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Wirtschaft: RWE war über Mängel an Strommasten informiert

Nach einem Sturmtief waren schon 1999 Materialfehler bekannt geworden / Rechtsexperten: Nun steigen Chancen auf Schadenersatz

Berlin - Die Chancen für Verbraucher und Firmen, nach den Stromausfällen im Münsterland Schadenersatz zu bekommen, haben sich erhöht, weil die Unternehmen offensichtlich schon länger wussten, dass viele Masten extremen Belastungen nicht würden standhalten können, sagten Experten dem Tagesspiegel. „Wenn das Unternehmen voraussehen konnte, dass die Masten den Anforderungen nicht gewachsen sind, dann steigen die Chancen für die Verbraucher, ihre Schadenersatzforderungen durchzusetzen“, sagte Ulrich Schellenberg, Vorsitzender des Berliner Anwaltvereins, dem Tagesspiegel am Sonntag.

Spätestens seit dem Sturmtief „Lothar“ vom Herbst 1999, das eine ganze Reihe von Strommasten ins Kippen brachte, weiß die Strombranche der „Berliner Zeitung“ zufolge grundsätzlich von der erhöhten Bruchgefahr. Werner Roos, Mitglied des Netzvorstandes des Energiekonzerns RWE Energy, sagte der Zeitung, Überprüfungen hätten seinerzeit ergeben, dass bei 28 000 der insgesamt 44 000 Strommasten des RWE-Hoch- und Höchstspannungsnetzes Thomasstahl zum Einsatz gekommen sei. Dabei geht es um mehrere zehntausend Strommasten, die bis zum Ende der 60er Jahre errichtet wurden. Thomasstahl sei einer in einem Blasverfahren erzeugter Werkstoff, dem Luft beigemengt wurde. Dabei könne es zu „ Versprödungen“ kommen. Die Belastungsfähigkeit sei dann nicht mehr zu hundert Prozent gewährleistet. Werner Roos bestätigte der Zeitung, auch ein Teil der im Münsterland umgestürzten Masten stamme aus den 50er und 60er Jahren. Der „Spiegel“ berichtet, aus internen Risikoanalysen von RWE aus dem Jahr 2003 gehe hervor, dass viele Masten nicht einmal 40 Prozent der normalen Zugbelastung standhielten und die gesetzliche Norm unterschritten.

Der Konzern habe nach dem „Sturmtief Lothar“ ein mit 550 Millionen Euro dotiertes Sanierungsprogramm aufgelegt, um diese Masten komplett auszutauschen, hieß es bei RWE. In diesem Jahr gebe man dafür 40 Millionen Euro aus. Bislang seien knapp 7000 Masten ausgetauscht worden. Mit einem Abschluss der Sanierungsarbeiten werde im Jahr 2015 gerechnet.

Bisher hätten sich die Konzerne bei den Ausfällen auf höhere Gewalt berufen, sagte Anwalt Schellenberg dem Tagesspiegel. Der Unterschied sei nun, dass die Möglichkeit der Vorhersehbarkeit offensichtlich gegeben sei. Auch der Energieexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Holger Krawinkel, sagte dem Tagesspiegel, dass man nun etwa prüfen könne, ob RWE etwa die falschen Maste zuerst ersetzt oder insgesamt die Sanierung nicht schnell genug umgesetzt habe. „Wenn grob fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln festgestellt werden kann, dann müssen die Konzerne haften“, sagte Krawinkel. Allerdings beträgt der Schadenersatz laut der Verordnung über die Allgemeinen Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden nur höchstens 2500 Euro pro Stromanschluss, sagte Krawinkel.

Die Düsseldorfer Landesregierung hatte RWE aufgefordert, Rechenschaft über seine Investitionen in die Stromnetze in der Region abzulegen. Der energie- und wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Wilhelm Droste, hatte erklärt: „Das Unternehmen hat angesichts seines Monopolcharakters eine besondere Verpflichtung, den in Not geratenen und geschädigten Menschen zu helfen.“ Um besonders betroffenen Bürgern zu helfen, will der Energieversorger einen fünf Millionen Euro umfassenden Härtefallfonds einrichten. Haftungsansprüche seiner Kunden schloss der Energieversorger aber kategorisch aus, da die Stromausfälle durch eine Naturkatastrophe ausgelöst worden seien. Der Hilfsfonds werde „unabhängig von jedweder rechtlichen Verpflichtung“ eingerichtet, betonte das Unternehmen. RWE beginne nun außerdem mit einer Schadens- und Ursachenanalyse. mit Agenturen

Flora Wisdorff

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