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Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer, 43, will mit seinen Firmenbeteiligungen in den nächsten Jahren 25 bis 40 Prozent wachsen.

© Reuters

Rocket Internet auf Wachstumskurs: Die Sendung mit dem Samwer

Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer muss seinen Aktionären einen Millionenverlust erläutern. Das macht er behutsam im Erklärbär-Ton - und weckt damit Hoffnungen.

Für einen Oberlehrer ist Oliver Samwer viel zu gut angezogen, er trägt schicke Lederschuhe, ein blaues Hemd, dunklen Anzug, dennoch gleicht die nächste halbe Stunde einem Schulunterricht, auf dem Stundenplan: „Was macht Rocket Internet?“. Samwers Schüler: Die Aktionäre der seit Oktober 2014 börsennotierten Start-up-Schmiede aus Berlin.

Die erste Hauptversammlung im neuen Hauptquartier

Rund 80 Anteilseigner sind an diesem Donnerstagvormittag zur zweiten Hauptversammlung des Unternehmens gekommen, zum ersten Mal ist in den „Rocket Tower“ geladen worden, die neue Hauptzentrale im ehemaligen GSW-Gebäude an der Charlottenstraße, einen Steinwurf vom Checkpoint Charlie entfernt. Die Mitarbeiter werden hier erst Ende August einziehen, die Aktionäre dürfen sich heute schon einmal umsehen im Sitzungssaal, einem hohen Raum, mit Säulen aus Beton, holzverkleideten Wänden, die großen Fenster lassen viel Licht herein – eine Transparenz, die bei Rocket Internet von Kritikern vermisst wird.

Samwers Vortrag hat "Sendung mit Maus"-Qaulität

Samwer, 43, hält nun dagegen mit einem Vortrag, der fast schon „Sendung mit der Maus“ -Qualitäten hat. Dass Rocket im vergangenen Geschäftsjahr einen Verlust von fast 200 Millionen Euro verbuchen müsste, werden am Ende jedoch nicht alle seine Schüler nachvollziehen können.
„Vielen ist nicht klar, was wir eigentlich machen“, sagt Samwer, statt einem Rohrstock hat er eine kleine Fernbedienung in der Hand, mit der er viele bunte Charts auf die Leinwand wirft. „Es ist unsere Kernkompetenz, frühzeitig Geschäftsmodelle zu identifizieren“, erklärt Samwer deshalb. Entweder werde baue Rocket dann selbst eine Firma auf oder investiere frühzeitig in ein Unternehmen. Beides mache Rocket "sehr erfolgreich.

Online-Modehändler Zalando gehört zu den bekanntesten Beteiligungen von Rocket Internet.
Online-Modehändler Zalando gehört zu den bekanntesten Beteiligungen von Rocket Internet.

© Britta Pedersen/dpa

Darüber lässt sich allerdings streiten. Allein 2015 verbrannten die Rocket-Beteiligungen mehr als eine Milliarde Euro, es war das Jahr mit den höchsten Verlusten in der Geschichte des 2007 gegründeten Unternehmens, das in 110 Ländern mehr als 36 000 Mitarbeiter beschäftigt, zu den bekanntesten Rocket-Firmen in Deutschland gehören beispielsweise die Essenslieferdienste Hello Fresh, Delivery Hero und Foodpanda, die Einrichtungsplattformen Home24 und Westwing und allen voran der Online-Modehändler Zalando – bisher schreibt keines der Start-ups schwarze Zahlen.

Dennoch waren die Erwartungen an den Börsengang des Unternehmens groß, doch am Donnerstag kostete die im schwach regulierten Entry Standard notierte Rocket-Aktie rund 19 Euro und damit nicht einmal halb so viel wie zum Start 2014.

"Den Kurs schaue ich mir an, wenn mir langweilig ist"

Die Börsenkurse interessieren ihn jedoch nur wenig, hatte Samwer am Tag zuvor auf der Internet-Konferenz Noah gesagt, wo er eher den rotzigen Lümmel von der letzten Bank gab: Er schaue sich den Preis etwa nur alle zwei Wochen an, „wenn mir langweilig ist und ich in einer Schlange anstehen muss.“

"Den Börsenkurs schaue ich mir nur an, wenn mir langweilig ist". Bei der Internet-Konferenz Noah machte Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer markigere Sprüche als tags darauf bei der Hauptversammlung seines Unternehmens.
"Den Börsenkurs schaue ich mir nur an, wenn mir langweilig ist". Bei der Internet-Konferenz Noah machte Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer markigere Sprüche als tags darauf bei der Hauptversammlung seines Unternehmens.

© Britta Pedersen/dpa

Aktionäre kritisieren, dass falsche Erwartungen geweckt worden sind

Für die Aktionäre sind solche Aussagen wenig nachvollziehbar. Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger kritisiert Samwer bei der Hauptversammlung deutlich: Der Emissionspreis sei zu hoch angesetzt worden, das Unternehmen habe damit „bewusst oder unbewusst falsche Erwartungen“ bei den Aktionären geweckt. Samwer widerspricht, wieder im Erklärbär-Ton: Rocket Internet sei doch noch „ein Börsen-Baby“, gemessen an der wirtschaftlichen Lage und der Wettbewerbsposition entspreche „der Aktienkurs nicht dem fairen Wert des Unternehmens, das ohnehin noch am Anfang stehe. „Die beste Zeit kommt noch“, betont Samwer, „auf Dekaden gemessen.“

Drei Beteiligungen sollen 2017 die Gewinnschwelle knacken

So lange müssten sich die Aktionäre aber nicht gedulden, bis sie erste Ergebnisse sehen. Im laufenden Jahr stehe die Verbesserung der Profitabilität im Vordergrund. Ziel sei, dass mindestens drei Beteiligungen im vierten Quartal 2017 die Gewinnschwelle knacken. Im ersten Quartal 2016 ist der Umsatz der größten Beteiligungen um rund 34 Prozent geklettert und damit deutlich schwächer als im Vorjahreszeitraum. Der geplante Börsengang von Hello Fresh wurde abgesagt. „Das Internet ist ein Bereich, in dem man gewinnt, aber auch mal verliert“, erläutert Samwer. „Die meisten Unternehmen werden nichts“, diesen Satz sagt er gleich zweimal, damit ihn auch all seine Schüler verstehen.

Eine Dividendenzahlung ist vorerst unwahrscheinlich

Rocket werde nie ein Unternehmen sein, bei dem man drei Zahlen anschaue und es bewerten könne. Dafür aber ein Wachstumsunternehmen, „und zwar eines der wenigen in der Welt.“ Um 25 bis 40 Prozent werde die Start-up-Schmiede in den nächsten Jahren wachsen. Eine Dividendenzahlungen an die Aktionäre sei vorerst jedoch „sehr unwahrscheinlich“, um das hohe Wachstumstempo beibehalten zu können. Seine Aussage von Mittwoch nimmt er dann aber doch noch kleinmütig zurück: Tagsüber beschäftige er sich mit den Unternehmen, „nachts gehe ich nach Hause und schaue ich mir den Aktienkurs an“. Ein Lehrer muss schließlich Vorbild sein.

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