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Wirtschaft: Russische Kartellbehörde stoppt Siemens

Konzern darf Turbinenbauer nicht übernehmen, will sich aber weiter in Russland engagieren/Analysten erwarten zweiten Anlauf

München/Berlin - Nur zwei Tage, nachdem Bundeskanzler Gerhard Schröder und Russlands Präsident Wladimir Putin auf der Hannover Messe Einigkeit in der deutsch-russischen Industriepolitik demonstriert haben, gibt es bereits einen Rückschlag. Die russische Kartellbehörde untersagte dem Siemens-Konzern am Mittwoch den Einstieg bei dem Turbinenhersteller Silowyje Maschiny – und auch andere Investoren werden derzeit mit schlechten Nachrichten konfrontiert (siehe Kasten). Analysten gehen aber bei Siemens davon aus, dass der Konzern in einem zweiten Anlauf versuchen wird, auf dem russischen Energiemarkt stärker Fuß zu fassen.

Der Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Alexander Rahr, sagte dem Tagesspiegel, in der russischen Regierung bekomme die Fraktion der Geheimdienstler, die gegen das verstärkte Engagement ausländischer Firmen in Russland seien, ein immer größeres Übergewicht. Putin versuche, zwischen den Reformern und den Geheimdienstlern zu balancieren.

Die Anti-Monopolbehörde in Moskau begründete ihr Veto damit, dass der Wettbewerb bei der Energieerzeugung und Rüstungselektronik durch einen Einstieg von Siemens eingeschränkt würde. Außerdem gebe es keine gesetzlichen Regelungen für die Beteiligung ausländischer Konzerne an der russischen Rüstungsindustrie. Silowyje Maschiny macht als Marktführer von Kraftwerkstechnik einen Umsatz von rund 400 Millionen Euro und baut neben Turbinen für Kraftwerke auch Teile für russische Atom-U-Boote.

Seit dem Übernahmeantrag von Siemens im Juli 2004 hatten die russischen Behörden eine Entscheidung mehrmals aufgeschoben. Auch unter den Abgeordneten des russischen Parlaments – der Duma – hatte es massive Vorbehalte gegen den Einstieg von Siemens gegeben, der allerdings von Putin und Schröder im vergangenen Jahr ausdrücklich begrüßt worden war. Der deutsche Technologiekonzern wollte zusammen mit dem Mehrheitseigner von Silowyje Maschiny, der Industrie-Holding Interros, 73 Prozent von der Firma erwerben. Bereits heute hält Siemens fünf Prozent an Silowyje Maschiny.

„Wir bedauern diese Entscheidung“, sagte ein Siemens-Sprecher. Der Konzern wolle aber auf dem russischen Markt weiter aktiv sein. Der neue Konzern-Chef Klaus Kleinfeld hat Russland neben den USA, China und Indien Priorität beim Auslandsgeschäft eingeräumt. Zuletzt hatte er angekündigt, den Umsatz von 1,2 Milliarden Euro in Russland deutlich steigern zu wollen. Kleinfeld hatte schon im vergangenen Jahr intensiv mit der russischen Regierung über das Geschäft mit Silowyje Maschiny verhandelt. Am Montag hatte Siemens wiederum vom geplanten Ausbau der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen profitiert und mit der Russischen Eisenbahn einen Vertrag zur Entwicklung von Schnellzügen geschlossen. DGAP-Experte Rahr schätzt deshalb, dass die Ablehnung der Übernahme von Silowyje Maschiny zum jetzigen Zeitpunkt veröffentlicht wurde, weil man nach dem ICE-Geschäft sicher sein konnte, dass Siemens ruhig hält.

Analyst Roland Pitz von der Hypo-Vereinsbank glaubt, dass bei Silowyje Maschiny „die Tür für Siemens noch nicht verschlossen“ ist. Er hält es für möglich, dass Siemens in einem zweiten Anlauf mit einer auf den Energiebereich reduzierten Beteiligung zum Zug kommt. Pitz glaubt, dass sich ein weiteres Engagement von Siemens lohnen würde. Der russische Energiemarkt biete großes Potenzial. Bei der Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls im Herbst 2004 hatte sich Russland zur Reduktion von Treibhausgasen verpflichtet. Dazu müssen die völlig veralteten Kraftwerksanlagen von Grund auf modernisiert werden. Analyst Theo Kitz vom Bankhaus Merck Finck schätzt, dass Siemens mit der Lieferung von Turbinen und anderer Teile pro Kraftwerk bis zu einer Milliarde Euro umsetzen könnte. Und: „Russland kommt bei der Modernisierung seines Kraftwerksmarktes um Siemens nicht herum.“ Ähnlich sah das auch die Börse. Die Siemens-Aktie verteuerte sich am Mittwoch um mehr als ein Prozent.

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