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Wirtschaft: Roulette an der Börse

Nach dem Schwarzen Freitag - dem Börsen-Desaster von 1929 - hätten, so behaupten böse Zungen, amerikanische Anleger an den Hochhäusern Schlange gestanden.Sie wollten sich in die Tiefe stürzen.

Nach dem Schwarzen Freitag - dem Börsen-Desaster von 1929 - hätten, so behaupten böse Zungen, amerikanische Anleger an den Hochhäusern Schlange gestanden.Sie wollten sich in die Tiefe stürzen.Denn viele Aktienspekulierer hatten sich hoch verschuldet, um sich mit den hochgelobten Aktien einzudecken.Die Strategie lief schief.Als die US-Notenbank dann nach dem Crash auch noch die Zinsen erhöhte, trieb das die Schulden der Anleger in die Höhe.

Karl Matthäus Schmidt, Geschäftsführer bei Consors, rät denn auch zur Vorsicht.Nur erfahrene Anleger sollten sich auf das Risiko der Kreditfinanzierung von Wertpapieren einlassen.Wer nur Hausse-Zeiten kenne, so wie die meisten jungen Anleger heutzutage, gehe leicht ein Risiko ein, das er später bereue.Außerdem sollten über das Wertpapierdepot hinaus Vermögenswerte vorhanden sein.Im Zweifel könne der Anleger dann nachschießen ohne dabei seine Existenz zu gefährden, sagt Schmidt.

Die Versuchung ist groß.Denn wer Wertpapiere besitzt, kann sich preiswert verschulden.Direktbanken beleihen die Depots ihrer Kunden zu außerordentlich günstigen Konditionen: Je nach Kreditsumme oder Depotvolumen schwanken die Zinssätze zwischen 4,75 und sechs Prozent.

Die Beleihungsgrenzen variieren mit dem Risiko der Titel.Für DM-Anleihen öffentlicher Schuldner beispielsweise gibt es bis zu 90 Prozent des jeweiligen Kurswertes.Am anderen Ende der Skala rangieren ausländische Aktien, für die sich etwa die Comdirect Bank nur mit 30 Prozent ins Kreditrisiko begibt.Generell gilt: Je weniger Risiko im Depot steckt, desto weiter ist der Kreditspielraum des Anlegers.

Der Anleger zahlt den günstigen Kreditzins und engagiert sich auf Pump an den Aktienmärkten, an denen zum Teil traumhafte Renditen locken.Die Hebelwirkung ist enorm, die Gewinnchance riesig.Bei normaler Zinsstruktur kann es sich auch anbieten, höher verzinsliche, langfristige Papiere mit kurzfristigen Krediten zu erwerben.Grundsätzlich lohnt sich die Kreditaufnahme so lange, wie das Neuinvestment eine höhere Rendite abwirft, als der Kredit kostet - nach Steuern gerechnet.

Mit der Kreditfinanzierung von Anlagen steigen aber nicht nur die Gewinnchancen, sondern auch die Risiken: Sobald die Direktbanken die Kreditzinsen erhöhen, steigt die Zinslast für den Anleger.Seine Renditerechnung verschiebt sich.

Existenzbedrohend kann es werden, wenn Anleger Aktien kreditfinanzieren und sich die von ihnen favorisierten Werte dann als Flop erweisen.Die Aktie von Computerhändler Escom beispielsweise stürzte von ihrem Höchststand von 30,45 DM im Herbst 1995 binnen Jahresfrist auf unter eine Mark ab.Wer in der Hoffnung auf bessere Notierungen an dem Papier festhielt, endete mit praktisch wertlosen Papieren - und, soweit sie mit geborgtem Geld gekauft waren, einem entsprechenden Schuldenberg.

Die deutschen Direktbanken indes bescheinigen ihren Kunden Besonnenheit im Umgang mit Wertpapierkrediten.Consors-Chef Schmidt: "Wir haben große Depots, die die Vorteile nutzen.Da unterstelle ich Erfahrung."

Die Direktbank-Tochter der Deutschen Bank, die Bank 24, berichtet, die Wertpapierkredite würden in der Regel nicht sehr risikoreich für hochspekulative Werte verwendet.Vielmehr gehe es den Schuldnern darum, in besonderen Börsensituationen für Substanz-Standardwerte kurzfristig zusätzliche Mittel zur Verfügung zu haben.Die Beleihungsgrenzen würden selten voll ausgeschöpft.

MARIETTA KURM-ENGELS, HB

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