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Dirk Roßmann erwartet für sein Unternehmen in diesem Jahr mindestens 5,6 Milliarden Euro Umsatz – das wäre ein Plus von mehr als zehn Prozent.

© picture alliance / dpa

Rossmann-Chef Dirk Roßmann: "Für Schlecker wird es ein schwerer Weg"

Dirk Roßmann, Gründer der Drogeriemarktkette Rossmann, über die Pleite des Konkurrenten, eigene Expansionspläne, den Preiskampf in der Branche und die Konjunktur insgesamt.

Herr Roßmann, wann waren Sie zum letzten Mal bei Schlecker einkaufen?

Ich habe noch nie bei Schlecker eingekauft, aber ich gehe häufig in Schlecker-Läden, weil mich interessiert, wie der Wettbewerber aufgestellt ist. Wenn ich auf einer meiner Filialtouren bin, gehe ich auch zu dm. Ich sehe mir dann an, was die Läden anbieten und wie die Mitarbeiter sich verhalten.

Wenn Sie die Läden so gut kennen, glauben Sie, dass Schlecker die Wende schaffen kann?

Für den Insolvenzverwalter oder den neuen Geschäftsführer wird es ein schwerer Weg. Die Entscheidung, die Herr Geiwitz getroffen hat, 2500 Läden zu schließen, war richtig. Aber auch für die verbliebenen Läden wird es nicht einfach, weil im Drogeriegeschäft ein harter Wettbewerb herrscht. Selbst wenn Schlecker jetzt alles richtig macht, ist die Konkurrenz heute an allen wichtigen Standorten schon etabliert. Als wir in den 70er Jahren expandiert haben, waren wir in vielen Lagen noch alleine vertreten.

Sie haben 40 Jahre Erfahrung im Drogeriegeschäft und kennen Anton Schlecker gut. Was raten Sie der Familie?

Ich kann keinen Ratschlag geben. Wichtig sind gute Standorte und große Verkaufsflächen. Aber das weiß die Familie selbst. Schließlich sind die Schleckers seit 37 Jahren im Geschäft.

Können Sie sich immer noch vorstellen, Filialen von Schlecker zu übernehmen? Besonders im Süden ist Rossmann ja schwächer vertreten.

Die meisten Läden von Schlecker sind für Rossmann nicht interessant. Sie sind durchweg zu klein. Es entspricht nicht unserem Konzept, auf 200 Quadratmetern einen Drogeriemarkt zu führen. Außerdem sind die Schlecker-Standorte häufig schon besetzt, von dm, Müller oder auch von uns. Wir haben uns alle Läden angesehen und sind zu dem Schluss gekommen, dass maximal 50 bis 80 Geschäfte für uns interessant sind.

In welchen Regionen?

Querbeet, von Lübeck bis München.

Haben Sie dem Insolvenzverwalter schon ein Angebot gemacht?

Im Moment möchte ich dazu keine Stellung nehmen.

Können Sie sich vorstellen, einen Teil der Mitarbeiter aufzunehmen, die nun bei Schlecker ihren Job verlieren?

Durchaus. Wir eröffnen im Jahr rund 100 neue Märkte und stellen dabei etwa 1000 neue Mitarbeiter ein. Da werden sicher auch Schlecker-Mitarbeiter dabei sein. In ganz Deutschland ist die Nachfrage nach Arbeitskräften im Einzelhandel hoch. Deshalb werden die Schlecker-Beschäftigten gute Chancen haben, einen neuen Job zu finden. In einigen wenigen Gebieten in Ostdeutschland könnte es etwas schwieriger werden. Aber wir haben im süddeutschen Raum regelrecht Schwierigkeiten, genügend Mitarbeiter zu bekommen. In München müssen wir schon deutlich über Tarif zahlen. Deshalb kann ich die Diskussion, die Verdi gerade bei Schlecker führt, nur schwer nachzuvollziehen.

Mit der neuen Filialzahl und der Modernisierung passt sich Schlecker stärker dem Konzept von dm und Rossmann an. Wird das Unternehmen nach der Sanierung ein gefährlicherer Konkurrent als früher sein?

Das ist unwahrscheinlich, da müsste Schlecker sein Konzept stark überarbeiten. Wir haben völlig andere Sortimente und ein anderes System.

Hätte Anton Schlecker wie Sie früher auf einen Investor setzen sollen?

Es geht nicht nur ums Geld. Wenn Sie das richtige Konzept haben, dann kommen die Umsätze von alleine. Und bei Schlecker hat das Konzept einfach nicht mehr gestimmt.

Sie haben seit 2002 die Firma Hutchison Whampoa als Miteigentümer.

Ohne mein Zutun. Seit 1979 war bei uns die Hannover Finanz beteiligt. 2002 hat die Hannover Finanz ihren Anteil an das Hongkonger Unternehmen Hutchison verkauft. Die operative Führung liegt aber zu 100 Prozent bei der Familie Roßmann.

Welche Pläne hat Roßmann für Rossmann hat

2011 ist Rossmann erneut gewachsen. Was erwarten Sie für 2012?

Die ersten beiden Monate des Jahres sind sehr gut gelaufen. Für das laufende Jahr erwarten wir mindestens 5,6 Milliarden Euro Umsatz, das ist ein Wachstum von gut zehn Prozent. Nach der Schrumpfung von Schlecker sind wir nun eindeutig Deutschlands zweitgrößtes Drogeriemarktunternehmen nach dm.

Wann wird Rossmann dm überholen?

Es ist nicht mein erstes Ziel, die Nummer eins zu sein. Wichtig ist, dass wir Freude an unserer Arbeit haben, dass die Mitarbeiter gerne für uns arbeiten und dass wir Geld verdienen. Ein Unternehmen muss auf gesunden Beinen stehen. Ich finde es viel spannender, die Nummer zwei zu sein und die Nummer eins zu jagen. Wichtig ist aber, dass wir auf Augenhöhe mit dm bleiben. Ich rechne damit, dass dm in diesem Jahr 6,7 Milliarden Euro Umsatz macht. Davon sind wir gar nicht so weit entfernt.

Wie sehr fürchten Sie wegen der Krise einen Einbruch des Konsums?

Überhaupt nicht. In Deutschland haben wir eine Sonderkonjunktur, unsere Wirtschaft ist bärenstark. Das heißt auch, dass unsere Politiker – Schröder und auch Merkel – einen guten Job gemacht haben. Die Leute kaufen, die Stimmung ist gut.

Drogeriemärkte scheint es bereits an jeder Ecke zu geben. Wo ist überhaupt noch Spielraum für Expansion in Deutschland?

Drogeriemärkte gibt es überall, aber es gibt noch nicht überall Rossmann. In Hannover haben wir 40 Geschäfte, aber in Stuttgart nur fünf. Es gibt noch viele Regionen, wo wir wachsen müssen, zum Beispiel im Saarland.

Und in Berlin?

Auch in Berlin machen wir weiter neue Märkte auf. Wir nehmen jeden guten Standort. Allerdings ist es schwer, in Berlin an große Ladenlokale mit mehr als 600 Quadratmetern Fläche zu kommen.

Rossmann bietet nicht nur Drogerieartikel an, sondern auch Wein, Schreibwaren und Lebensmittel. Mit welchem Segment verdienen Sie am meisten?

Bei dekorativer Kosmetik, Lippenstiften oder Nagellacken haben wir gute Gewinnspannen. Oder wenn Sie eine Kulturtasche, Haarspangen oder eine Lesebrille bei uns kaufen. Aber an den meisten Drogerieartikeln verdienen wir so gut wie nichts – Toilettenpapier, Windeln, Taschentücher, Shampoo – alles knapp kalkuliert.

Wie gut verdienen Sie mit den Eigenmarken?

Die Eigenmarken sind extrem wichtig für uns. Erstens gibt es sie nur bei Rossmann, der Kunde muss also wieder zu uns zurückkommen. Zweitens sind hier die Margen gut, weil zum Beispiel keine Werbekosten anfallen. Mit den Eigenmarken sind wir regelrechte Preisbrecher, weil wir hohe Qualität für wenig Geld anbieten.

Ist der Preiskampf in der Branche in Deutschland zu hart?

Wir haben in Deutschland die niedrigsten Verkaufspreise für Markenartikel in der ganzen Welt. In der Nähe von Österreich, der Schweiz und Frankreich haben wir Märkte mit traumhaften Umsätzen, weil alle über die Grenze fahren, um in Deutschland einzukaufen. Und dennoch haben wir 2011 in Europa rund 100 Millionen Euro nach Steuern verdient. Der Preiskampf kann also nicht zu hart sein. Allerdings haben wir auch rund 100 Standorte, die nicht profitabel sind, weil dort zu viele Drogeriemärkte konkurrieren.

Billigpreise und faire Löhne?

Aber die Hersteller klagen über die Billigpreise im Handel.

Das ist Unsinn. Im Handel macht der Gewinn fast nie mehr als zwei Prozent des Umsatzes aus, aber bei Firmen wie L’Oréal, Procter und Gamble oder Beiersdorf liegt er bei zehn Prozent! Aber da wollen wir auch gar nicht hin. Zweistellige Gewinne im Einzelhandel fände ich unsozial. Denn es ist die Aufgabe der Branche, die Menschen mit preiswerten Produkten zu versorgen – auch die, die wenig verdienen.

Rossmann ist in Europa besonders in Ländern außerhalb der Euro-Zone aktiv. Lässt sich im Ausland mehr verdienen?

Europäische Märkte wie Frankreich oder Spanien sind gesättigt. Aber als vor 20 Jahren die Grenzen gen Osten geöffnet wurden, waren die Märkte noch unerschlossen. Deshalb sind wir nach Polen, Ungarn, Tschechien und Albanien gegangen. Neuerdings sind wir in der Türkei, da gab es vorher gar keine Drogeriemärkte. Allerdings müssen wir dort erst mal die Kunden dazu bringen, ihre Einkaufsgewohnheiten zu ändern.

Im Gegensatz zu Schlecker finden sich Rossmann und dm gerade in guten Innenstadtlagen. Wie sehr machen Ihnen die steigenden Mieten zu schaffen?

Bei uns steigen die Mieten nicht stark. Wir haben Zehnjahresverträge, die an die Inflationsrate gekoppelt sind. Noch haben wir da keine Probleme.

Wollen Sie auch wie Schlecker aufs Land?

Nein. Für uns lohnen sich Drogeriemärkte erst ab Orten mit 10 000 Einwohnern. Alles darunter kommt für uns nicht infrage.

Schlecker wurde immer wieder wegen des Umgangs mit Gewerkschaften kritisiert. Auch Rossmann hat keinen Tarifvertrag.

Das stimmt, aber wir zahlen immer mindestens Tarif – oft auch darüber. Wir arbeiten gut mit unseren Betriebsräten zusammen, und unsere Mitarbeiter bekommen neben dem Gehalt noch zahlreiche Zuwendungen wie Jubiläums- und Geburtstagsgratifikationen. Die Zufriedenheit im Unternehmen ist hoch.

Bei Schlecker könnten nun die Kinder an der Spitze folgen. Wann steht bei Ihnen ein Generationenwechsel an?

Rossmann wird im Team geleitet, ich sage nicht allein, wo es langgeht. Meine beiden Söhne und meine Frau sind auch in der Firma aktiv, wir sind also ein richtiges Familienunternehmen. Ich kümmere mich um die Finanzen und die Expansion. Es wird aber keinen Stichtag geben, an dem ich meinen Söhnen sage, jetzt seid ihr die Chefs. Stattdessen wird der Papa immer ein bisschen weniger machen. Aber im Moment gibt es für mich noch genug zu tun.

ZUR PERSON

Der Kaufmann

Dirk Roßmann wurde 1946 in Hannover geboren. Seine Eltern führten dort eine Drogerie. Mit 14 Jahren machte Roßmann nach der Volksschule eine Ausbildung zum Drogisten. An den Ruhestand denkt der Gründer der Drogeriemarktkette Rossmann noch nicht. Seine Söhne und seine Frau unterstützen ihn aber schon heute in der Geschäftsführung.

Die Drogerie

1972 eröffnete Dirk Roßmann in Hannover den ersten Selbstbedienungs-Drogeriemarkt Deutschlands. Heute betreibt die Firma 1600 Märkte hierzulande und ist mit einem Umsatz von 5,1 Milliarden Euro die Nummer zwei der Branche. Insgesamt beschäftigt Rossmann, das auch in Osteuropa und der Türkei vertreten ist, mehr als 30 000 Mitarbeiter. Der Hongkonger Konzern Hutchison Whampoa ist mit 40 Prozent beteiligt.

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