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Wirtschaft: Sammelklagen gegen Versicherer

Kunden fordern höhere Rückerstattungen

Berlin – Lebensversicherungskunden, die bis heute vergeblich auf Rückzahlungen in Millionenhöhe warten, ziehen jetzt erneut vor Gericht. Die Verbraucherzentrale (VZ) Hamburg wird demnächst die ersten Sammelklagen gegen Versicherer einreichen. „Es geht gegen namhafte Gesellschaften“, sagte der Geschäftsführer der VZ, Günter Hörmann, dem Tagesspiegel am Sonntag. Gegen die Versicherer BHW und Axa sind bereits Klagen anhängig. Zwei Verbraucher versuchen auf eigene Faust, ihre Nachforderungen durchzusetzen.

Streit gibt es, weil viele Versicherungsgesellschaften seit Monaten verbraucherfreundliche Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) ignorieren. Der BGH hatte bereits im Oktober entschieden, dass Kunden nach einer vorzeitigen Kündigung ihrer Lebensversicherung nicht leer ausgehen dürfen, sondern einen Teil ihrer eingezahlten Versicherungsbeiträge zurückverlangen können. Weil viele Versicherer die ersten Jahresbeiträge ihrer Kunden mit den Vertreterprovisionen und sonstigen Kosten verrechnen, können Millionen von Versicherten jetzt Nachforderungen stellen. „Rund sieben Millionen Verträge sind betroffen“, sagt Hörmann. Die Kunden können nach Meinung der Verbraucherschützer pro Vertrag Rückerstattungen von mehreren hundert Euro, in Einzelfällen von tausend Euro verlangen.

Die Zeit drängt. Die BGH-Urteile beziehen sich nur auf Lebensversicherungen, die zwischen Mitte 1994 und Mitte 2001 abgeschlossen und inzwischen wieder gekündigt worden sind. Da die Versicherungsbranche davon ausgeht, dass alle Ansprüche fünf Jahre nach der Kündigung verjährt sind, lehnen sie oft Nachforderungen ab. Verbraucherschützer meinen, dass die Verjährungsfrist jedoch erst seit Oktober vergangenen Jahres läuft, weil die Versicherten von ihren Ansprüchen vorher gar nichts wissen konnten. Auch diese Frage soll jetzt vor Gericht geklärt werden.

Unklar ist auch, wie hoch die Rückerstattung im Einzelfall ausfällt. Das muss die Versicherungsgesellschaft ausrechnen. Musterbriefe, mit denen Kunden ihre Versicherer zu einer Neuberechnung auffordern können, gibt es unter anderem bei der Verbraucherzentrale Berlin (www.verbraucherzentrale-berlin.de). Die Verbraucherzentralen Hessen, Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz bieten Verbrauchern an, gegen Gebühr ihre Ansprüche auszurechnen (www.verbraucher.de). Besonders Kunden, die ihren Vertrag schon nach kurzer Zeit gekündigt haben, sollten aktiv werden, sagt Ute Klaus von der VZ Hessen: „Je kürzer der Vertrag gelaufen ist, desto höher sind die Rückerstattungen.“

Die VZ Hamburg startet ihre Welle von Sammelklagen jetzt mit zwei bis fünf Klagen. In der Hinterhand haben die Verbraucherschützer aber noch 150 Bereitschaftserklärungen von Kunden, die ebenfalls klagen möchten.

Bereits im Dezember hatten zwei Verbraucher gegen BHW und Axa geklagt, um der drohenden Verjährung zu entkommen. Der Axa-Kunde hatte knapp 3600 Mark eingezahlt und bei der Kündigung gerade einmal 54 Mark ausbezahlt bekommen. Im BHW-Fall hatte der Versicherte knapp 9400 Mark eingezahlt und nur 3012 Mark zurückbekommen. Nach Meinung der VZ Hamburg muss Axa 750 bis 1200 Euro nachzahlen, BHW 500 bis 700 Euro.

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