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Wirtschaft: Reiche sind glücklich – aber selten zu Hause

Sozialministerin Schmidt gab eine Studie über Reichtum in Deutschland in Auftrag. Dabei kam heraus: Geld macht doch glücklich

Ulla Schmidt will die Reichen besser kennen lernen. Die Bundesgesundheitsministerin (SPD) beauftragte deshalb im vergangenen Jahr ein Forscherteam, das sich für das Ministerium auf die Spur der wohlhabenden Deutschen machte. Ziel der Mission: Bis September will die Bundesregierung ihren aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht fertig haben. Während es allerdings zum Thema Armut reichlich Datenmaterial gibt, fehlen den Autoren Erkenntnisse über die kleine, feine Gruppe am oberen Ende der deutschen Einkommenspyramide.

Die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gelieferten repräsentativen Ergebnisse förderten nun Erstaunliches zu Tage: Geld macht doch glücklich. Die von den Berliner Wissenschaftlern als „Hocheinkommensbezieher“ definierten Deutschen sind nämlich „überdurchschnittlich zufrieden mit ihrer Wohnung und ihrem Lebensstandard“, sie leben in der Regel gesünder und mehrheitlich in „verheirateten Paarhaushalten“, sie zeugen mehr Kinder als weniger Begüterte, und zu Hause steht in neun von zehn Fällen ein Personal Computer, der in fast 80 Prozent der Haushalte von einer Putzfrau entstaubt wird. Vor allem aber arbeiten die Gutverdiener gern und sehr viel. Mehr als die Hälfte der leitenden Angestellten, Selbstständigen oder höheren Beamten opfert laut DIW dem Job einen Großteil der Freizeit.

Der Fleiß zahlt sich aus: Die vom DIW untersuchten 1224 Haushalte mit 2671 Befragungspersonen verfügten – abgesehen von erheblichem Sach-, Geld- und Betriebsvermögen – über ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von 3835 Euro und mehr. Als besonders wohlhabend gelten nach DIW-Definition Haushalte mit einem verfügbaren Einkommen von mehr als 5113 Euro. Diese happy few machen 2,7 Prozent aller Privathaushalte in Deutschland aus.

Gehoben wird deren Stimmung nicht nur vom Blick auf den Gehaltszettel. Knapp 85 Prozent der richtig Reichen leben auch mit dem guten Gefühl, dass sie 20 Prozent ihres Nettoeinkommens sparen können. Und: „Haushalte mit hohen Einkommen sind nicht nur überdurchschnittlich oft Empfänger von Erbschaften und Schenkungen, sie erben im Durchschnitt auch höhere Beträge“, schreibt die Studie. 180000 Euro sind es bei den Großverdienern im Schnitt – vier Mal mehr, als ein Haushalt mit weniger als 3835 Euro erbt.

Aber: Viel Geld bedeutet eben auch wenig Freizeit. „Das ist der freiwillige Preis, den die Reichen zahlen“, sagt Studienleiter Jürgen Schupp. Obwohl etwas weniger Arbeit die Gutsituierten nicht viel ärmer machen würde, übe der Beruf offenbar einen unwiderstehlichen Reiz auf die reichen Workoholics aus. Ein Traumszenario für Hans Eichel? Liefert Ulla Schmidt dem Finanzminister die empirische Grundlage für die Einführung einer Vermögenssteuer, die – nach dem Vorbild von Alkohol- und Tabaksteuer – vom Suchtstoff Arbeit profitieren könnte? DIW-Forscher Schupp warnt: „Eine Vermögenssteuer könnte viele Wohlhabende veranlassen, ihre empfundene Verpflichtung zur Mehrarbeit zu überdenken.“ Mehr Freizeit für die Reichen bedeute aber nicht per se mehr Wohlfahrt für alle: Statt zum Beispiel mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen (volkswirtschaftlich nützlich), könnten die Reichen die Wiedereinführung der 1996 abgeschafften Vermögenssteuer möglicherweise nur als Dämpfer für ihren Arbeitseifer empfinden (volkswirtschaftlich schädlich). „Der Staat sollte sich deshalb an dieser Stelle so wenig regulierend einmischen wie möglich“, glaubt Jürgen Schupp.

Anders sieht es nach Ansicht des DIW aus, wenn der Fiskus die Erbengeneration ins Visier nimmt. Schupp: „Generell herrscht in Deutschland zwischen Haushalten, die in den Genuss von Erbschaften kommen und jenen, die leer ausgehen, eine enorme Ungleichverteilung.“ Da, wo viel ist, werde mit Erbschaften noch etwas draufgelegt. Zu diesem Ergebnis komme das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) des DIW, eine repräsentative Längsschnittstudie privater Haushalte in Deutschland, die auch die Reichenstudie erstellte. Das DIW fordert deshalb bei Erbschaften eine Senkung der steuerlichen Freibeträge sowie eine Reduzierung des Schwellenwertes, bei dem der höchste Steuersatz greift. „Dieser Wert ist in Deutschland mit einem Wert von 25 Millionen Euro extrem hoch“, ermittelten die Wissenschaftler.

Bevor sie sich Erbschaftsfragen widmen müssen, können sich die Wohlhabenden einstweilen an ihrem exklusiven Dasein erfreuen. Wer mehr als 5113 Euro monatlich hat, darf im Schnitt gleichzeitig – nach Abzug der Schulden – ein Nettovermögen von rund 960000 Euro sein Eigen nennen. Das ist 55 Mal mehr als ein weniger verdienender Haushalt hat.

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