zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Ricky Martin auf Kurzbesuch in Thailand

Der Popstar will die Opfer der Flut unterstützen – und verärgert damit Politiker und Hilfsorganisationen

Berühmte Künstler und Sportler greifen tief in die Tasche, um den Opfern der Flutkatastrophe in Asien zu helfen. Der puertoricanische Popstar Ricky Martin ging einen Schritt weiter und flog vergangene Woche selbst nach Thailand. Am Mittwoch traf er in Bangkok den Premierminister und den Außenminister Thailands, besuchte ein Waisenhaus des Roten Kreuzes und gab vor zahlreichen Journalisten eine Pressekonferenz. Am Donnerstag wollte er auf die thailändische Insel Phuket und in die Andamanen-Provinz Phang Nga fahren. Beide Regionen sind von der Flutkatastrophe besonders schwer getroffen.

Journalisten aus fernen Ländern verfolgten den Star in Thailand. Junge Frauen säumten die Flure, um einen Blick auf den Sänger zu erhaschen. Fans fotografierten das Auto, als er mit einer Polizeieskorte durch die nachmittäglich verstopften Straßen Bangkoks raste.

„Er ist ein Ausländer, der uns liebenswürdigerweise helfen will“, sagt die 21-jährige Kamonwan Jirinkham, die im Außenministerium ein Praktikum macht. Sie wartet mit zwei Freundinnen auf die Pressekonferenz von Martin. Dennoch vermutet sie, dass der Latino-Star, der „gut tanzen kann und attraktiv ist“, auch für sich selbst wirbt. Der Besuch der Flutopfer „steigert seinen Ruhm“, sagt sie.

Ursprünglich sollte Martin in seiner Funktion als Unicef-Botschafter nach Thailand reisen. Der Sänger trägt den Titel seit einem Jahr. Doch Anfang der vergangenen Woche hat die Uno-Organisation ihre Beteiligung an der Reise plötzlich abgesagt und Martin allein nach Asien fliegen lassen. „Es gab zu viele Missverständnisse bei der Reiseplanung“, sagt der Unicef-Sprecher Alfred Ironside, ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen.

Viele berühmte Privatpersonen haben Hilfsorganisationen große Summen gespendet, nachdem der Tsunami am 26. Dezember weite Regionen Asiens verwüstet hatte. Der Filmregisseur Steven Spielberg und seine Familie haben insgesamt 1,5 Millionen Dollar an die Hilfsorganisationen Save the Children, Oxfam und Care gespendet. Der amerikanische Basketball-Star Kobe Bryant hat Unicef 27 000 Dollar überwiesen. Die Hilfsorganisation bekam auch vom Schauspieler Leonardo DiCaprio Geld überwiesen; wie viel, ist unbekannt. Und der Fernsehtalker Jay Leno will seine Harley-Davidson zugunsten der Flutopfer versteigern. Der Erlös soll an das Rote Kreuz gehen.

Doch es ist etwas anderes, an den Katastrophenort zu reisen. Nach Ansicht von Hilfsorganisationen kann dies manchmal mehr stören als nutzen. So würde das amerikanische Rote Kreuz niemals eine berühmte Persönlichkeit zu einem so frühen Zeitpunkt in ein Notstandsgebiet schicken. „Es ist nicht unsere oberste Priorität, Prominente einzubinden“, sagt Darren Irby, ein Sprecher der Organisation, „sondern, den Menschen vor Ort zu helfen.“

Bei der Pressekonferenz mit dem thailändischen Außenminister Surakiart Sathirathai stand Martin auf einem Podium vor rund 100 Journalisten, Fotografen und Angestellten des Außenministeriums. „Ich habe schon viele Pressekonferenzen mit Prominenten abgehalten“, erklärte Surakiart. „Diese war eine der vollsten, die ich je erlebt habe.“

Ricky Martin erwiderte: „Was kann ich sagen? Nachdem ich die Bilder im Fernsehen gesehen habe, konnte ich nicht einfach zu Hause bleiben und die Hände in den Schoß legen.“ Martin, der mit Liedern wie „Livin’ La Vida Loca“ und „She Bangs“ berühmt wurde, führte weiter aus, dass es ihm vor allem um Kinder gehe, die entführt, als Sklaven verkauft und oft in die Prostitution gezwungen würden. Der Latinostar hatte schon früher eine Stiftung namens „People for Children“ gegründet, die die Ausbeutung von Kindern bekämpft. „Es ist wirklich traurig“, sagte Martin Bangkok. „Ich musste hierher kommen und das sagen. Damit es ein Ende hat.“ Auf die Bemerkung des thailändischen Außenministers, nicht ein einziges Kind sei entführt worden, erwiderte Martin, es sei dennoch wichtig, „davor zu warnen, weil alle von uns Opfer werden könnten“.

Nicht jede Hilfsorganisation ist der Meinung, dass berühmte Menschen an den Ort des Geschehens reisen müssen. Ärzte ohne Grenzen zum Beispiel setzt Berühmtheiten nur in Werbekampagnen ein, um auf weniger bekannte Krisenherde und Probleme aufmerksam zu machen. Die Organisation schickt Promis aber nicht in Katastrophenregionen. „Das kann zu einem Zirkus ausarten“, sagt Nicolas de Torrente, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen. Seine Mitarbeiter sollten Hilfsaktionen und nicht „diese Art von Besuchen“ organisieren. „Wenn jemand für zwei Stunden dort hinfliegt, um Fotos zu machen, und es der Person darum geht, später in Zeitschriften zu stehen, dann wird die Not der leidenden Menschen ausgenutzt.“

Vor seiner Reise hatte Martin Vorwürfe zurückgewiesen, dass er nur aus Eigeninteresse nach Thailand reise und dass er die Menschen bei den Rettungsaktivitäten stören werde. „Ich habe keine Kontrolle über die Gedanken anderer Menschen“, sagte er, „sondern nur über meine eigenen Handlungen und darüber, was ich tun muss, damit die Welt besser wird.“

Sofort nach der Pressekonferenz raste Martin durch Bangkok zum Waisenhaus des Roten Kreuzes. Dort warteten Krankenschwestern, Würdenträger und Kamerateams auf ihn. Zwei Kinder, eines davon im traditionellen Thai-Kleid, führten einen kurzen Tanz auf. Martin schritt dann von einem Kinderbett zum anderen, nahm Kinder in den Arm und posierte für die Kameras, während im Hintergrund ein Ricky-Martin-Song spielte. Eine der Krankenschwestern, die 39-jährige Pisita Pokpoon war schon ganz aufgeregt, ihn zu sehen. „Er ist ein Sänger von Weltklasse. Sein Besuch kommt dem thailändischen Roten Kreuz zugute, weil es dadurch bekannter wird“, sagte sie. „Wir werden mehr Spenden bekommen.“ Die Krankenschwester versuchte, einem neunjährigen blinden Mädchen auf ihrem Arm zu erklären, wer Martin sei. Aber das Kind verstand sie nicht.

Nachdem Martin etwa eine halbe Stunde mit den Kindern gespielt hatte, stieg er ins Auto und raste zurück ins Hotel, um sich für seine Reise nach Phuket und Phang Nga vorzubereiten. Er wolle die zerstörten Regionen sehen, bevor er entscheide, wofür er Geld spenden werde, sagte er. Noch habe er nicht beschlossen, in welcher Weise er helfen wolle. Möglicherweise gebe er ein Wohltätigkeitskonzert oder nehme eine CD auf, sagte er. Vielleicht werde er aber auch den Bau von Waisenhäusern in Thailand finanziell unterstützen. „Wissen Sie, wie viele Waisenhäuser gebraucht werden?“, fragte Martin. „Man bräuchte eine ganze Stadt.“

Elizabeth Bernstein, Patrick Barta

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false