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Wirtschaft: Rußlands Alleingang verstimmt die Geberländer

MOSKAU .Der russische Ministerpräsident Sergej Kirijenko kann selbst der Abwertung des russischen Rubels noch sein Gutes abgewinnen.

MOSKAU .Der russische Ministerpräsident Sergej Kirijenko kann selbst der Abwertung des russischen Rubels noch sein Gutes abgewinnen."Gott sei Dank", so sagte er jetzt in die Fernsehkameras, würden nun die ausländischen Importe teurer.Das, so der 36jährige Premier, sei vorteilhaft für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Produzenten.So richtig diese Schlußfolgerung sein mag: Um diesen Effekt zu erzielen wäre eine Abwertung des Rubels nicht erforderlich gewesen.Dies hätte beispielsweise auch mit einer Erhöhung von Importzöllen erreicht werden können.

Sergej Kirijenko, der in diesen Tagen müde und extrem angestrengt wirkt, versucht sich unablässig im positiven Marketing der russischen Staatspleite.So spricht er fest und entschlossen davon, daß die Regierung selbstverständlich alle ihre finanziellen Verpflichtungen vollständig erfüllen werde.Doch gleich im Anschluß schiebt er die Bemerkung nach, daß durch den Zahlungsstopp auf Staatsanleihen jetzt endlich die Gehälter an die öffentlichen Angestellten überwiesen werden könnten."Jetzt haben wir vier bis fünf Mrd.Rubel jede Woche zusätzlich", sagte Kirijenko so, als hätte er endlich den russischen Goldesel entdeckt.Vier bis fünf Mrd., die eigentlich für die Besitzer von Staatsanleihen fällig wären.Ein Wort des Bedauerns, daß der russische Staat eingegangene Zins- und Tilgungsleistungen damit ignoriert, fiel dabei nicht.

Sollte stimmen, was derzeit aus dem Weißen Haus in Moskau kolportiert wird, dann stehen die Belange der Ausländer, aber auch der Anleger am russischen Kapitalmarkt insgesamt, ohnehin nicht sonderlich hoch im Kurs.Diese Klientel habe sich an Moskaus Börsen- und Zinsboom des letzten Jahres ohnehin eine goldene Nase verdient, heißt es auf den weitläufigen Korridoren an der Moskwa.Als der Anleihe-Swap beraten wurde, der die Umwandlung kurzfristiger Rubel-Schulden in langfristige Schuldtitel vorsieht, unterstützte offenbar auch eben diese Stimmungslage die Ausarbeitung der ersten, zwischen In- und Ausländern diskriminierenden und zudem ungünstigen Swap-Variante.

Nur der Druck von Banken und westlichen Regierungen brachten Kirijenko und Vizepremier Boris Fjodorow schließlich dazu, sich eingehend mit den Konsequenzen eines solchen Schrittes auseinanderzusetzen.Vor allem westliche Banker machten der russischen Regierung klar, daß sie auf deren Hilfe bei der Plazierung weiterer Eurobonds in Zukunft nicht zu zählen bräuchte, bliebe es bei dem vorgelegten Modell.Düpiert waren IWF und G 7 bereits von dem russischen Alleingang in der Abwertungsentscheidung.Obwohl der Internationale Währungsfonds erst am 20.Juli mit der Billigung eines 22,6 Mrd.Dollar-Kreditpakets Rußland so massiv wie nie unter die Arme gegriffen hatte, wurde er am Montag schlichtweg vor vollendete Tatsachen gestellt.

Die russischen Initiatoren des Rettungsmanövers, Zentralbankchef Sergej Dubinin, der Sonderbeauftragte Anatolij Tschubais, Kirijenko und auch Fjodorow, berieten die verschiedenen Varianten unter sich und präsentierten sie am Sonntag Präsident Jelzin, der zwei Tage zuvor eine Abwertung noch vollmundig ausgeschlossen hatte.Als die G 7 schließlich um weitere Finanzhilfen angefragt wurden, handelte sich Rußland prompt eine deutliche Abfuhr ein.

Der "schlecht vorbereitete Schnellschuß", wie das Manöver in westlichen Regierungskreisen eingeschätzt wird, litt nicht zuletzt am Unprofessionalität.So sorgten Unklarheiten über den weiteren russischen Schuldendienst für Verwirrung, der anfangs auf sämtliche Außenstände bezogen wurde.Gleiches gilt für das plötzliche Ende des Handels mit Staatsanleihen, über die Rußland in den letzten beiden Jahren vorzugsweise sein Defizit finanziert hatte.Gleichzeitig ließ Moskau wissen, daß es auch in Zukunft damit rechne, daß der Internationale Währungsfonds in Treue fest seine Kreditraten - die nächste wäre im September fällig - auf die Konten von Regierung und Zentralbank überweisen werde.Dies, obwohl Zentralbankchef Dubinin jetzt offen bekannte, einen Großteil der letzten IWF-Tranche von 4,8 Mrd.Dollar für die gescheiterte Rubel-Stützung verbraucht und seine Devisenreserven innerhalb einer Woche um elf Prozent abgeschmolzen zu haben.Vom "Ende der Fahnenstange" ist bei den Geberländern inzwischen offen die Rede."Keine neuen Hilfen", laute die Parole in Sachen Rußland.Dabei werde auch der IWF scharf kritisiert: Er habe der Schulden-Entwicklung tatenlos zugesehen.

MARKUS ZIENER (HB)

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