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Atomkraft? Jein! Die einen Fonds erlauben sie, andere verbannen sie komplett. Foto: dapd

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Wirtschaft: Sauber verdienen

Wie man nach ethischen Kriterien sein Geld anlegt und trotzdem nicht auf Rendite verzichten muss.

Investieren mit moralischem Anspruch und gutem Gewissen ist in. Nach Erkenntnissen des Berliner Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) wächst der Markt: Steckten Ende 2008 in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich 23 Milliarden Euro in nachhaltigen Geldanlagen, war es zwei Jahre später mit knapp 52 Milliarden Euro bereits mehr als das Doppelte. Umfragen zufolge kann sich jeder zweite Anleger vorstellen, bei der Geldanlage auf nachhaltige, soziale, ökologische oder ethische Kriterien zu achten.

Doch was bedeutet nachhaltig, und was ist ethisch korrekt? Nicht jeder bewertet auf die gleiche Weise, was mit dem eigenen Gewissen vereinbar ist und was nicht. Deutlich wird dies etwa am Beispiel Agrarinvestitionen: Während die einen beklagen, die Geldanlage in der Branche fördere den Hunger in der Welt, geben andere zu bedenken, dass höhere Preise den Produzenten von Nahrungsmitteln weltweit zu Gute kommen und Modernisierungen in der lange vernachlässigten Branche fördern.

Auch beim Thema Atomkraft gehen die Meinungen auseinander: Während in Deutschland mehr oder weniger Einigkeit besteht, dass Nuklearenergie nicht zu nachhaltigem Investieren passt, sehen Investoren die Branche anderswo nicht grundsätzlich als Ausschlusskriterium.

FONDS GENAU PRÜFEN

Die Meinungsvielfalt ist an den Ethik- und Ökofonds ablesbar: Die einen machen glasklare Vorgaben und trennen die Welt mit Hilfe eines Negativkatalogs in Gut und Böse. Die anderen arbeiten mit einem Positiv-Screeening nach dem sogenannten „Best-in-class“-Ansatz. Das heißt, die Fondsmanager suchen innerhalb einer Branche jene Unternehmen aus, die Ökologie, soziale Verantwortung oder Nachhaltigkeit am stärksten berücksichtigen. Deshalb finden sich häufig auch Ölwerte, Autofirmen oder auch Atomkonzerne in den Portfolios.

Wer etwas genauer hinsieht, findet in manchen Ethik-Fonds sogar Aktien, die selbst einem lockeren Begriff von Ethik zuwiderlaufen. So investiert der DWS Invest Responsibility auch in das Goldunternehmen Newmont Mining, das massiv in der Kritik steht, weil es in Ghana rücksichtslos Gold geschürft, geschützte Wälder gerodet und Tausende Kleinbauern um ihr Land gebracht hat. Der Pioneer Global Ecology, Urgestein der deutschen Öko- und Ethikfonds, lässt sich zwar durch die unabhängige Rating-Agentur Oekom Research kontrollieren und erhielt bereits das „Grüne Siegel“. Doch Unternehmen, die weniger als fünf Prozent ihrer Umsätze mit Atomkraft erzielen, dürfen nach wie vor in den Ökofonds.

Im Frühjahr hatten sich die Verbraucherschützer von „Ökotest“ 73 Fonds, die mit dem Label Nachhaltigkeit werben, genauer angesehen. Das Ergebnis: Nur fünf Portfolios genügten auch strengen Ethik- und Öko-Kriterien. Fast drei Viertel hingegen investierten auch in die Nuklearindustrie. Nach dem Fukushima-Gau jedoch verschärften 33 Fonds ihren Kriterienkatalog und ihre Haltung gegenüber der Atombranche, darunter der LBBW Global Warming, der Kepler Ethik Aktienfonds oder der Raiffeisen Ethik-Aktien A.

Wer auf der Suche nach einem Ethik- Fonds ist, müsse daher vor dem Kauf genauer hinsehen und die jeweilige Definition der Nachhaltigkeits-Kriterien prüfen, sagt Fondsexperte Christopher Traulsen vom Fondsrater Morningstar. Mit zunehmendem Interesse der Anleger tummeln sich immer mehr schwarze Schafe auf der grünen Wiese. „Der Öko-Schwindel nimmt zu“, sagt Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Auf der Kapitalmarkt-Warnliste der Stiftung Warentest finden sich aktuell zum Beispiel die Life Forestry Group, der Windanlagen- Bauer Prokon oder der Iberosol-Fonds von Solar Millenium. Alle Unternehmen versuchten, mit überzogenen Rendite-Versprechen oder hohen Anfangskosten, Anleger bei ihrem Ethik-Gewissen zu packen.

GUTE WERTENTWICKLUNG

Doch muss der Anleger seine Renditeerwartung einschränken, wenn er „sauber“ investieren will? Das Kölner Center for Financial Research und Studien der Universitäten Oxford sagen: Ja. Die Kölner Forscher sahen sich beispielsweise die Zwölfjahres-Entwicklung von zwei Aktienportfolios an, von denen eines mit ethisch erstrangigem Inhalt arbeitete und eines am unteren Ende der Skala rangierte. Das Ergebnis aller Studien: Fonds, die besonders strengen Kriterien genügen, schneiden am besten ab. Ob die ethische Grundhaltung der Grund für den Erfolg ist, ist dabei umstritten. Ebenso gut, sagen die Forscher, könne die umgekehrte Kausalkette gelten: Nur Unternehmen, die gute Geschäfte machen, können sich die Berücksichtung ethischer und/oder ökologischer Kriterien leisten.

Ein Blick auf die Wertentwicklung der Öko- und Nachhaltigkeitsfonds zeigt indes: Die Zahl der Papiere, die es schafften, ganz normale weltweit agierende Fonds zu übertreffen, ist gering. Auf Sicht von zehn Jahren erzielten überhaupt nur der Pioneer Global Ecology und der Green Effects NAI Werte eine positive Performance. Die Papiere rangieren im oberen Mittelfeld aller global anlegenden Fonds. Ganz vorne dabei ist auch einer der strengsten: Der Green Effects investiert ausschließlich in Werte des Natur-Aktien-Index NAI. Verboten sind nicht nur alle Firmen aus den Branchen Kernkraft, Rüstung, fossile Energien, Gentechnik oder Agrarchemie, sondern auch jene, die Frauen oder Minderheiten benachteiligen, Produkte mit Kinder- oder Zwangsarbeit herstellen oder Versuche an Wirbeltieren vornehmen.

Weil der Finanzmarkt schon wieder zu „herdenmäßig“ den Kriterien der Nachhaltigkeit folge, hat der Volkswirt, Anlagespezialist und Fondsmanager Conrad Mattern bereits ein „Gegenprogramm zum Gutmenschentum“ entwickelt. Seit April 2011 ist bei BNY Mellon mit dem „Peccata Gold“ ein Papier im Handel, das ausdrücklich auf das Schlechte setzt: Der Sündenkatalog der Investitionen umfasse Habgier (Luxusindustrie und Banken), Neid (Lifestyle), Maßlosigkeit (Alkohol und Tabak) sowie Gemeinheit (Rüstung). In der Rückwärtssimulation, freut sich Mattern, habe der Fonds überdurchschnittliche Renditen erbracht.

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