiode auf Eis legt. „Das wäre das letzte, was die Bahn gebrauchen könnte“, warnte Hansen. „Wir brauchen nicht unbedingt Geld eines privaten Investors für den Konzern, aber Klarheit über die Zukunft.“

Die Äußerungen Tiefensees zu den möglichen Privatisierungsmodellen beeindruckten Hansen nicht. Die Tarifauseinandersetzung über den Beschäftigungspakt werde weitergeführt. „Durch die Verzögerungen ist nur die Ausgangslage für die Schlichter schwerer geworden“, betonte Hansen. Transnet bestehe weiterhin auf einen Vertrag mit der Bahn über eine Fortführung der Beschäftigungsgarantie auch nach der Privatisierung. Die Bahn müsse eine rechtssichere Regelung anbieten. Scheitert die Schlichtung, die nächste Woche beginnt, wären – theoretisch – bereits in vier Wochen Streiks möglich.

Bei einem Börsengang der Bahn werden sich die Investoren nach Berechnungen des „Handelsblatts“ in ein sehr ertragsschwaches Unternehmen einkaufen. Das zeigt ein Vergleich der Bahn-Kennziffern mit den führenden 130 Konzernen Deutschlands. Die Bahn würde nicht einmal Platz 100 in diesem Ranking erreichen.

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