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Die Deutsche Bank macht ihr Geschäft auch mit riskanten Zinswetten.

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Riskante Zinswetten: BGH-Urteil könnte Banken viel Geld kosten

Die Deutsche Bank muss einem Mittelständler eine halbe Million Euro zahlen, weil sie ihn bei schwer durchschaubaren Swap-Geschäften falsch beraten hat. Es ist nicht das erste Urteil dieser Art - aber das erste höchstrichterliche.

Für die Deutsche Bank klingt die Niederlage vor dem Bundesgerichtshof (BGH) auf den ersten Blick verschmerzbar. Gut 541.000 Euro muss der Dax-Konzern an ein mittelständisches Unternehmen aus Hessen zahlen, weil sie es bei Abschluss eines hoch riskanten Swap-Geschäftes - also einer Wette auf die Zinsentwicklung - nicht ausreichend beraten hat. Der BGH setzte sich mit dem am Dienstag veröffentlichen Entscheid über die Urteile der Vorinstanzen hinweg. (Az. XI ZR 33/10)

Aus der halben Million Euro könnten jedoch schnell einige zehn Millionen Euro werden. Zwar ändert das Urteil nicht grundsätzlich etwas an der bislang üblichen Rechtsprechung, weil es wie in früheren Fällen vor allem auf die mangelhafte Beratungsleistung der Bank abhebt. Ernsthafte Probleme dürfte die Deutsche Bank und andere Kreditinstitute nach Einschätzung von Experten erst bekommen, wenn ein Gericht urteilen würde, dass sie Swap-Geschäfte wegen des hohen Ausfallrisikos gar nicht hätten anbieten dürfen.

Dennoch könnte der erste höchstrichterliche Entscheid dieser Art Signal-Wirkung haben. "Das BGH-Urteil hat auf jeden Fall mehr Gewicht als frühere Entscheidungen niedrigerer Instanzen", sagt Banken-Experte und Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums Wolfgang Gerke. Er hält die Entscheidung vor allem aus ökonomischer Sicht für "sehr problematisch". In vergleichbaren Fällen seien entweder Unternehmen, Kommunen oder kommunale Einrichtungen verwickelt. "Die haben alle ihre Fachleute für Finanzgeschäfte und können sich - anders als private Anleger - eigentlich nicht darauf berufen, sie hätten die Risiken dieser Geschäfte nicht einschätzen können." Insofern könne er die Urteilsbegründung nicht ganz nachvollziehen.

Der BGH stellt in der Begründung hohe Anforderungen an die beratende Bank: Bei einem "hochkompliziert strukturierten und riskanten Produkt" müsse Kunden unmissverständlich klar gemacht werden, dass das nicht begrenzte Verlustrisiko "real und ruinös" sein könne. Im konkreten Fall habe die Bank nicht auf einen "schwerwiegenden Interessenkonflikt" hingewiesen: Für die Bank sei das Geschäft nur profitabel, wenn die Wette zum Nachteil des Kunden ausgehe. "Der Gewinn der einen Seite ist der Verlust der anderen", sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Wiechers. Daran ändert sich nach Auffassung des Gerichts auch dann nichts, wenn die Bank das Risiko weiterreich - etwa durch Sicherungsgeschäfte mit Dritten.

So genannte Spread Ladder Swaps beruhen auf der Differenz (Spread) zwischen langfristigen und kurzfristigen Zinsen. Die Erwartung bei den Swaps (Tauschgeschäften) war, dass die langfristigen Zinsen stärker steigen als die kurzfristigen. Weil dies in vielen Fällen nicht funktionierte, fuhren etliche Anleger jedoch herbe Verluste ein. Allein die Deutsche Bank verkaufte die Zinsswaps an hunderte Stadtkämmerer und Unternehmen.

Der Kläger in dem nun entschiedenen Fall, die Ille GmbH hatte die Geschäfte über ein Volumen von zwei Millionen Euro Anfang 2005 abgeschlossen. Dabei hatte die Deutsche Bank das Verlustrisiko als „theoretisch unbegrenzt“ bezeichnet, aber nicht auf den negativen Marktwert hingewiesen. Ille-Unternehmensgründer Willi Blatz hatte auch deshalb zugestimmt, weil er 16 Jahre lang ohne Probleme mit der Deutschen Bank zusammen gearbeitet hatte. Als sich die Zinsen aber nicht wie erhofft entwickelten und nach zwei Jahren mehr als eine halbe Million Euro weg war, kündigte Ille die Vereinbarung. Und entschloss sich zur Klage, die allerdings in den ersten beiden Instanzen abgewiesen wurde. Entsprechend erfreut war Blatz am Dienstag. „Wir hätten nicht gedacht, dass wir diesen Kampf ‚David gegen Goliath' gewinnen. Umso so mehr freuen wir uns über den Urteilsspruch, der zukunftsweisend sein wird.“

Wie hoch die Forderungen von institutionellen Anlegern oder Unternehmen sind, die durch die Swap-Geschäfte Verluste erlitten haben und deshalb gegen Banken vor Gericht ziehen, ist Gerke zufolge nicht genau zu beziffern. Klägeranwälte sprechen von etwa 200 Fällen und einem Millionenschaden.

Die Deutsche Bank gibt sich jedenfalls vordergründig entspannt. Man fürchte keine Klageflut und habe „angemessene Risikovorsorge“ gebildet, betonte der Deutsche Bank-Anwalt Christian Duve. Nach eigenen Angaben ist das Institut derzeit mit acht ähnlichen Fällen beschäftigt, die vor dem BGH anhängig sind. Weitere 17 Fälle würden noch in den Vorinstanzen verhandelt. "Nach unserer Auffassung hat der BGH am Dienstag nur über einen konkreten Fall entschieden", sagt Deutsche-Bank-Sprecher Ronald Weichert. In der mündlichen Verhandlung hatte der Prozessvertreter der Deutschen Bank allerdings noch vor einer zweiten Finanzkrise gewarnt, sollten die Banken in Haftung genommen werden. Zum Streitwert will sich die Bank nicht äußern. Aus Kreisen des Instituts heißt es jedoch, es handele sich um einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Die Deutsche Bank will nun die Urteilsbegründung zunächst genau prüfen. Erst danach sei absehbar, ob und inwieweit sich das aktuelle BGH-Urteil auf die übrigen Verfahren auswirke.

Nach Ansicht des Anlegerschutzanwaltes Klaus Nieding markiert der BGH-Spruch einen Quantensprung, weil Banken künftig ihr geschäftliches Interesse an solchen Produkten offen legen müssen.

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