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Rücktritt: Atom-Affäre kostet BDI-Hauptgeschäftsführer den Job

Werner Schnappauf muss gehen – nicht nur wegen der Indiskretionen um Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. In den eigenen Reihen heißt es, Schnappaufs Rücktritt sei "zwangsläufig" und "folgerichtig".

Berlin - Am Tag danach herrschte unter Industrie-Managern Einigkeit. „Die einzig mögliche Option“ sei der rasche Rücktritt von Werner Schnappauf (57), dem Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI, gewesen, sagte ein Mitglied des Präsidiums. Die Affäre um die bekannt gewordenen Zitate von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zur Atompolitik sei „einfach nur peinlich“ – für den Minister wie für den BDI. „Es ist nicht nur eine Blödheit, so etwas an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, sondern es überhaupt zu protokollieren“, hieß es.

Er übernehme die Verantwortung für „die Folgen einer Indiskretion, an der ich persönlich nicht beteiligt war, um möglichen Schaden für das Verhältnis von Wirtschaft und Politik abzuwenden“, erklärte Schnappauf am Freitag. Bei seinem Chef, BDI-Präsident Hans-Peter Keitel, hielt sich das Bedauern über die Demission in Grenzen – das Verhältnis der beiden gilt als schwierig. Der Ex-Chef von Hochtief beließ es bei höflichen Floskeln. Er zolle Schnappauf „hohen Respekt für seine Entscheidung“ und dankte ihm „für die vertrauensvolle und erfolgreiche Arbeit“.

Am Tag zuvor war ein Protokoll mit Zitaten Brüderles bekannt geworden, denen zufolge hinter dem Atomkraft-Moratorium der Regierung die Landtagswahlen stünden. Wie verhängnisvoll die Sache für ihn werden würde, ahnte Schnappauf am Donnerstagnachmittag wohl noch nicht. Er sei auf einer Veranstaltung noch „sehr gut gelaunt“ aufgetreten, sagte einer seiner Kollegen. „Mit derartigen Konsequenzen hat er offenbar nicht gerechnet.“

In den eigenen Reihen heißt es, Schnappaufs Rücktritt sei „zwangsläufig“ und „folgerichtig“. Er habe zu viele Fehler gemacht. So habe Schnappauf einen „jungen, unbedarften Bayern zu seinem Büroleiter“ gemacht, hieß es in einem großen Industrieverband, der auch dem BDI angehört. Zudem habe Schnappauf das Protokoll von der Präsidiumssitzung mit Minister Brüderle nicht genau gelesen, bevor er es verschickt habe. Der dritte Lapsus sei dann am Donnerstag passiert, als Schnappauf von einem „Protokollfehler“ gesprochen und dadurch der Geschichte zusätzlich Schwung gegeben habe.

In einem anderen Verband war von „unglaublichem Dilettantismus“ die Rede, und das „ausgerechnet vor Sonntag“. Das Debakel um Schnappauf/Brüderle werde die schwarz-gelbe Regierung in Baden-Württemberg zwischen zwei und vier Prozentpunkte kosten, ärgerte sich ein hochrangiger Wirtschaftslobbyist. Die Verwirrung um die Äußerung Brüderles setzte sich im Übrigen auch am Freitag fort: Ein Teilnehmer der BDI-Präsidiumssitzung mit Brüderle sagte dem Tagesspiegel, der Wirtschaftsminister habe sich definitiv nicht so zum Atommoratorium geäußert, wie es im Protokoll stehe.

Seit Jahren beklagen Wirtschaftsführer einen steten Bedeutungsverlust des einst angesehenen BDI, der mehr als 100 000 Unternehmen mit acht Millionen Beschäftigten vertritt. Schon der Antritt von Schnappauf stand unter keinem guten Stern. Eigentlich hatte der heutige Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) den Job übernehmen sollen. Er wollte aber sein Bundestagsmandat behalten – und blieb dann doch in der Politik. Schnappauf galt mithin nur als zweite Wahl.

Jenseits der aktuellen Aufgeregtheit überwogen in der Wirtschaft die Stimmen, die den Abgang Schnappaufs als Chance sehen. „Er hat es nicht geschafft, den Laden in Ordnung zu bringen“, hieß es in einem BDI-Verband. Und in einem anderen Verband konstatierte ein Kenner der Szene, „Schnappauf hat auch nach ein paar Jahren nicht begriffen, wie Verbände funktionieren“. Binnen weniger Monate habe es etwa zwei Organigramme des BDI gegeben, das eine mit sechs, das andere mit neun Bereichen. „Der hatte keinen Plan“, kommentierte ein Verbandsmann das Wirken des Ex-CSU-Politikers.

Auch gegenüber den anderen Dachverbänden – der sozialpolitisch orientierten Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag – habe Schnappauf den BDI nicht als Truppe mit ordnungspolitischen Grundsätzen profilieren können. „Der weiß gar nicht, wie man Ordnungspolitik schreibt“, ätzte ein Verbandsvertreter. Als Nachfolger komme nur jemand mit Verbandserfahrung infrage. Und niemand aus den eigenen Reihen, denn auch nach Schnappaufs Rücktritt setze sich die hauptamtliche BDI- Führung aus „Laienspielern“ zusammen.

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