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Die Bilanzsummen der US-Notenbank, der Bank of Japan und der Europäischen Zentralbank steigen stetig.

© Doris Spiekermann-Klaas

Riskante Krisenpolitik: Notenbanken sind im Währungskrieg

Feuer frei: Unter den großen Notenbanken der Industrieländer ist ein gefährlicher Abwertungswettlauf im Gang. Dieser könnte fatale Folgen für die Weltwirtschaft haben.

Toyota geht es gut. Der Quartalsgewinn hat sich zuletzt verdoppelt. Honda geht es gut, noch nie hat das Unternehmen so viele Autos verkauft wie heute. Suzuki geht es gut, die Manager vermeldeten einen Gewinnsprung um fast 50 Prozent. Sogar Sony geht es gut, erstmals seit fünf Jahren stehen unter dem Strich wieder schwarze Zahlen. Nissan geht es sehr gut, der Partner Renault hat viel Freude an seiner Beteiligung. „Gute Neuigkeiten“, frohlockte Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn dieser Tage. „Das wird einige Hindernisse aus dem Weg räumen.“

Ghosn meint nicht nur den florierenden Absatz des Autobauers. Sondern vor allem den Kurs des Yen, Nissans Heimatwährung. Sie hat sich im Vergleich zu Dollar und Euro im vergangenen Halbjahr um fast 30 Prozent verbilligt. Das verschafft den Japanern enorme Vorteile: Sie können billiger anbieten und der Konkurrenz aus Europa und USA Marktanteile abjagen. So feiert Japan plötzlich das Comeback des Jahres: Die notorisch schlappe Wirtschaft wuchs im ersten Quartal so stark wie in keinem anderen Industrieland.

Japans Premier wird gefeiert für seine "Abenomics"

Gefeiert wird dafür Shinzo Abe, der Ministerpräsident. Er hat dem Inselstaat eine ultralockere Geldpolitik und schuldenfinanzierte Staatsausgaben verordnet und will um jeden Preis die seit Jahren quälende Deflation beenden. Abe tut, was andere längst tun: Die Welt mit Geld überschwemmen. Alle großen Zentralbanken haben die Notenpresse angeworfen und die Zinsen auf Rekordtiefs gedrückt, um der Finanzkrise Herr zu werden und sich der Schulden zu entledigen. Aus der Geldflut ist mittlerweile ein globaler Währungskrieg geworden – mit womöglich fatalen Folgen für das gesamte System.

Dabei will es niemand gewesen sein. Auf dem Treffen der G-7-Finanzminister am vergangenen Wochenende war der Abwertungswettlauf nur am Rande ein Thema, es blieb bei allgemeinen Ermahnungen für Japan, es nicht zu übertreiben. „Einen Währungskrieg, den die Beteiligten abstreiten, kann man nur schwer stoppen“, warnt Dan Morris, Währungsexperte bei J. P. Morgan Asset Management.

Tatsächlich war es nicht Japan, das den ersten Schritt getan hat. Die Fed in den USA hat ihre Bilanz im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt seit 2007 fast verdreifacht, die Bank of England sogar mehr als vervierfacht. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist mit dem Zweieinhalbfachen noch recht zaghaft unterwegs, die Bank of Japan hat die Geldbasis bislang sogar nur um die Hälfte ausgeweitet. Das soll sich nun ändern: Mehr als eine Billion Euro lässt Abe die Notenbank binnen der nächsten zwei Jahre in die Wirtschaft pumpen, vor allem über den Kauf von Staatsanleihen und Fonds. Klar ist damit: Der Verfall des Yen dürfte sich demnächst noch beschleunigen.

Andere Währungshüter ziehen nach: Australiens Notenbank senkte gerade ihre Leitzinsen auf ein Rekordtief, Südkorea verbilligte den Won, Schwedens Finanzminister Anders Borg merkte an, sein Land könne die Belastung des Exports durch die starke Krone nicht mehr lange hinnehmen.

Angesichts ihrer künstlich billigen Währung ziehen die Japaner langsam aber sicher den Unmut anderer Exportnationen auf sich. Hyundai und Kia in Südkorea müssen sich plötzlich der erstarkten japanischen Konkurrenz um Toyota erwehren. Auch Deutschland ist angewiesen auf seine Ausfuhren: Sie stehen für 41,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, nur China verkauft mehr Waren ins Ausland als die Bundesrepublik. Bei den 30 Dax-Konzernen stammten 2012 nach einer Ernst-&-Young-Studie gar drei Viertel der Einnahmen aus dem globalen Geschäft.

Auch EZB-Chef Mario Draghi macht mit

Noch kommen sich Japan und Deutschland kaum ins Gehege. Nur 1,6 Prozent der deutschen Exporte gehen nach Japan, 2,4 Prozent der Importe kommen von dort. Während die Bundesrepublik in Europa stark ist, sind es die Japaner in Asien. Doch die Gewichte verschieben sich: Angesichts der Schwäche Europas werden die USA und die Schwellenländer als Märkte immer wichtiger, allen voran China. „Wenn der Yen ungebremst weiter fällt, werden auch die Exporte des Euro-Raums darunter leiden“, glaubt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. „Gut organisierte Interessengruppen wie die Autohersteller werden dann den Druck auf die Politik erhöhen.“ Und damit auf die EZB, auch etwas zu tun, das den Euro schwächt. „Die EZB ist keine Bank, die so etwas einfach aussitzt.“

Ein starker Euro birgt Gefahren

Immerhin hat EZB-Chef Mario Draghi versprochen, die Gemeinschaftswährung um jeden Preis zu retten. Genau dieser Schwur könnte Europas Krise nun noch verlängern. Denn angesichts von Zinsen nahe der Nulllinie in vielen Industrieländern suchen Investoren händeringend nach Anlagezielen. Fündig werden sie bei Staatsanleihen der Euro-Peripherie-Länder, die bis zu sechs Prozent Zinsen abwerfen. Und dank Draghi eine Ausfallgarantie haben. Für Spanien oder Italien ist das eine willkommene Entlastung – der Druck der Kapitalmärkte sinkt, selbst wenn Reformen ausbleiben.

Zugleich gerät der Euro durch den Geldstrom unter Aufwertungsdruck. Dabei ist ein höherer Wechselkurs das Letzte, was taumelnde Staaten wie Frankreich gebrauchen können. Allein die zuletzt miesen Wirtschaftsdaten Europas bremsen den Trend. „Die Stärke des Euro gegenüber dem Yen und dem Dollar mindert die Wahrscheinlichkeit, dass die Euro-Zone sich dieses Jahr allmählich erholt“, befürchtet J.-P.-Morgan-Stratege Morris.

Womöglich muss die EZB also schon bald ihre Ankündigung wahr machen und unbegrenzt Staatsanleihen kaufen. Dann würden auch Draghi und seine Leute in die Währungsschlacht ziehen. Wirtschaftsvertreter schüttelt es bei dieser Vorstellung. „An einem Währungskrieg kann niemand Interesse haben“, mahnt Anton Börner, Chef des Außenhandelsverbandes BGA. Das Problem der hohen Verschuldung und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit bekomme man damit nicht in den Griff.

Der große Schock

Im Gegenteil. Schwillt die globale Geldmasse weiter an, könnte es noch dramatischer werden. Auf den Vermögensmärkten bilden sich längst Blasen – bei Immobilien und Aktien. Der Dax eilt von Rekord zu Rekord, trotz stagnierender Wirtschaft. „Der Markt ist völlig fixiert auf die Liquidität und das billige Geld“, hat Commerzbank-Mann Krämer beobachtet. Die Kurse stiegen selbst bei schlechten Nachrichten – weil die Akteure hofften, dass die Zentralbank etwas unternimmt. „Das ist, als wenn der Arzt Ihnen sagt: Sie sind todkrank, aber keine Angst, ich spritze Ihnen Morphium.“

Birst die gigantische Blase eines Tages, könnte es eng werden für die Schuldenmacher. „Dann kann kaum ein Staat dagegenhalten“, schwant es BGA-Chef Börner. „Der Westen kann sich nicht noch weiter verschulden, weil er das schon in der Finanzkrise bis zur Halskrause getan hat.“ Für die Realwirtschaft, glaubt Börner, wäre das eine Katastrophe. „Die Schockwellen der Finanzmärkte würden rasch auf sie übergreifen – eine Weltrezession wäre die Folge.“

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