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Wirtschaft: Sachsen-Anhalt sucht verzweifelt nach der Mitte

Die Analyse der desolaten Wirtschaftslage in Sachsen-Anhalt scheint allen klar, ein Lösung allerdings nicht: Stellvertretend für viele Firmen des ostdeutschen Bundeslandes wandten sich rund 40 kleine und große Unternehmen SachsenAnhalts mit einem offenen Brief an alle Parteien, die sich am Sonntag um die Regierung in Magdeburg bewerben. "Wir sind in Sorge, dass mit der derzeitigen Politik die Zukunft unseres Landes verspielt wird.

Die Analyse der desolaten Wirtschaftslage in Sachsen-Anhalt scheint allen klar, ein Lösung allerdings nicht: Stellvertretend für viele Firmen des ostdeutschen Bundeslandes wandten sich rund 40 kleine und große Unternehmen SachsenAnhalts mit einem offenen Brief an alle Parteien, die sich am Sonntag um die Regierung in Magdeburg bewerben. "Wir sind in Sorge, dass mit der derzeitigen Politik die Zukunft unseres Landes verspielt wird." Die Unternehmer beklagen das geringe Wirtschaftswachstum, die hohe Arbeitslosigkeit, die geringe Zahl von Unternehmen und auch die "zu geringen Einkommen".

Die Forderungen der Unterzeichner des Brandbriefes: "Eine Politik, deren Markenzeichen Dynamik und Wachstum sind, damit das Land wieder an die Industrie-Traditionen Mitteldeutschlands anknüpfen kann." Alle Parteiprogramme werde man auf diese Politik hin abklopfen. Welcher Partei die Unternehmer den Vorzug geben wollen, blieb jedoch offen.

Wahlprüfsteine der Unternehmer

Das Bundesland Sachsen-Anhalt hat im vergangenen Jahrzehnt wohl den schwersten wirtschaftlichen Strukturwandel in ganz Ostdeutschland durchgemacht. Traditionell gehörten die Regionen um Halle, Köthen und Bitterfeld genauso wie Teile des Vorharzes zu den Zentren der deutschen Industrie. Chemie, Maschinenbau und Bergbau sind die Markenzeichen der Region.

Weil sich nach 40 Jahren Planwirtschaft gerade diese Zentren als nicht konkurrenzfähig erwiesen haben, entwickelte sich in Sachsen-Anhalt in den neunziger Jahren eine unausgewogene Wirtschaftsstruktur: Neben einigen wenigen großen Unternehmen, wie der Mitteldeutschen Braunkohle AG Mibrag, der Erdöl-Raffinerie Leuna und der Bayer Bitterfeld AG gibt es nur wenige größere Mittelständler. Dafür aber eine Vielzahl von kleinen Unternehmen, denen Experten kaum langfristige Überlebens- und Wachstumschancen geben.

Das Bruttoinlandsprodukt des Bundeslandes lag im Jahr 2000 denn auch mit 0,6 Prozent weit unter dem Durchschnitt ganz Ostdeutschlands (1,1 Prozent) und die Quote der Arbeitslosigkeit mit rund 20 Prozent im oberen Bereich der neuen Bundesländer. Der CDU-Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten im Land, Wolfgang Böhmer, führte angesichts solcher Zahlen in den vergangenen Monaten auch eine so genannte "Rote-Laternen-Kampagne". In der Tat litt Sachsen-Anhalt in den vergangenen vier Jahren besonders stark unter dem Strukturwandel der ostdeutschen Industrie. Auf der einen Seite stagnierten die "industriellen Leuchttürme" wie Leuna oder Bitterfeld, weil kaum nennenswerte Neuansiedlungen zu verzeichnen waren, und die Unternehmen eher rationalisierten als Kapazitäten aufzubauen. Auf der anderen Seite waren ganze Landstriche vor allem im Norden und Westen des Landes vom Niedergang der Bauindustrie und der Zulieferer (Umsatzrückgang 2000: 15 Prozent, Entlassungen rund 60 000) betroffen. Schuld an der im ganzen Land vermissten Dynamik ist allerdings nicht nur die geringe Investitionsbereitschaft. Auch die in ganz Deutschland heruntergefahrene regionale Wirtschaftsförderung entschuldigt die fehlenden politischen Akzente der SPD-geführten Landesregierung kaum.

Hauptgrund für die Enttäuschung der Sachsen-Anhaltiner ist gewiss der ständige Personalwechsel im Magdeburger Kabinett. Bis Januar 1999 war der ehemalige Treuhandvorstand Klaus Schucht Wirtschaftsminister. Er verhalf dem Land durch seine langjährigen Kontakte im In- und Ausland zu einer Reihe von Investoren. Vor allem die mitteldeutsche Region um Halle und Bitterfeld profitierte davon.

Als Schucht 1999 abtrat, übernahm sein damaliger Staatssekretär Matthias Gabriel das Amt. Gabriel galt bis dahin als guter Beamter, konnte allerdings weder bei den Unternehmensverbänden noch in der Politik oder im Ausland überzeugen.

Als Reinhard Höppners Wirtschaftsminister dann auch noch im vergangenen Januar öffentlich das Auslaufen der Ost-Förderung wegen der sich verfestigenden Subventionsmentalität der Unternehmer forderte, warf ihn der Ministerpräsident hinaus. Seiner Nachfolgerin, Katrin Budde (SPD), gelang es danach noch weniger, Unternehmer und Investoren zu begeistern.

Millionär gesucht

Angesichts der desolaten ökonomischen Situation und der wachsenden Abwanderung junger Sachsen-Anhaltiner, die die Nord-LB bereits als "bedrohlich" einstuft, stehen die Belebung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt bei allen Parteien ganz oben im Wahlprogramm. Dabei gleichen sich die Ansätze fast aller Parteien. Neben Infrastruktur-Investitionen (vor allem der Ausbau der Autobahn A 4 von Magdeburg nach Norden) setzen SPD, FDP und CDU auf Bürokratieabbau und die Bildung von Netzwerken im Mittelstand. Alle hoffen darauf, dass die engere Zusammenarbeit kleiner Unternehmen dazu führt, lukrativere Aufträge im In- und Ausland an Land ziehen zu können.

Selbst die Grünen wollen ihr Image, ihnen seien Kröten wichtiger als die Landesbewohner, abschütteln. Allerdings sehen sie den Ansatz eher bei der Unterstützung von Unternehmen im Bereich regenerative Energie. Dagegen kritisieren sie Autobahnbau und Elb-Ausbau. Die Schill-Partei mit ihrem umstrittenen Spitzenkandidaten Ulrich Marseille setzt sehr stark auf den Abbau von Bürokratie und die Verkürzung von Baugenehmigungen. Unternehmer Marseille prahlt: "Ich kenne Millionäre im In- und Ausland. Es wäre doch gelacht, wenn keine Investoren darunter wären."

asi

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