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Wirtschaft: Rürup verteidigt Kopfpauschalen

Die Kommission für die Reform der Sozialsysteme streitet über die Zukunft der Krankenversicherung

Berlin (ce/fw/anw). Der Vorsitzende der Kommission für die Reform der Sozialsysteme, Bert Rürup, hat sein Modell der Gesundheistprämien verteidigt. „Die Beschäftigungseffekte sind eindeutig positiver als bei der Bürgerversicherung“, sagte er dem Tagesspiegel. Den Vorwurf, die Prämien würden Geringverdiener und Familien stärker belasten, wies er zurück. „Über das Steuersystem lässt sich die Umverteilung gestalten“, sagte er. In der RürupKommission gibt es zwei Modelle für die langfristige Reform der Krankenversicherung: Während Kommissionschef Rürup und andere Wissenschaftler darauf drängen, einkommensunabhängige Gesundheitsprämien nach dem Vorbild der Schweiz einzuführen, fordern der Kölner Gesundheitsökonom Karl Lauterbach und die Gewerkschaftsvertreter die Einführung einer Bürgerversicherung.

Unterstützung erhält Rürup in der Kommission von Josef Schmid, Professor für politische Wirtschaftslehre an der Universität Tübingen. Die Gesundheitsprämien führten zu einem verschärften Wettbewerb zwischen den privaten und gesetzlichen Kassen. So könne die Effizienz des Gesundheitswesens verbessert werden, sagte er dieser Zeitung. Ein weiterer Vorteil der Kopfpauschale sei, dass über das Gesundheitswesen keine Umverteilung mehr stattfinde. „Es gibt schließlich keinen Grund, nicht arbeitende Professoren-Gattinnen wie bisher über die Familienmitversicherung zu subventionieren“, sagt Schmid dieser Zeitung. Zudem sei es problematisch, alle Einkommensarten zu definieren, die zur Finanzierung der Bürgerversicherung herangezogen werden sollen. „Dies wird zu einer Vielzahl von Klagen führen“, prognostiziert Schmid.

Die Bürgerversicherung hat aber auch viele Befürworter in der Rürup-Kommission: „Die Bürgerversicherung entlastet in erster Linie einkommensschwache Familien“, argumentiert Gesundheitsökonom Lauterbach. Sie sorge für mehr Solidarität. Auch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer hegt Sympathien für das Modell. Aber: „Es sollte aber nicht dazu missbraucht werden, von den Schwächen der Gesundheitsreform abzulenken“, erklärte die Gewerkschafterin. „Neben einer Verbreiterung der Einnahmebasis brauchen wir Strukturreformen, die für mehr Effizienz, Transparenz und Wettbewerb im Gesundheitswesen sorgen“, sagte sie dem Tagesspiegel. Sie warnt dabei vor Schnellschüssen: Die gesetzliche Krankenversicherung dürfe nicht von heute auf morgen umgebaut werden. „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.“

Nach Ansicht der Gewerkschafterin würden die von Rürup geforderten Gesundheitsprämien vor allem hohe Einkommen zwischen 60 000 und 120 000 Euro entlasten. „Das hat mit dem Solidargedanken einer Sozialversicherung so wenig zu tun wie ein Kibbuz mit einer Aktionärsversammlung“, erklärte Engelen-Kefer. IG BAU-Gewerkschaftschef Klaus Wiesehügel, der ebenfalls Mitglied der Rürup-Kommission ist, sagte dem Tagesspiegel: „Ich halte die Bürgerversicherung für dringend geboten.“ Es sei nötig, dass jegliche Vollversicherung von der gesetzlichen Kasse übernommen werde, den privaten Kassen sollten die Zusatzversicherungen bleiben. Alles andere sei „purer Luxus“, den sich Deutschland nicht mehr leisten könne, sagte Wiesehügel. Die Kopfpauschalen seien nicht akzeptabel, da sie sich nicht an der Leistungsfähigkeit der Menschen orientierten.

Auch Verbraucherschützerin Edda Müller verteidigte am Montag die Bürgerversicherung. Durch die Einbeziehung von anderen Berufsgruppen würde „eine nachhaltige und gerechte Finanzierung der Krankenversicherung sichergestellt, und die Geringverdiener müssten nicht die gesamte Solidarlast tragen“. Bei den Kopfpauschalen müsse jedes Jahr im Haushalt neu verhandelt werden, welche Zuschüsse den Geringverdienern zustünden, kritisierte die Vorsitzende der Verbraucherzentralen. Das sei ein untragbarer bürokratischer Aufwand – zudem sei es sicher, dass die sozial Bedürftigen dabei schlechter wegkämen.

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