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Wirtschaft: Ricke droht mit Preisschlacht

Strategiewechsel bei der Telekom: Der Konzern will bei DSL um Marktanteile kämpfen – auch wenn das zu Lasten des Gewinns geht

Düsseldorf - Vorstandschef Kai-Uwe Ricke verordnet der Telekom einen Strategiewechsel. „Die Phase der Entschuldung und Neustrukturierung wird Ende 2005 abgeschlossen. Ab dem kommenden Jahr konzentrieren wir uns verstärkt auf Umsatzwachstum und Wertsteigerung“, sagte Ricke dem Handelsblatt. Damit schwört der Chef des größten europäischen Telekommunikationsunternehmens den Konzern auf härtere Zeiten und einen aggressiven Wettbewerb ein. „Wir werden unsere Umsatzmarktanteile mit Haut und Haaren verteidigen. Wenn es darauf ankommt, wird die Deutsche Telekom dafür auch dem Umsatz Vorrang vor dem operativen Ergebnis geben – das gilt insbesondere für den DSL-Markt.“

Hintergrund der Ankündigung ist die Erwartung von Experten, dass die Telekom im Festnetzgeschäft Marktanteile verlieren wird. Analysten der Privatbank Sal. Oppenheim glauben beispielsweise, dass die Telekom im Festnetzgeschäft in diesem und im nächsten Jahr jeweils 1,4 Millionen der derzeit 56 Millionen Anschlüsse im Festnetz verlieren wird. Wettbewerber wie Arcor oder die Telcom-Italia-Tochter Hansenet bauen vor allen in deutschen Großstädten ihre Netze immer weiter aus und liefern sich mit der Telekom einen harten Preiskampf, der vor allem um Neukunden im Zukunftsmarkt DSL-Breitband geführt wird. Über diese Anschlüsse sollen in Zukunft neben Internetzugang auch zunehmend Sprachtelefonie und künftig auch Fernsehen angeboten werden.

Die Konkurrenz warnt Ricke davor, „weiter mit dem Feuer zu spielen. In den vergangenen zehn Jahren haben sich schon manche Unternehmen in der Branche die Finger verbrannt, weil sie um nahezu jeden Preis Kunden eingesammelt und betriebswirtschaftliche Logik außer Acht gelassen haben.“ Trotz der fortschreitenden Marktanteilsverluste ist Ricke mit dem laufenden Geschäftsjahr zufrieden: „2005 wird für die Telekom ein sehr erfolgreiches Jahr, in dem wir alle unsere Ziele erreichen werden.“

Gleichzeitig fordert Ricke aber mit Blick in die Zukunft die Bundesnetzagentur auf, eine klare Aussage zur Zukunft der Regulierung im Bereich Telekommunikation zu machen: „Wir müssen wissen, bei welchem Marktanteil sie zufrieden sind.“ Die Telekom hält ein Umdenken der Bonner Behörde für dringend nötig. Eine falsche Regulierungspolitik werde dazu führen, dass Deutschland keine Datenautobahn bekommt. Dann gehen in der deutschen Telekommunikationsindustrie in den kommenden Jahren mehr Arbeitsplätze verloren als durch den technologischen Fortschritt ohnehin wegfallen.

So macht Ricke geplante Milliardeninvestitionen in ein neues Glasfasernetz davon abhängig, „dass wir diese Investitionen auch für Pioniergewinne nutzen können“. Der Wettbewerb solle endlich beginnen, in eigene Infrastruktur zu investieren. Bekomme die Telekom solche Sicherheiten nicht, will Ricke die Investitionspläne in Deutschland überdenken: „Die Telekom hat viele Plätze in der Welt, wo sie investieren kann.“ Die Telekom will bis 2007 in 50 großen deutschen Städten ein Glasfasernetz legen, das Bandbreiten von 50 Megabit erreichen soll. Das ist bis zu fünfzigmal schneller als die gängige DSL-Geschwindigkeit. 2006 sollen bereits zehn Städte angeschlossen werden. Solch leistungsfähige Leitungen sind vor allem für die Übertragung von neuartigen Fernsehdiensten und für das zeitversetzte Abrufen von Sendungen nötig. „Bei uns hat auch schon der eine oder andere Sender angeklopft, der daran Interesse hat. Mehr möchte ich an dieser Stelle jedoch dazu nicht sagen“, sagte Ricke.

Die Wettbewerber werfen dem Ex-Monopolisten vor, mit dem Regulierungsschutz erneut seine Marktmacht auszuspielen. „Die Telekom versucht, ihr althergebrachtes Anschlussmonopol auch in den zukunftsträchtigen Bereichen zu etablieren“, schimpft Jürgen Grützner, Chef des Verbands von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten.

Der Telekommunikationsmarkt befindet sich derzeit in einem Wandel: Das traditionelle Festnetz für Sprachtelefonie wird es in einigen Jahren nicht mehr geben. Es wird abgelöst durch Telefongespräche über das Internet.

Für die Telekom war das klassische Telefon-Festnetz aber bisher mit 43 Prozent vom Umsatz der größte Umsatz- und Gewinnbringer des Konzerns. Fällt dieses Geschäft weg, muss das Unternehmen Alternativen finden, um den Verlust zu kompensieren. Der Telekom-Chef setzt dafür neben dem Bau des Glasfasernetzes auf höhere Umsätze im Mobilfunk und Internet. „T-Mobile arbeitet auch daran, Festnetzkunden für den Mobilfunk zu gewinnen und die Festnetzsparte T-Com muss den Wandel hin zu neuen Technologien stemmen“, beschreibt Ricke die Strategie des Konzerns.

Dabei nimmt der Telekom-Chef in Kauf, dass sich die Töchter seines Konzerns gegenseitig Konkurrenz machen. „Wenn wir es nicht selbst tun, machen es die anderen.“ Im deutschen Mobilfunk ist T-Mobile mit etwa 40 Prozent Marktanteil vor dem Verfolger Vodafone die Nummer eins. Bei DSL-Anschlüssen beherrscht der Ex-Monopolist zwar rund 80 Prozent des Marktes. Bei den Neuanschlüssen holen die Wettbewerber aber immer mehr auf.

S. Louven, T. Nonnast (HB)

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