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Wirtschaft: Reguläre Jobs werden abgebaut

Trotz sinkender Arbeitslosenzahl sieht es auf dem Stellenmarkt nicht gut aus

Berlin Obwohl die Arbeitslosenzahl im Juni ungewöhnlich stark gesunken ist, glauben Experten noch nicht an eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt. Im Juni waren in Deutschland 4,704 Millionen Menschen ohne Arbeit – 103000 weniger als noch im Mai, aber 471000 mehr als vor einem Jahr. „Die Entwicklung ist durch die Frühjahrsbelebung und die Arbeitsmarktpolitik begünstigt worden“, sagte der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, am Donnerstag in Nürnberg. Konjunkturelle Impulse hingegen hätten kaum eine Rolle gespielt und auch der Abbau regulärer Arbeitsplätze sei weiter angestiegen.

Während die Oppositionsparteien RotGrün eine „verheerende arbeitsmarktpolitische Bilanz“ bescheinigten, bezeichnete Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) die Zahlen als Beleg dafür, dass die Arbeitsmarktpolitik der Regierung funktioniere. „Der Kurs stimmt“, sagte er. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit sei so kräftig wie seit fünf Jahren nicht mehr. Dennoch hat die Arbeitslosigkeit den höchsten Juni-Stand seit Bestehen der Bundesrepublik erreicht. Selbst ohne den Hartz-IV-Effekt, durch den etwa 330000 Menschen – ehemalige Sozialhilfeempfänger, die von den Behörden als arbeitsfähig eingestuft worden sind – zusätzlich in der Statistik erfasst werden, wäre ein neuer Juni-Nachkriegsrekord erreicht worden.

Clement zeigte sich vor allem mit den Vermittlungserfolgen von Jugendlichen zufrieden. Alle Jugendlichen, die noch ohne Beschäftigung sind, stellte der Minister „intensivste“ Betreuung der Arbeitsagenturen für die kommenden vier Wochen in Aussicht. Die wird auch nötig sein, denn die Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt hat sich nach Angaben der Bundesarbeitsagentur verschlechtert. Im Juni zählten 286200 Bewerber als noch nicht vermittelt, auf der anderen Seite gab es nur noch 102700 freie Ausbildungsstellen. „Die rechnerische Differenz zwischen unbesetzten Ausbildungsplätzen und nicht vermittelten Bewerbern ist bundesweit im Juni erstmals signifikant größer als vor einem Jahr“, hieß es in Nürnberg. Die Zahl der von Oktober 2004 bis Juni 2005 gemeldeten Ausbildungsplätze liege mit 388900 um zehn Prozent unter dem Vorjahreswert.

In Berlin und Brandenburg ist die Arbeitslosigkeit nur leicht zurückgegangen. Ende Juni waren 561 166 als erwerbslos gemeldet, wie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag in Berlin mitteilte. Das waren 10 076 Personen weniger als im Mai. Auf dem Berliner Arbeitsmarkt sei zwar eine saisonale Belebung festzustellen, aber kaum ein konjunktureller Effekt, sagte Arbeitssenator Harald Wolf (PDS). Nach wie vor leide die Wirtschaft in der Hauptstadt – wie in ganz Deutschland auch – unter der mangelnden Binnennachfrage. Wolf forderte auf Bundesebene ein Umsteuern hin zu einer Arbeits- und Wirtschaftspolitik, die die Kaufkraft vor allem kleiner und mittlerer Einkommen stärkt.

Sollte es im September zu Neuwahlen kommen, wird Rot-Grün kaum von positiven Nachrichten vom Arbeitsmarkt profitieren können. Glaubt man den Statistikern, kommt der von Bundeskanzler Gerhard Schröder anvisierte Wahltermin am 18.September um sieben Wochen zu früh. Denn die übliche Frühjahrsbelebung ebbt langsam ab, im Juli folgt die Sommerflaute am Arbeitsmarkt. Auch im August halten sich viele Firmen mit Neueinstellungen noch zurück. Im Juli werde die Zahl der Arbeitslosen saisonbedingt wohl leicht steigen, sagte auch Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur. „Der August, September und Oktober werden gute Monate mit einem Rückgang der Arbeitslosenzahlen um rund 200000“, sagte er. asi/dro

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