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Wirtschaft: Rot-Grün will Rente erst mit 67 Jahren

Rürup-Kommission empfiehlt 2004 Nullrunde bei Altersbezügen /Beiträge könnten noch bis auf 22 Prozent steigen

Berlin (ce). Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) will das gesetzliche Renteneintrittsalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre anheben. Das sei „ein gangbarer Weg“, kommentierte Schmidt einen entsprechenden Vorschlag der RürupKommission. Die Experten empfahlen der Bundesregierung darüber hinaus, mit einem neuen „Nachhaltigkeitsfaktor“ den Anstieg der Renten in den kommenden 30 Jahren zu dämpfen. Damit soll der Beitrag langfristig nicht über 22 Prozent steigen. Ohne die Korrekturen drohe 2030 ein Beitrag von gut 24 Prozent. Die Gewerkschaften fürchten eine „neue Armutsfalle“.

CDU-Sozialexperte Andreas Storm sagte dem Tagesspiegel, ein Beitragssatz von 22 Prozent im Jahr 2030 sei immer noch „deutlich zu hoch“. Auf Drängen der Sozialministerin präsentierte die Rürup-Kommission am Donnerstag erste Rentenreform-Vorschläge. Für den SPD-Sonderparteitag am 1. Juni will Schmidt eine Diskussionsgrundlage haben. Das erhöhte Arbeitstempo stieß vor allem bei den Gewerkschaftern nicht auf Gegenliebe. „Das seltsame Vorgehen ärgert mich“, schimpfte IG Bau-Chef Klaus Wiesehügel.

Rürup schlägt im wesentlichen drei Änderungen vor: Ab dem Jahr 2011 soll das Renteneintrittsalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben werden – pro Jahr um einen Monat. Damit könne die steigende Lebenserwartung ausgeglichen werden, argumentiert Rürup. Zwischen 2000 und 2030 würden Männer im Schnitt um 2,6 Jahre älter, Frauen um 3,1 Jahre. Nach Ansicht der Sozialministerin erfordert die allmähliche Verlängerung der Lebensarbeitszeit jedoch Härtefallregelungen, sowie eine andere Einstellungspolitik der Unternehmen. Diese müssten ihren „Jugendlichkeitswahn“ beenden.

Zweitens fordert die Kommission einen „Nachhaltigkeitsfaktor“ ab 2005. Dieser spiegelt das sich ändernde Verhältnis zwischen Rentnern und Beitragszahlern wider: Steigt die Zahl der Rentner, dämpft das automatisch den Rentenanstieg. Drittens will die Kommission die Berechnungsgrundlage für die Rentenanpassung ändern. Die Ausgaben sollen sich stärker nach den Einnahmen richten. Nach Berechnungen der Experten wird das Bruttorentenniveau damit bis zum Jahr 2030 um etwa 90 Euro weniger steigen als nach bisherigem Recht. „Pro Jahr sind das nur ein paar Cent“, rechnet der Mannheimer Professor Axel Börsch-Supan vor.

Diese Annahmen bezweifeln die Gewerkschaften: Wenn die Menschen nicht bis zum Alter von 67 Jahren arbeiteten und die private Riester-Rente nicht stärker in Anspruch genommen werde, drohe eine „drastische Absenkung“ des Rentenniveaus, befürchtet die Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Ursula Engelen-Kefer. Viele Menschen könnten derzeit allein körperlich nicht so lange arbeiten, kritisiert IG Bau-Chef Wiesehügel. In seiner Branche seien die Arbeiter schon mit 54,4 Jahren erwerbsunfähig oder fänden keinen Job mehr.

Um die Rentenbeiträge auch kurzfristig zu stabilisieren, empfiehlt die Rürup-Kommission der Bundesregierung darüber hinaus, die Rentenanpassung von der Jahresmitte 2004 um ein halbes Jahr zu verschieben. Der Beitragssatz könnte damit um 0,2 Punkte gesenkt werden. Derzeit liegt der Beitragssatz bei 19,5 Prozent. Zum Jahresende droht bei schlechter Konjunkturentwicklung ein Anstieg auf 19,9 Prozent.

Unabhängig von den geplanten Reformen können sich nach einem Urteil des Bundessozialgerichts in Kassel mehr als 100 000 Rentner in den neuen Ländern über eine höhere Rente freuen. Rentenbezieher, die neben einer Alters-, Erwerbsunfähigkeits- oder Hinterbliebenenrente gleichzeitig eine Unfallrente bekommen, dürfen einen größeren Teil ihrer Unfallrente als bisher behalten. Das gilt rückwirkend bis Januar 1999.

Brillengläser selbst zahlen

Ulla Schmidt konkretisierte auch ihre Pläne für die Gesundheitsreform: Brillengläser für leichte Sehstörungen sollen Patienten in Zukunft komplett aus eigener Tasche bezahlen, sagte die Ministerin am Mittwochabend in der ARD. Wenn ein Versicherter ohne Überweisung einen Facharzt aufsucht, soll er eine Praxisgebühr in Höhe von 15 Euro im Quartal zahlen. Langfristig sollten auch auf Miet- und Zinserträge Kassenbeiträge erhoben werden. Junge Menschen sollen länger bei AOK und Co. gehalten werden, indem die Versicherungspflichtgrenze, ab der ein Wechsel zu den Privaten möglich ist, auf lange Sicht weiter angehoben werde.

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