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Rettungspaket: Amerikas neuer Anlauf

Steuergeschenke für Wahlkreise sollten den US-Abgeordneten die Zustimmung zum Notpaket für die Finanzbranche erleichtern.

Washington - Wie eine dunkle Wolke lastete das Schicksal des Notpakets für die Finanzwirtschaft am Freitag über Washington. Der US-Senat hatte einer überarbeiteten Fassung des mehr als 700 Milliarden Dollar teuren Maßnahmenbündels am Mittwoch mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. Aber das Votum des Abgeordnetenhauses stand am Freitag Abend deutscher Zeit noch aus. Dort war das Gesetz im ersten Anlauf vor einer Woche gescheitert. Erneut gaben sich die Führungen der Demokraten wie der Republikaner zuversichtlich, dass sie eine Mehrheit erreichen. Nur wollte nach den bösen Erfahrungen kaum einer darauf wetten. Die Ablehnung vor einer Woche hatte einen historischen Kurssturz an den Börsen weltweit ausgelöst.

Wie von der Regierung George W. Bush gefordert, soll das Gesetz dem Finanzminister Henry Paulson 700 Milliarden Dollar bewilligen, mit denen er strauchelnde Banken und Versicherungen stützt und im Gegenzug Anteile an den Konzernen in Staatsbesitz übernimmt. Im besten Fall, wenn die Rettung gelinge, werde der Staat diese Anteile in ein paar Jahren mit Gewinn wieder verkaufen, prognostiziert Paulson.

Die Regierung argumentiert, das Rettungspaket müsse rasch verabschiedet werden, da sonst die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems gefährdet sei, Firmen keine Kredite mehr für das laufende Geschäft bekommen und womöglich bald nicht mehr die Löhne auszahlen könnten. Es war umstritten, ob solche Warnungen der Realität entsprechen oder nur den politischen Druck erhöhen sollten.

In der Bevölkerung war das Gesetz höchst unpopulär. Die Bürger verstanden es als Nothilfe für die Manager an der Wall Street, in denen sie zugleich die Verursacher der Krise sahen. Landesweit kam es zu Protestaktionen gegen den so genannten „Bailout“. Eine Welle empörter Anrufe am Abstimmungstag vor einer Woche im Kongress trugen zur Ablehnung bei. Alle 435 Abgeordneten müssen sich am 4. November der Wiederwahl stellen. Staatliche Intervention steht im grundsätzlichen Widerspruch zur Ideologie der Republikaner. Obwohl es um einen Vorschlag ihres Parteifreunds George W. Bush ging, stimmten nur 65 Konservative zu, 133 lehnten ab. Bei den Demokraten war es umgekehrt: 140 Ja- und 95 Nein-Stimmen. In beiden Parteien stimmten vor allem Abgeordnete dagegen, deren Sitz wackelt.

Um die Erfolgschancen zu erhöhen, wurde das Paket um Maßnahmen ergänzt, die nicht in direktem Zusammenhang mit der Finanzkrise stehen, aber Wahlkreisen einzelner Parlamentarier nützen, die man gewinnen wollte, zum Beispiel Steuererleichterungen für bestimmte Firmen. Diese Ergänzungen verteuern das Gesetz laut US-Medien um weitere 100 Milliarden Dollar. Der Senat, in den jeder der 50 US-Bundesstaaten unabhängig von der Größe zwei Vertreter entsendet, verabschiedete die neue Version mit 74 zu 25 Stimmen. Die Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und John McCain unterbrachen ihren Wahlkampf und stimmten mit Ja. McCain hatte sich seit dem Frühsommer an keiner Abstimmung beteiligt, Obama seit Juni. Nur der todkranke Demokrat Ted Kennedy fehlte. Von den 100 Senatoren steht in diesem Herbst nur ein Drittel zur Wiederwahl an.

Fraktionsführer der Republikaner und der Demokraten im Abgeordnetenhaus sagten am Freitag zwar keine so klare Mehrheit wie im Senat voraus, hofften aber auf ausreichende Unterstützung. Der Widerstand im Volk habe etwas nachgelassen, seit die Bürger die Folgen der Finanzkrise in ihren persönlichen Konten erleben. Die Altersabsicherung der meisten Amerikaner ist in Wertpapieren angelegt. Der Kurssturz an den Börsen hat sie 1,3 Billiarden Dollar gekostet – das Zweitausendfache des Rettungspakets. Kommentatoren glauben, langsam setzte sich die Einsicht durch, das Rettungspaket sei unvermeidlich. Es helfe zunächst nur der Finanzbranche, doch damit indirekt auch den Bürgern. Wenn das Finanzsystem zusammenbreche, würden ihre Ersparnisse wertlos.

Demokraten erreichten eine Begrenzung der Managergehälter in jenen Firmen, die am Rettungsplan teilnehmen. Republikaner setzten einen parallelen Rettungsfonds ohne Auflagen durch, der sich aus privaten Investitionen finanziert und vom Staat garantiert wird.

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