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Wirtschaft: „Rita“ schockiert Weltwirtschaft

Ölpreis steigt wieder / Ökonomen befürchten auch Auswirkungen auf Europa / „Katrina“ war teuerster Schadensfall der Geschichte

Berlin - Der Hurrikan „Rita“ bringt die Wirtschaft der USA und damit die gesamte Weltwirtschaft in Bedrängnis. So ist der Ölpreis am Donnerstag wieder über die 68-Dollar-Marke gestiegen. Ökonomen befürchten nun auch globale Verwerfungen: „Wenn es in Texas Verwüstungen gibt, dann hat das auch Auswirkungen auf Europa“, sagte Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) dem Tagesspiegel. „Öl ist keine lokale, sondern eine globale Sache.“ Vor allem die knappen Raffinerie-Kapazitäten könnten die Wirtschaft – zumindest kurzfristig – in Schwierigkeiten bringen.

Im elektronischen Handel stieg der Preis für ein Barrel Rohöl (159 Liter) um 1,21 Dollar auf 68,05 Dollar. Beobachter rechneten mit weiteren Preisschüben. Der bisherige Rekord von 70,85 Dollar war durch den Hurrikan „Katrina“ am 30.August erreicht worden. Damals war vor allem der Staat Louisiana betroffen, „Rita“ wird am Samstag in Texas erwartet – und dieser Staat gilt als die wichtigste Öl-Region der USA, 25 Prozent der US-Förderung stammen von hier.

Noch am Dienstag hatte sich der Ölpreis in die andere Richtung entwickelt. Nachdem die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) angekündigt hatte, die Fördermenge um täglich zwei Millionen Barrel zu erhöhen, gingen die Rohölpreise kurzfristig zurück. Bei den zwei Millionen Barrel handelt es sich laut Opec um die gesamte noch nicht genutzte Kapazität ihrer Mitgliedsländer.

Angesichts dieser Tatsache reagiert der Markt auf Krisenmeldungen nun besonders stark. So verunsichern derzeit auch Nachrichten aus Nigeria die Händler. Aufständische haben hier mit Angriffen auf die Öl-Anlagen des Landes gedroht, falls ihr festgenommener Anführer Mujahid Dokubo-Asari nicht freigelassen wird.

In den USA haben die Ölfirmen im großen Stil Personal von den Förderplattformen im Golf von Mexiko evakuiert, 73 Prozent der Förderung liegen still. Von den 18 Raffinerien an der texanischen Küste sind neun bereits geschlossen. Auch der Bayer-Konzern und seine Chemie-Abspaltung Lanxess schlossen vorsorglich ihre Anlagen im texanischen Baytown. Das belastete die Aktien.

Die Internationale Energieagentur (IEA) versuchte, die Lage zu entspannen. Wenn es wegen „Rita“ zu Versorgungsengpässen kommen sollte, sei die IEA bereit, weitere Ölreserven auf den Markt zu werfen, hieß es. Allerdings wolle man erst abwarten, ob der Wirbelsturm überhaupt Ölanlagen beschädigt.

Langfristig sind die weltweit bekannten Ölreserven laut IEA ausreichend. Die Produzenten müssten jedoch binnen 30 Jahren fünf Billionen Dollar investieren, um alle nachgewiesenen Reserven wirtschaftlich fördern zu können. Dann könnte der Ölpreis auch wieder sinken. Bei unveränderter Energiepolitik wird die Nachfrage nach Öl laut IEA bis 2030 um 70 Prozent steigen, die Produktion der alten Quellen hingegen werde jährlich um fünf Prozent sinken.

Wie oft in Krisenzeiten stieg am Donnerstag die Nachfrage nach Gold. Der Preis für eine Feinunze kletterte von 469,90 auf 473,75 Dollar. Die Rendite auf zehnjährige Bundesanleihen hingegen fiel zum ersten Mal auf unter drei Prozent.

Unterdessen wird das Ausmaß der Schäden durch den Sturm „Katrina“ immer sichtbarer. Der Ratingagentur Standard & Poor’s zufolge könnte „Katrina“ zum teuersten Schadensfall werden, den die internationale Versicherungswirtschaft je erlebt hat. Selbst wenn von den unteren Schätzungen von rund 35 Milliarden Dollar ausgegangen werde, sei dies fast doppelt so viel wie nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Der deutsche Rückversicherer Münchener Rück hingegenwolltesich zurSchadenssumme durch „Katrina“ nicht äußern. Marktgerüchten zufolge könnten die Rückstellungen des Unternehmens für diese Schäden bis zu 1,2 Milliarden Euro betragen. Die Münchener Rück selbst nannte bisher einen Betrag von 400 Millionen Euro.

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