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Wirtschaft: Riester: "Eine Grundrente habe ich nicht gefordert"

IG-Metall-Vize sieht sich in der Debatte um die Grundsicherung mißverstanden / Forderungen entsprechen SPD-WahlprogrammVON (PT/HB) FRANKFURT (MAIN).Der designierte Arbeitsminister im Falle eines Wahlsiegs der Sozialdemokraten im Herbst, Walter Riester, hat in einem Gespräch mit dem Handelsblatt wenig Verständnis für die Kritik an seinem Vorstoß für eine soziale Grundsicherung im Alter geäußert.

IG-Metall-Vize sieht sich in der Debatte um die Grundsicherung mißverstanden / Forderungen entsprechen SPD-WahlprogrammVON (PT/HB) FRANKFURT (MAIN).Der designierte Arbeitsminister im Falle eines Wahlsiegs der Sozialdemokraten im Herbst, Walter Riester, hat in einem Gespräch mit dem Handelsblatt wenig Verständnis für die Kritik an seinem Vorstoß für eine soziale Grundsicherung im Alter geäußert."Die haben alle mein Interview mit dem Spiegel nicht richtig gelesen," sagte Riester.Er habe keine Grundrente als Ersatz für die beitragsfinanzierte Rentenversicherung gefordert, wies er auch die Kritik von Bundesarbeitsminister Norbert Blüm zurück.Der hatte Riesters Forderung als unfinanzierbar bezeichnet und ihm vorgeworfen, er verstehe von Rentenpolitik soviel wie Blinde von der Farbe."Was ich will, ist eine aus Steuern zu finanzierende Grundsicherung für eine Rente, die zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nicht ausreicht." In den Genuß dieser Grundsicherung solle nur kommen, wer nicht über Vermögen und anderes Einkommen verfügt.Genau darin bestehe ein weiterer Unterschied zur Grundrente.Sein Ziel sei es, alten Menschen den Weg zum Sozialamt zu ersparen.Daher solle auch die Höhe der Rente in der Nähe des vom Bundesverfassungsgericht definierten Existenzminimums liegen.Eine leider nicht genau erfaßte Zahl von Rentnern, so Riester, habe bereits heute so geringe Einkommen, daß sie ergänzende Sozialhilfe beanspruchen könnten, nähmen sie aber aus falschem Stolz nicht in Anspruch.Ohne ein Umsteuern werde die Altersarmut in Zukunft weiter zunehmen, da immer weniger Arbeitnehmer in der Lage seien, 45 Jahre Beiträge zu zahlen, um sich den Anspruch auf eine Rente in der Nähe der Standardrente von derzeit 2100 DM in Westdeutschland zu sichern.Daher wäre die Grundsicherung auch ein Weg, Beschäftigten die Entscheidung für die flexible Arbeitszeit zu erleichtern.Den Einwand, die Grundsicherung sei nicht finanzierbar, weist Riester zurück.Durch eine nach Bedürftigkeit gewährte Aufstockung der Rente würden die Kommunen bei der Sozialhilfe in fast gleichem Umfang sparen.Eine Erhöhung des Arbeitsvolumens sei der entscheidende Beitrag, den Politik und Wirtschaft zur Sicherung der Sozialsysteme leisten könnten.Dazu gehöre auch eine staatliche Förderung der Entwicklung neuer Produkte und Technologien auf Unternehmens- und Investitionen in das Bildungssystem auf Arbeitnehmerseite.Das Altersteilzeitgesetz bezeichnete Riester als einen in Einzelheiten noch nachbesserungsbedürftigen Beitrag der alten Bundesregierung zur Lösung der Arbeitsmarktprobleme und der Finanzierungsproblem der sozialen Sicherung.Es ermögliche das vorzeitige Ausscheiden älterer Arbeitnehmer aus dem Arbeitsleben und erhöhe so die Arbeitsmarktchancen der Jugendlichen.Zugleich erspare es der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung die hohen Kosten der Frühverrentung."Würden solche und ähnliche Probleme mehr im Zusamenhang diskutiert," sagte Riester, "könnten wir uns viele politische Grabenkämpfe ersparen".Was die Rentenpolitik der nächsten Legislaturperiode anbelangt, so könnte sich der Arbeitsminister aus dem Schattenkabinett des SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder auch vorstellen, daß zur Untertunnelung der schwierigen demographischen Phase um das Jahr 2015 ein befristeter Versorgungsfonds eingezogen wird.Überhaupt sehe er seine Aufgabe als Arbeitsminister in einem Kabinett Schröder nicht darin, als "Modernisierer" die profilierten Solzialpolitiker des SPD kaltzustellen, wie dies in einigen Medien kolportiert worden sei.Er sei nicht der Gegenkandidat zum SPD-Sozialexperten Rudolf Dreßler."Im Gegenteil, wir verfolgen die gleichen Ziele."Auch in der Arbeitszeitdebatte um die 32-Stunden-Woche in der IG Metall warnt Riester davor, künstliche Gegensätze zwischen ihm und dem IG-Metall-Vorsitzenden Klaus Zwickel aufzubauen.In der Arbeitszeitdebatte gebe es weder Gewinner noch Verlierer.Dies belege das Diskussionspapier der IG Metall, über das bis zum Wochenende auf einer Konferenz von Betriebsräten und Funktionsträgern der Gewerkschaft in Hannover diskutiert werden soll.Fest stehe, daß die Verkürzung der Arbeitszeit weiter auf der Tagesordnung bleibe.Wie das im einzelnen aussehe, könne nicht allein an Zahlen wie 32 oder 25 Wochenstunden abgelesen werden.So habe die IG Metall mit der Debis AG einen Tarifvertrag abgeschlossen, der für eine große Gruppe von Arbeitnehmern, die bislang ohne Tarifvertrag deutlich mehr als 40 Stunden gearbeitet hätten, die 40-Stunden-Woche differenziert nach Alter und Betriebszugehörigkeit festschreibt.Riester: "Das ist eine faktische Arbeitszeitverkürzung".An der Wochenarbeitszeit werde sich das Thema in Zukunft ohnehin immer weniger abhandeln lassen.Stattdessen werde die Jahres- und Lebensarbeitszeit stärker in den Blickpunkt rücken.Die Arbeitszeitkonferenz in Hannover werde die Vielfalt der Möglichkeiten diskutieren.Beschlüsse zu fassen sei aber Aufgabe der Tarifkommissionen.In einer Zeit, in der die europäischen Nachbarländer wie Italien und Frankreich ihre Arbeitszeit per Gesetz auf 35 Stunden verkürzen, spreche aber nichts dagegen, daß auch in Deutschland die Arbeitszeit pro Woche weiter sinke.Im Kern müßten Arbeitszeitverkürzung und Arbeitszeitgestaltung in Zukunft stärker verknüpft werden.

(PT, HB)

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