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Robowatch

© Mike Wolff

Robowatch: Künstliche Intelligenz im Dienste des Menschen

Robowatch aus Berlin-Pankow entwickelt Roboter mit künstlicher Intelligenz, die schon zur Fußball-WM 2006 als Nachtwächter arbeiteten. Jetzt ist ein neues Betätigungsfeld geplant.

Wachmann Mosro ist wahrscheinlich der ungewöhnlichste Mitarbeiter, den ein Sicherheitsdienst engagieren kann: Er misst gerade mal 118 Zentimeter, wiegt 25 Kilogramm und besteht vorwiegend aus einer metallfarbenen Plastikhaut, Elektrochips und Kabeln. Sein Körper erinnert an eine schmal geschnittene, rechteckige Tonne, statt eines Kopfes trägt er eine knallrote Signalleuchte auf dem Rumpf. Wachmann Mosro ist ein Roboter. Der Kasten auf Rädern funktioniert vollelektronisch, arbeitet maximal 14 bis 16 Stunden am Stück, bevor er sich für einige Stunden zurückzieht und neue Lebenskraft aus dem 220-Volt- Stromnetz saugt. Sein Revier: Lagerhallen, Rechenzentren, Kunstausstellungen – überall dort, wo mobiles Wachpersonal gebraucht wird.

Bevor Mosro seinen Dienst aufnehmen kann, wird seine Route vom Wachschutz programmiert. Erkennt er mit seinem eingebauten Infrarotsensor einen Eindringling, gibt der Roboter per Funk Alarm – und wartet auf Verstärkung aus der Leitzentrale. Eingesetzt wurde Mosro (das steht für mobiler Sicherheitsroboter) bereits auf Großveranstaltungen, zuletzt bei der Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr. Im Olympiastadion streifte er nachts zwischen den VIP-Shuttles in der Garage umher, um die Fahrzeuge vor Manipulationen zu schützen.

Entworfen und programmiert werden die Sicherheitsroboter von der Firma Robowatch Technologies GmbH in Berlin-Pankow. Dann setzen Fachleute aus Jena und Korea die Elektroteile zusammen. Jens Hanke gründete Robowatch im Oktober 2000. Heute arbeiten 45 Mitarbeiter in Pankow – Entwickler, Ingenieure, Informatiker, Programmierer und Designer. Geschäftsführer Hanke rechnet für das kommende Jahr erstmals mit einem Umsatz im zweistelligen Millionenbereich. Mehr will er nicht verraten.

Mosro gäbe es nicht ohne einen Jugendtraum: „Ich wollte schon immer einen Roboter bauen, seit meiner Kindheit“, sagt Hanke. Während des Studiums reichte das Fachwissen nicht – nach Abschluss und Promotion war es die Zeit, die fehlte. Hanke arbeitete als Bioinformatiker in der Genom-Forschung. „Mit Robotik hatte das nichts zu tun“, sagt er.

Doch Chromosomen und DNA-Sequenzen konnten ihn nicht halten, der Jugendtraum war stärker: Hanke kündigte 1999, zog sich in seinen Keller zurück und begann mit der Arbeit. Noch im selben Jahr stand der Prototyp. Der Forscher bewarb sich beim Businessplan-Wettbewerb der Investitionsbank Berlin – und gewann. „Eigentlich wollte ich nur einen Roboter bauen, der selbstständig durch Wohnungen fährt und mit den Menschen spricht – einfach zur Unterhaltung“, sagt er. „Die Idee, den Roboter als Werkzeug für Sicherheitsdienste einzusetzen, kam erst später, als ich den Businessplan entwarf.“ Rund 350.000 Euro an Fördergeldern bekam Hanke als Sieger des Wettbewerbs. Damit produzierte er die ersten Geräte für einen Kölner Sicherheitsdienst. In den folgenden Jahren wurde die Technik immer ausgefallener: Robowatch entwickelte Ofro, einen Sicherheitsroboter für Außeneinsätze. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Mosro erinnert sein Aussehen an einen Spielzeugpanzer. Das Gefährt wiegt 65 Kilo und ist mit Kettenrädern, GPS-Satellitensystem und modernster Sensortechnik ausgestattet. „Der Roboter erkennt die Umrisse von Menschen und kann sie von Tieren oder anderen beweglichen Gegenständen unterscheiden“, erklärt Benjamin Stengl vom Robowatch-Team. Ausgestattet mit künstlicher Intelligenz kann Ofro nicht nur Liegenschaften, Tanklager und Abstellflächen für Flugzeuge eigenständig sichern, sondern auch vom Militär eingesetzt werden.

Über Roboter beim Militär spricht Jens Hanke ungern. „Unsere Plattformen sind nicht bewaffnet, werden es auch in Zukunft nicht sein“, sagt er. „Wir wollten von Anfang an Roboter entwickeln, um die Menschen zu entlasten.“ Elektronische Dienstleister sollen sie sein: Mit Geigerzählern ausgestattet können sie in Kraftwerken und Forschungslaboren die nukleare Strahlenbelastung überwachen. Roboter mit Greifarmen können die Papierkörbe auf Flughäfen kontrollieren und potenziell gefährliche Gegenstände wie herrenlose Koffer aus dem Weg räumen. Doch ein Rest Unmut bleibt: Dass Terrorabwehrtechnik auch zum Terror verwendet und Forschung über künstliche Intelligenz für bewaffnete, militärische Operationen missbraucht werden könnte, bestreitet Hanke nicht.

Die Robowatch-Entwickler arbeiten lieber an ihren positiven Visionen: In ferner Zukunft möchte man einen elektronischen Butler konstruieren, der sich wie ein Mensch fortbewegt. „Nur ist die Technik für komplexe Bewegungsabläufe noch nicht reif“, sagt Stengl. „Allein die Akkus wären nicht stark genug, um die Hightechgeräte mit Strom zu versorgen.“ Auch unterhalten kann man sich heute mit den Robotern noch nicht – „obwohl sie uns manchmal wie Haustiere vorkommen, wenn sie durch die Räume fahren“, sagt Stengl. „Im Team nennen wir sie: unsere Robbies.“

Philipp Eins

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