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Sauberer Weltmarktführer: Keiner wäscht besser

Waschen, falten, mangeln, bügeln: Martin Kannegiesser, Präsident von Gesamtmetall, ist mit seiner Firma für Wäschereitechnik Weltklasse.

Die Stimme klingt nicht wie geschmiert an diesem Vormittag, dazu war die Nacht zu kurz. Mehr als drei Stunden Schlaf sind im Moment nicht drin für den 68-jährigen Martin Kannegiesser. Er krächzt also ein wenig und ist doch in Hochform – als Gastgeber von rund 4000 Textilreinigern aus der halben Welt. Sie kommen aus Neuseeland und Brasilien ins ostwestfälische Bad Salzuflen, weil Kannegiesser hier ein paar Dutzend Maschinen ausstellt: Waschautomaten und Trockner, Schleudern, Faltmaschinen, Mangelautomaten und Sortieranlagen.

Der Weltmarktführer ruft, und die Betreiber von Großwäschereien, etwa für Hotels oder Krankenhäuser, reisen in die Provinz bei Bielefeld. Und das seit Jahrzehnten. Doch so viele wie diesmal waren es noch nie. Kannegiesser hat die Wirtschaftskrise überwunden und ist so erfolgreich wie nie zuvor. Unangefochten an der Weltspitze. Keiner wäscht besser. Und das hat etwas mit dem Chef zu tun.

„Die 4000 kommen nicht als Messebesucher, sondern als Gäste“, sagt Kannegiesser. Und Gäste werden eben vom Flughafen oder Bahnhof abgeholt, in den Hotels rund um Bielefeld einquartiert und überhaupt rundum betreut. Auch von Kannegiesser selbst, zum Beispiel beim Abendessen. „Das Maritim in Bad Salzuflen ist unsere Stammkneipe“, witzelt er. Und dann fällt ihm ein passendes Bild ein für seinen Zustand nach der Abreise der Gäste: „Am Ende der Woche ist man ausgewrungen.“ Doch die Spannkraft ist bald wieder da. Auch weil Kannegiesser in ein paar Tagen als Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall wiedergewählt wird.

Seit bald zehn Jahren leitet er den reichsten und mächtigsten und wichtigsten Arbeitgeberverband. Unumstritten wie keiner zuvor. Und ganz ungewöhnlich: Der Arbeitgeberpräsident ist nicht nur im eigenen Lager hoch angesehen. Auch beim Klassenfeind, in der konfliktstarken IG Metall, vertraut man dem kleinen Mann aus Vlotho, weil der die Sozialpartnerschaft verkörpert. Und zwar im Verband ebenso wie im eigenen Betrieb.

„Für mich ist Herr Kannegiesser unersetzbar“, sagt Friedhard Fichtner, Betriebsratschef bei Kannegiesser. Und dabei meine er gar nicht mal das Geschäft, sondern die Rolle des Alten in der Firma. „Wir sind eine Familie“, sagt der Betriebsrat. Mit Kannegiesser als Familienvater.

Eigentlich wollte er ja Journalist werden, aber die familiären Umstände führten auf einen anderen Weg. Der Vater richtete 1948 in Vlotho bei Bad Oeynhausen eine Schlosserei mit vier Mitarbeitern ein und baute Bügelmaschinen für die Hemdenindustrie. Damals gab es reichlich Bekleidungsindustrie in der Region, heute gibt es immerhin noch Seidensticker in Bielefeld. Der kleine Martin wächst quasi im Betrieb auf, das Elternhaus steht noch heute auf dem Firmengelände. Nach dem BWL-Studium übernimmt der Sohn 1966 den Vertrieb; wenige Jahre später erleidet der Vater mehrere Schlaganfälle und stirbt im Alter von 58 Jahren. Martin Kannegiesser übernimmt die Firma 1971 und führt sie in den kommenden Jahrzehnten an die Weltspitze. Das war schwer genug.

In den 90er Jahren verschwindet die Bekleidungsindustrie aus Deutschland nach Asien, berühmte Firmen wie Pfaff verlieren ihre Existenzgrundlage. Kannegiesser überlegt kurz, zu Hause dichtzumachen und zu seinen Kunden, also nach Asien, zu ziehen. Er entscheidet anders, „verkauft den ganzen Kram“ aus dem Bereich Bekleidung und konzentriert sich auf Wäschereitechnik. „Wir mussten richtig durch den Dreck“, sagt er im Rückblick. Er kauft fünf Firmen dazu, um ein ambitioniertes Ziel zu erreichen: „Wenn Wäschereitechnik, dann Kannegiesser.“ Die „komplette Häutung“ der Firma sei auch deshalb gelungen, „weil die Mannschaft geblieben ist“.

Heute arbeiten 1300 Menschen für die Familienfirma, der Umsatz liegt bei 250 Millionen Euro. Und es geht weiter aufwärts. Schon in diesem Jahr wird das Unternehmen an die bisherigen Rekordjahre 2007/08 anknüpfen, die Krise ist überstanden. „Wir sind sehr zuversichtlich und raten unseren Kunden, ihr Geld im Betrieb anzulegen. Besser geht es nicht.“ Und die Kunden, manche kennt Kannegiesser über Generationen, hören auf den Westfalen und kaufen bei ihm ein. Weil die Anlagen und Maschinen von Kannegiesser einen technischen Vorsprung haben und weil Service, Vertrieb und Wartung immer besser geworden sind.

30 Kilogramm Kleidung fasst die kleinste Waschmaschine von Kannegiesser, ein paar hunderttausend Euro sind dafür fällig. Ressourceneffizienz ist dabei ein Thema der Zukunft: Eine herkömmliche Maschine verbraucht zwölf Liter Wasser je Kilo, die modernsten kommen schon mit drei Litern aus. Einen Produktivitätssprung gibt es in den kommenden Jahren durch Informations- und Fördertechnik. Berufskleidung, zum Beispiel für Krankenhauspersonal, ist heute schon mit einem Chip ausgestattet, mit dessen Hilfe die Wäsche vollautomatisch sortiert, gesäubert und schließlich wieder passend zugeordnet wird. Künftig ist das auch bei Flachteilen wie Laken und Servietten für Hotels möglich. In der vollautomatischen Wäscherei gibt es dann kaum noch Menschen – aber jede Menge Maschinen von Kannegiesser.

„Das Wichtigste ist, dass du die Menschen beschäftigst“, hat der Vater dem Sohn mitgegeben. Der sieht die Firma gut aufgestellt für neue Geschäfte. „Wir haben die Welt noch nicht erschlossen“, sagt Kannegiesser und denkt an die vielen Bettlaken und Handtücher, die in Asien gewaschen, gebügelt, gefaltet und sortiert werden müssen. Da will er noch hin und mitmischen. Und auch deshalb wird er seine Mannschaft noch einige Jahre anführen wie in den letzten 40 Jahren. „Oder soll ich jetzt noch mit einem Hobby anfangen? Das hat keinen Zweck mehr.“ Da grinst der Betriebsratschef.

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