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Wirtschaft: Schätzungsweise falsch

Womöglich war das deutsche Wachstum 2013 dreimal so hoch, wie die Statistiker derzeit noch vermuten.

Berlin - Es wird wohl eine triste Veranstaltung an diesem Mittwoch am Schiffbauer Damm. Nüchterne Zahlen wird Roderich Egeler, Deutschlands oberster Statistiker, verkünden – eine 0,4, vielleicht auch eine 0,5. Um diesen Prozentsatz dürfte das Bruttoinlandsprodukt 2013 gewachsen sein, zumindest nach Schätzungen von Egelers Statistischem Bundesamt. Die Zahl ist wichtig, sie steht für Deutschlands Wirtschaftskraft und für seine politische Macht. Ein halbes Prozent, das wäre so wenig wie um 2002 herum, als Deutschland als der kranke Mann Europas galt.

Dabei geht es dem Land blendend: Es arbeiten so viele Menschen wie noch nie, Unternehmen und Bürger sind zuversichtlich, die Staatskassen voll. In der Statistik findet sich das aber bislang nicht wieder. Warum eigentlich nicht?

Das fragt sich auch Carsten-Patrick Meier. Er ist Volkswirt und hat eine Prognosefirma gegründet, Kiel Economics. Er glaubt, dass die amtliche Zahl nicht präzise sein wird. „Tatsächlich dürfte das Wachstum bis zu 1,7 Prozent betragen haben, vielleicht war es sogar noch mehr.“ Der Grund: Was die Behörde präsentiert, ist für Meier nur „eine relativ krude Schätzung“. Harte Konjunkturdaten sind so kurz nach Jahresbeginn noch nicht verfügbar, „erst in anderthalb Jahren“. Die Behörde rechnet also mit dem, was sie hat – das sind vor allem Zahlen zur Produktion in der Industrie und von Baufirmen.

Normalerweise funktioniert dieses Verfahren recht gut, denn diese Branchen stehen für ein Viertel der Wirtschaftsleistung. Doch sie sind exportlastig, und wegen der Probleme im Euro-Raum kriselt es bei ihnen. Bei Dienstleistern, die am Binnenkonsum hängen, läuft es indes gut. „Über diese 75 Prozent der Wirtschaftsleistung haben wir aber noch fast keine verlässlichen Daten“, klagt der Ökonom. Sie spielen also auch in der Schätzung kaum eine Rolle. Bekannt ist nur: Beschäftigung und Löhne steigen, die Zinsen sind winzig. Auch das Ifo-Geschäftsklima zeigt Topwerte bei der Stimmung der Manager. Diese Diskrepanz – schwache Außen- und starke Binnenwirtschaft – könnte dazu führen, dass das Wachstum systematisch unterschätzt wird – „für 2013 ebenso wie für 2014“, warnt Meier. Die Statistiker müssten dann in ein paar Monaten ihre Zahlen nach oben korrigieren – was bislang schon oft geschehen ist.

Hätte Meier recht, bliebe dies nicht ohne Folgen. Die Wachstumsprognosen für 2014 müssten heraufgesetzt werden – Meiers etwa auf 2,8 Prozent. Und es könnte sich zeigen, dass der Staat derzeit allein wegen der guten Konjunktur Überschüsse macht – und nicht etwa, weil Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) so eisern spart. „Dann wäre es ein Fehler, das Geld jetzt schon zu verplanen, weil man es später im Abschwung braucht“, urteilt Meier. Carsten Brönstrup

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