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Wirtschaft: Riester redet Unternehmer schwindelig

BERLIN .Der Moderator des Abends, Walter Momper, hat schon mehrfach "auf ein Gläschen" nach draußen gebeten.

BERLIN .Der Moderator des Abends, Walter Momper, hat schon mehrfach "auf ein Gläschen" nach draußen gebeten.Doch der Star des Abends, IG-Metall-Vize Walter Riester, redet sich gerade erst warm.Über Ausbildung, Steuerfreibeträge, Jost Stollmann, Haushaltslöcher ...Riester ("Jetzt wird es spannend") redet und redet, bis es den versammelten Unternehmern und Betriebsräten schwindelig geworden ist.Längst ist die vorgesehene Diskussionszeit der "Berliner Wirtschaftsgespräche" und der SPD im Preußischen Landtag überschritten, draußen hat sich tiefe Dunkelheit eingestellt.Die Zeit, in der Tarifpolitiker topfit werden.Die Zeit, in der Politiker "auf ein Gläschen gehen".

Walter Riester ist der eine nicht mehr, der andere noch nicht.Der Schattenarbeitsminister im Schattenkabinett von Gerhard Schröder wirbt am Dienstagabend für eine "verzahnte Politik", die in Zukunft Finanz-, Tarif- und Sozialpolitik nicht isoliert, sondern verbindet, Beziehungssysteme herstellt.Er verhandelt das eine gegen das andere, als sei er Politikgeber und Politiknehmer in einem.Vorruhestand gegen Rentenversicherung, versicherungsfremde Leistung gegen Steuerlast, Steuerfreibetrag gegen Sozialversicherungsprozentpunkte.Riester denkt Politik wie Tarifverhandlungen: Er wolle nicht eine "Stellschraube" verändern und damit ungewollt ganze Sozialsysteme erschüttern, sagt er.Er will ein Bündnis für Arbeit.

Und redet über die Voraussetzungen, seine Erwartungen an eine solche große Runde aus Politikern, Tarifpartnern und Wirtschaftsführern, als gehe es ihn, der doch Arbeitsminister werden will, noch nichts an."Was kann Bündnis leisten?" fragt er.Genau so, wie er fragt: "Was muß Politik leisten?" "Was soll Sozialpolitik leisten?" "Was will Tarifpolitik leisten?" Politik auf neutralem Boden, ein Brettspiel, das noch niemand spielt: In den hinteren Reihen nicken die ersten Teilnehmer ein, Walter Momper erinnert an das "Gläschen" in geselliger Runde.

Riester, der Fliesenlegermeister aus dem Schwäbischen, verhandelt derweil am Pult gegen sich selbst: Hier ein Gutachten, dort ein Treffen im Audi-Aufsichtsrat.Eine Umfrage, eine Studie, Ergebnisse einer Branchenanalyse.Lehrlinge, mit denen er gesprochen hat, Norbert Blüm, mit dem er sich gestritten hat.Aus dem Kopf zitiert Riester Zahlen, Fakten, Hintergründe.Eine Kontroverse stellt sich nicht ein, obwohl Unternehmer im Raum sitzen, denen Riester die steuerliche Absetzbarkeit von Verlustvorträgen streichen will, obwohl Betriebsräte da sind, denen der Metallgewerkschafter sagt, die "Auffächerung der Arbeitsgesellschaft" könne und wolle er nicht zurückdrehen.Das Arbeitsrecht, die alte Mitbestimmung, der alte Betriebsbegriff - "das alles paßt nicht mehr", stellt Riester fest.

Mit der jetzigen Bundesregierung seien neue Ideen nicht verhandelbar gewesen, "weil das benutzt worden wäre, Tarifautonomie zu schleifen", argumentiert der Tarifpolitiker."Aber hier ist Politik gefordert", sagt der Mann, der nun Arbeitsminister werden will.Abgestimmte Systeme sollen errichtet, mit den europäischen Nachbarländern vereinbart werden, weil "Unterbietungskonkurrenz uns allen schadet".

Momper und die Genossen gehen auf ein Gläschen.Riester geht in die nächste Runde.Er verhandelt weiter, erklärt, begründet.Er hat einen Vorteil: Tarifpolitiker werden nicht müde.

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