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An einer Einfahrt eines Praktiker-Marktes steht ein Praktiker-Plakat mit einem Kind.

© dpa

Ruin nach Rabattschlacht: Praktiker verschwindet vom Markt

Für die Baumarktkette gibt es keine Zukunft. 5300 Beschäftigte und 130 Märkte stehen nun vor dem Aus. Schon nächste Woche beginnt der Ausverkauf.

Der Betriebsrat von Praktiker ging sofort in die Offensive: „Für keinen von uns ist es zu verstehen, warum tausende Kolleginnen und Kollegen aufgrund katastrophaler Fehlentscheidungen der Geschäftsführungen ihren Arbeitsplatz verlieren“, erklärte Gesamtbetriebsratschef Kai Rosche am Mittwoch. Kurz zuvor hatte die Insolvenzverwaltung des in die Pleite gerutschten Konzerns mitgeteilt, dass in weiteren 130 Märkten der Kette der Ausverkauf beginnt, weil kein Käufer für Praktiker gefunden wurde. „Hier sollen Märkte geschlossen werden, die zum Teil hochprofitabel sind“, klagte Arbeitnehmervertreter Rosche. Die Insolvenzverwaltung, die zwar das Aus der Baumarktkette und der Marke Praktiker bestätigt, versuchte dagegen am Mittwoch, die Gemüter zu beruhigen. Es gebe gute Chancen, dass zahlreiche der 130 Filialen, in denen ab Montag der Abverkauf der Waren startet, unter anderen Marken fortgeführt würden, heißt es in der Mitteilung der vorläufigen Verwalter Christopher Seagon und Jens-Sören Schröder. Ein Insider sagte Reuters, die Interessenten an den Flächen reichten vom Lampenladen bis zur Fast-Food- Kette. Die „Welt“ hatte zudem berichtet, dass einige potentielle Investoren für Max Bahr Interesse an 42 Praktiker-Filialen hätten. Niemand aus diesem Kreis habe jedoch die Warenbeständen von Praktiker haben wollen, die deshalb verkauft würden. Im einzigen Berliner Praktiker- Markt in Wedding läuft der Ausverkauf schon seit Anfang August. Damals hatte die Kette in einer ersten Welle den Räumungsverkauf in 51 Filialen begonnen.

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Der 1978 gegründete Praktiker-Konzern war gemessen an der Verkaufsfläche das drittgrößte Baumarkt-Unternehmen in Deutschland. Aus Sicht von Branchenbeobachtern wurde Praktiker vor allem die zu aggressive eigene Rabattstrategie zum Verhängnis. Das Billigkonzept (“20 Prozent auf alles - außer Tiernahrung“) hatte zwar für Umsatz gesorgt, Praktiker aber tief in die roten Zahlen geführt. Ein verregneter Frühling, der die Kunden ausbleiben ließ, besiegelte dann nach einem langen Überlebenskampf die Insolvenz.

Für die 5330 fest angestellten Mitarbeiter an den betroffenen Standorten, davon 1780 geringfügig Beschäftigte, geht der Betrieb bei Praktiker erstmal normal weiter. Ihnen werde zunächst nicht gekündigt, erklärte die Insolvenzverwaltung. Erst wenn der Investorenprozess abgeschlossen sei, werde eine Entscheidung fallen. Die Gewerkschaft Verdi sprach am Mittwoch von einer „verheerenden Katastrophe“ für die Mitarbeiter. „Es glaubt niemand wirklich, dass die Praktiker-Beschäftigten nach dem Leerverkauf von den neuen Betreibern auch tatsächlich übernommen werden“, erklärte Stefanie Nutzenberger, Verdi-Bundesvorstandsmitglied für den Handel.

Der Insolvenzverwalter müsse sich der Frage stellen, ob er wirklich alle Optionen geprüft habe.
Für Max Bahr geben sich Seagon und Schröder derweil optimistisch. Es gebe für die Praktiker-Tochter mit rund 130 Märkten, die als Ertragsperle des Konzerns gehandelt wird, mehrere Angebote sowohl von strategischen als auch von Finanzinvestoren. Die müssen nun erst mal die Bücher der Kette prüfen. Im ersten Quartal machte Max Bahr einen Umsatz von 204 Millionen Euro und einen operativen Verlust von 37 Millionen Euro. Und die Zeit drängt: Bis Ende September müssten die Verträge mit einem Investor unterzeichnet sein, erklärte Insolvenzverwalter Seagon, „das muss jetzt schnell gehen“. Sonst sei es schwer, die Mietverträge aufrechtzuerhalten.
Die Aktie brach aufgrund der Nachricht der Zerschlagung des 1978 gegründeten Unternehmens am Mittwoch ein: Das im S-Dax notierte Papier verlor zwischenzeitlich 45 Prozent und ist damit nur noch rund vier Cent wert. Auch die Kreditgeber und Lieferanten von Praktiker bangen um ihr Geld. Größte Gläubigergruppe sind die Zeichner einer Unternehmensanleihe über 250 Millionen Euro aus dem Jahr 2011, die mit 5,875 Prozent verzinst werden sollte und nun nicht mehr bedient wird.
Schnäppchenjäger sollten beim Einkauf vorsichtig sein. „Gewährleistungsrechte haben Sie praktisch nicht mehr“, warnt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. Diese müssten Kunden immer beim Händler geltend machen. mit dpa/AFP

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