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Weißes Gold. Entstanden ist der Konflikt, nachdem die Fusion zweier Produzenten von Düngemittel geplatzt ist.

© REUTERS

Russland und Weißrussland: Kali-Streit weitet sich aus

Aus dem Streit zwischen Russland und Weißrussland um Düngemittel ist ein Handelskrieg geworden. Wie es soweit kam.

Man solle das Thema „niedriger hängen und Emotionen besser unter Kontrolle halten“. Mit diesen Worten griff Juri Uschakow, der außenpolitische Berater von Präsident Wladimir Putin, jetzt in den russisch-weißrussischen Kali-Streit ein. Der hat sich diese Woche zu einem Handelskrieg ausgeweitet. Und das könnte nicht nur das Ende der Zollunion bedeuten, auf die Russland, Weißrussland und Kasachstan sich 2010 unter Mühen geeinigt haben, sondern auch das endgültige Aus für den Unionsstaat, an dem Moskau und Minsk seit sechzehn Jahren werkeln.

Offen ausgebrochen waren die Feindseligkeiten bereits im Juli, als der russische Konzern Uralkali – der weltweit größte Produzent von Düngemittel – die geplante Fusion mit dem weißrussischen Beloruskali platzen ließ. Die Russen erklärten, sie würden den Vertrieb, der bereits über ein gemeinsames Handelskonsortium lief, wieder selbst in die Hand nehmen und eigene Kapazitäten erneut voll auslasten. Dabei waren ein Teil der Aufgaben bereits nach Weißrussland ausgelagert worden, um dem Juniorpartner den Zusammenschluss schmackhaft zu machen.

Die Börsen reagierten auf die Nachricht panisch. Kali ist neben Stickstoff und Phosphor wichtigster Bestandteil von Dünger – weshalb Anleger fürchten, das Ende des Kartells werde weltweit zu einem dramatischen Preisverfall von Düngemitteln führen. Bereits jetzt setzt der Preiskampf den deutschen Produzenten K+S unter Druck und zwingt ihn zum Sparen.

Gleichzeitig ist Kali aber auch größter Devisenbringer für das klamme Weißrussland. Premier Michail Mjasnikowitsch wollte den Streit daher in einem persönlichen Gespräch mit Uralkali-Chef Wladislaw Baumgertner Anfang der Woche in Minsk beilegen. Doch die Verhandlungen scheiterten. Unmittelbar danach wurde Baumgertner auf dem Minsker Flughafen festgenommen. Ein Gericht verhängte zwei Monate Untersuchungshaft gegen ihn. Die Begründung: Er und drei weitere Uralkali-Manager hätten Insiderwissen zur eigenen Bereicherung genutzt, dem weißrussischen Partner seien dadurch Verluste von 100 Millionen Dollar (76 Millionen Euro) entstanden. Als Entschädigung dafür sollten Immobilien und andere Vermögenswerte von Uralkali in Weißrussland beschlagnahmt werden.

Die Retourkutsche aus Russland kam prompt. Mitte der Woche verhängte Moskau einen Einfuhrstopp für weißrussische Milchprodukte, in denen „unbekannte Bakterien“ festgestellt worden seien. Donnerstag drosselte der Staatskonzern Rosneft dann seine Öllieferungen an Minsk um 20 Prozent, Freitag setzte die russische Lebensmittelbehörde auch Schweinefleisch auf den Index. Fälle von afrikanischer Schweinepest hätten in Weißrussland dramatisch zugenommen, hieß es zur Begründung. Russland ist der größte Abnehmer von weißrussischen Agrarprodukten. Einfuhrstopps, ätzten Moderatoren daher im Morgentalk, seien halt der Klassiker, mit dem Moskau versucht, unbotmäßige Ex-Vasallen wieder auf Linie zu bringen.

Und in der Tat: Wegen angeblicher Qualitätsmängel waren bereits moldawische und georgische Weine lange aus den Regalen russischer Supermärkte verschwunden, seit kurzem fehlen dort auch die populären Torten und andere Konditoreierzeugnisse aus der Ukraine. Moskau will damit Druck auf Kiew ausüben, der prorussischen Zollunion beizutreten. Dann hätte sich das Assoziierungsabkommen erledigt, das die Ukraine mit der EU plant.

Zwar machen Experten – der kritische Politikwissenschaftler Stanislaw Belkowski wie Putins Berater Uschakow – für den Kali-Krieg ausschließlich kommerzielle Gründe verantwortlich. Dass Moskau gegen Minsk dennoch schwere Artillerie in Stellung bringt, hat vor allem mit dem Mehrheitsaktionär von Uralkali zu tun: dem im Kreml gern gesehenen Süleyman Kerimow. Putin höchstselbst soll den kritischen Oligarchen Dmitri Rybolowlew 2010 unter Druck gesetzt haben, seine Uralkali-Anteile – 22 Prozent – an Kerimow zu verkaufen. Zum Schnäppchenpreis von fünf Milliarden Dollar.

Gegen Kerimow erhebt Minsk die gleichen Vorwürfe wie gegen Konzernchef Baumgertner. Die Eröffnung eines Verfahrens und ein internationaler Haftbefehl gegen den Mehrheitsaktionär seien eine bloße Frage der Zeit, drohte der Chef der weißrussischen Ermittlungsbehörde am Freitag im lokalen Fernsehen.

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