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Immer mehr Geschäfte bieten ihren Kunden an, per Handy zu bezahlen. Doch die Verbraucher sind skeptisch.

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Safer Internet Day: Deutsche zahlen nicht gerne mit dem Smartphone

Immer mehr Händler bieten ihren Kunden an, per Handy zu bezahlen. Doch die Deutschen hängen am Bargeld – auch wegen der Sicherheit.

Nirgendwo sonst in Europa hängen Verbraucher so sehr an den Scheinen und Münzen wie in Deutschland. Während in Skandinavien selbst Kleinstbeträge und Spenden an Obdachlose über Plastikkarte abgewickelt werden, liegt der Bargeldanteil bei Transaktionen hierzulande nach Daten der Bundesbank bei 79 Prozent. Mehr als die Hälfte der Umsätze (53 Prozent) erwirtschaftet der Einzelhandel noch mit Bargeld – auch deshalb, weil dies vielen Verbrauchern als der sicherste Weg erscheint. Mobile Zahlmöglichkeiten etwa per Handy sehen die Deutschen noch skeptisch, gerade mit Blick auf den Datenschutz, der am heutigen Safer Internet Day wieder im Mittelpunkt steht.

Erst zehn Prozent der Verbraucher zahlen mit dem Smartphone

Dabei mühen sich Handel, Kreditwirtschaft und Telekommunikationsanbieter seit Jahren, den Verbrauchern das bargeldlose Bezahlen näher zu bringen. Neben den üblichen Möglichkeiten – Giro- (früher EC-) oder Kreditkarte – können Kunden zum Beispiel auch ihr Smartphone als Geldbörse nutzen. Bezahlen im Vorbeigehen also: Ein Kunde hält im Laden sein Telefon in die Nähe des Kartenterminals und der Kaufpreis wird von seinem Konto abgebucht. Bei Beträgen über 25 Euro bestätigt er zusätzlich mit seiner Geheimzahl. Voraussetzung ist, dass das Handy einen NFC-Chip hat. Diese Nahfunk-Technologie ermöglicht Datenübertragung über eine kurze Entfernung und ist bereits in einer Vielzahl von Modellen unterschiedlicher Smartphone-Hersteller eingebaut. Auch in immer mehr Giro- und Kreditkarten findet sich der Standard im Chip.

Dennoch nutzen erst wenige Verbraucher die Möglichkeit, per Handy zu bezahlen, wie eine Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom zeigt: Während 82 Prozent der Deutschen die Giro- oder EC-Karte an der Kasse einsetzen, zücken nur zehn Prozent der Befragten das Handy zum Bezahlen, bei den 14- bis 29-Jährigen sind es immerhin schon 20 Prozent. Doch das Interesse an der neuen Zahlungsmethode wächst: 29 Prozent der Deutschen können sich vorstellen, demnächst auch mit einem NFC-fähigen Smartphone zu bezahlen, bei den 14- bis 29-Jährigen sogar 41 Prozent. „Gemessen daran, dass es sich um eine neue Technologie handelt, sind das hohe Werte“, sagt eine Bitkom-Sprecherin.

„Wer mobil zahlt, hinterlässt Datenspuren“

Konkrete Zahlen darüber, wie oft Smartphones an der Kasse eingesetzt werden, geben die Telekommunikationsunternehmen allerdings nicht preis. Die Deutsche Telekom als einer der drei Netzbetreiber neben Vodafone und Telefonica (O2 und E-Plus) spricht von einer mittleren fünfstelligen Zahl an Kunden, die ihr Smartphone als Wallet – als elektronische Geldbörse – freigeschaltet haben. Als Gründe für den geringen Gebrauch führen Branchenexperten unter anderem die gute Infrastruktur an: Die Dichte bei Geldautomaten in Deutschland ist hoch, das Bezahlen mit der Girokarte günstig und etabliert. Doch nicht allein deshalb sind die Verbraucher bisher so zurückhaltend, mit dem Handy zu bezahlen.

Die Frage nach der Sicherheit sehen Verbraucherschützer als größten Knackpunkt. „Schnell mit dem Smartphone zu bezahlen, statt nach Münzen und Scheinen zu suchen, das klingt einfach und komfortabel – aber zu welchem Preis?“, fragt Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV). „Wer mobil zahlt, hinterlässt Datenspuren.“ Diese Daten könnten kommerziell genutzt und zu Profilen verknüpft werden. Zudem lockten die neuen Technologien auch Kriminelle. Von den Anbietern fordert der VZBV-Chef hohe Standards. „Nur wenn kontaktloses Bezahlen mit hohen Standards bei Datenschutz und Sicherheit einhergeht, ist es eine gute Alternative für Verbraucher.“

Aldi hat alle Filialen aufgerüstet

Auch Maja Smoltczyk, Berlins Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, betont, dass bei dem beschleunigten Bezahlvorgang per Handy gewährleistet werden müsse, „dass Händler und Zahlungsdienstleister nur die unbedingt erforderlichen Daten erheben und die Übertragung verschlüsselt erfolgt“. Der vermehrte Einsatz von solchen Bezahlsystemen dürfe „nicht dazu führen, dass anonyme Zahlungsmöglichkeiten verdrängt werden“. „Bargeld stellt nach wie vor die datenschutzfreundlichste Zahlungsmöglichkeit dar“, sagt Smoltczyk.

Doch selbst wenn Kunden ihr Handy zum Bezahlen nutzen wollen, finden sie bisher kaum Kassen, die dafür ausgestattet sind. Laut Bitkom gibt es erst 60 000 „Akzeptanzstellen“. Nicht einmal jedes zwölfte Kassenterminal sei NFC-fähig. Kleine Händler, Bäcker und Friseure würden nach wie vor nur Bargeld akzeptieren. Allerdings rüsten immer mehr Einzelhändler in Deutschland ihre Kassenterminals auf NFC um. Seit Mitte Dezember bietet Aldi Süd in allen rund 1860 Filialen die Möglichkeit an, kontaktlos per Smartphone zu bezahlen. Aldi Nord hatte seine rund 2400 Filialen bereits im Juni entsprechend ausgestattet.

Im Rahmen der Initiative „Zahl einfach mobil“ der Organisation Global Standards One bieten in Berlin Unternehmen wie Kaiser’s, Rewe oder Rossmann NFC-fähige Kassen an, um die neue Bezahlmöglichkeit bekannter zu machen – bisher offenbar mit überschaubarem Erfolg. Genaue Zahlen teilt eine Sprecherin zwar nicht mit, sagt aber, dass die Methode „noch nicht viel genutzt“ werde. Weniger allerdings aus Datenschutzbedenken, sondern eher weil die Hürde zu groß sei, das Handy entsprechend umzurüsten.

"Die Zukunft des Bezahlens mobil und bargeldlos"

Dennoch geht Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder davon aus, dass die Zukunft des Bezahlens mobil und bargeldlos ist: "Künftig zücken wir an der Kasse nicht mehr unser Portemonnaie, sondern unser Smartphone und halten es kurz vor ein Lesegerät." Das Verfahren sei "schnell, komfortabel und sicher" und werde sich deshalb durchsetzen. "Das Handling von Münzen und Scheinen ist dagegen teuer und unsicher. Es ist absehbar: Die mehr als 5000 Jahre währende Bargeld-Ära neigt sich ihrem Ende zu.“  

Auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann sagt voraus, dass bargeldlose Zahlungen weiter an Bedeutung gewinnen. „Aber Bargeld wird auch in Zukunft einige Vorteile haben. Es ist unabhängig von einer elektronischen Infrastruktur und deren Ausfallrisiken. Außerdem sind Bargeldzahlungen einfach und schnell.“

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