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In der Charleston Road in Mountain View, wo Google seinen Hauptsitz hat, knallen wohl die Sektkorken. 2,17 Milliarden Dollar Gewinn konnte Google im dritten Quartal 2010 verzeichnen.

© AFP

Rückzug: Google knickt in China ein

Im März ließ sich Google als Held der Netzfreiheit feiern, als es die selbst auferlegte Zensur in China beendete. Chinesische Nutzer wurden stattdessen auf die Hongkonger Suchseite umgeleitet. Damit ist nun wieder Schluss.

Google rudert zurück. Im Januar hatte der Internetkonzern angekündigt, sich nicht länger der Zensur der chinesischen Regierung beugen zu wollen. Das US-Unternehmen drohte damit, sich aus dem größten und am schnellsten wachsenden Onlinemarkt der Welt zurückzuziehen. Im März folgten Taten: Google leitete alle Suchanfragen vom chinesischen Festland automatisch nach Hongkong um, wo Suchergebnisse unzensiert angezeigt werden können – und brüskierte so Chinas Regierung. Jetzt nimmt Google die automatische Umleitung wieder heraus. Seinem erklärten Prinzip, keine Inhalte selbst zu zensieren, will der Konzern aber treu bleiben.

Google kämpft also doch darum, seine Lizenz zum Betrieb von Internetseiten in China nicht zu verlieren. Die Genehmigung wird jeweils für ein Jahr erteilt und muss bis 30. Juni neu beantragt werden. „Wir wissen aus Gesprächen mit chinesischen Offiziellen, dass sie die Weiterleitung inakzeptabel finden“, schreibt Googles Chefjustiziar David Rummond im Internet. Ob Chinas Regierung sich damit zufriedengibt, dass chinesische Surfer nun nicht mehr automatisch zu den unzensierten Suchergebnisse gelangen, sondern dazu auf einen Link auf der Website klicken müssen, ist fraglich. Für die annähernd 400 Millionen Internetnutzer in China ändert der Umweg über Hongkong sowieso nicht viel. Ihnen werden zwar die Suchergebnisse von Google unzensiert angezeigt. Aber wenn sie Seiten von Menschenrechtsorganisationen, kritischen Medien, dem sozialen Netzwerk Facebook oder dem Videodienst Youtube anklicken, werden diese durch Chinas Zensur blockiert.

„Google macht eine Tür auf, aber direkt dahinter steht eine Mauer“, erklärt Google-Experte Ralf Kaumanns vom Beratungsunternehmen Accenture. Um im Bild zu bleiben: Bei anderen Suchmaschinen in China – wie etwa beim heimischen Marktführer Baidu oder bei Bing von Microsoft – bleibt die Tür von vornherein zu. Kaumanns geht davon aus, dass Google erhebliche Marktanteile in China verloren hat, seit der Streit mit der Regierung eskalierte. Auch viele Werbepartner seien abgesprungen. Genaue Zahlen gibt es dazu vom Unternehmen nicht. „Schätzungen gehen davon aus, dass der Marktanteil von Google bei den Suchanfragen inzwischen unter zehn Prozent liegen könnte“, sagt Kaumanns. Vor dem Streit soll Baidu einen Anteil von 60 Prozent, Google von etwa 25 bis 30 Prozent gehabt haben. „Für Google geht es aber um viel mehr als die Suchmaschine“, sagt Kaumanns. „Die anderen Geschäftsfelder wie Werbevermarktung oder mobile Anwendungen gewinnen immer stärker an Bedeutung. Diesen Geschäften würde der Boden entzogen, wenn Google in China keine Website mehr betreiben dürfte.“ Immerhin rund 700 Mitarbeiter hat Google in China – die meisten in Forschung und Entwicklung. Corinna Visser

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