zum Hauptinhalt
Schäuble sagt, er habe die Geschäfte „so gut wie möglich“ aufarbeiten und begrenzen wollen.

© Kay Nietfeld/dpa

Schäuble im Untersuchungsausschuss: "Cum-Ex-Deals waren außergewöhnlich komplex"

Finanzminister Schäuble rechtfertigt vorm Untersuchungsausschuss des Bundestags den Umgang seines Hauses mit dubiosen Cum-Ex-Deals. Die Grünen fordern ein eigenes Finanzamt für Reiche.

Von Carla Neuhaus

„Außergewöhnlich komplex und anspruchsvoll“ sei das Ganze gewesen, sagt Wolfgang Schäuble (CDU). Kaum hatte er das Amt des Bundesfinanzministers 2009 übernommen, da musste er sich auch schon mit Cum-Ex-Deals beschäftigen: Geschäften, bei denen sich Banken durch trickreiches Hin- und Herschieben von Aktien einmal gezahlte Steuern gleich mehrmals erstatten ließen. Zwölf Milliarden Euro sollen dem Fiskus durch diese krummen Deals über die Jahre entgangen sein. Manche sprechen gar vom größten Steuerskandal aller Zeiten. Dennoch dauerte es nach Schäubles Amtsantritt noch zweieinhalb Jahre, bis ein Gesetz diese krummen Geschäfte endgültig abschaltete.

Hat das zu lange gedauert? Was hat sein Ministerium, was haben seine Mitarbeiter wann über die Steuertricks der Banken gewusst? Es sind heikle Fragen, auf die Schäuble am Donnerstag im Untersuchungsausschuss des Bundestags mit ruhiger Stimme antwortet. Den Vorwurf, die Machenschaften zu spät gestoppt zu haben, weist er klar zurück. Angesichts der Komplexität des Ganzen sei der Gesetzgebungsprozess seiner Meinung nach sogar sehr schnell gewesen, sagt Schäuble. Es sei ihm und seinen Mitarbeitern darum gegangen, die Geschäfte „so gut wie möglich“ rückwirkend aufzuarbeiten und zu begrenzen.

Der Ausschuss soll klären, wann wer was wusste

Schäuble ist einer der prominenten Zeugen, die seit Februar vor dem Untersuchungsausschuss zu den Cum-Ex-Geschäften aussagen müssen. Die Parlamentarier wollen klären, wann wer von diesem Geschäft mit den doppelten Steuererstattungen wusste. Wer es wie ins Rollen gebracht hat. Und vor allem: Wer es so lange vertuscht hat. Über Jahre haben die Banken und ihre Kunden gut daran verdient, dass sie sich einmal gezahlte Kapitalertragsteuern gleich zwei Mal erstatten ließen. Geschafft haben sie das, indem sie Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch solange hin- und hergeschoben haben, bis unklar war, wem die Papiere wann gehört haben. Mit der Folge, dass mehr Steuerbescheinigungen ausgestellt worden sind, als den Beteiligten eigentlich zustanden. Dadurch konnten sich die Beteiligten auf einmal Steuern vom Finanzamt zurückholen, die sie nie gezahlt haben.
Weil es für diese Verwicklungen nicht den einen Schuldigen gibt, sondern vermutlich ein ganzes Netz an Beteiligten, haben die Abgeordneten in bislang 42 Sitzungen bereits Banker befragt, Steuerberater, Rechtsanwälte, Beamte des Finanzministeriums und der Finanzaufsicht Bafin. Der Finanzprofi Carsten Maschmeyer hat vor dem Ausschuss ebenso ausgesagt wie erst am Montag Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD).

Steinbrück wird noch viel mehr als Schäuble vorgeworfen, nicht rechtzeitig und nicht ausreichend gehandelt zu haben. Schließlich soll der Staat bereits seit 2002 von den Cum-Ex-Geschäften gewusst haben. Die Finanzaufsicht Bafin soll sogar bereits 1999 durch einen anonymen Hinweis auf die Steuertricks hingewiesen worden sein. Trotzdem dauerte es mehr als zehn Jahre, bis der Gesetzgeber den Banken diese kruden Machenschaften endgültig untersagt hat.

Ein erstes Gesetz 2007 hat die Geschäfte nicht eingedämmt - im Gegenteil

Lisa Paus, die für die Grünen im Untersuchungsausschuss sitzt, spricht von einem „massiven Organisationsversagen“. „Sowohl die Bafin als auch das Finanzministerium haben viel zu spät gehandelt“, sagte sie im Gespräch mit dem Tagesspiegel. So hat es zwar unter Steinbrück bereits 2007 ein Gesetz gegeben, das die Machenschaften verbieten sollte – allerdings galt das nur fürs Inland. Weil viele Banken die umstrittenen Geschäfte jedoch übers Ausland abgewickelt haben, hat das in der Praxis wenig geändert. Manche Banker sollen gar erst durch das Gesetz von 2007 auf die Steuerlücke aufmerksam geworden sein – mit der Folge, dass die Zahl der Cum-Ex-Geschäfte zu- statt abgenommen hat. Dass es so weit kommen konnte, liegt wohl auch am Einfluss der Finanzlobby. So soll ein früherer Finanzrichter, der 2004 bis 2008 im Finanzministerium gearbeitet und in dieser Zeit auch den ersten Gesetzentwurf verfasst hat, Formulierungsvorschläge des Bankenverbands eins zu eins übernommen haben. Dass das Gesetz lückenhaft war, fiel erst auf, als es längst in Kraft war und ein Brancheninsider das Ministerium auf die Lücke hinwies. Im Mai 2009 soll dann auch der damalige Finanzminister Steinbrück von der Sache erfahren haben, der zu dem Zeitpunkt aber bereits mitten im Wahlkampf steckte. „Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiß über die Skrupellosigkeit der Banken und ihrer Berater, hätte man sich anders aufgestellt“, sagte Steinbrück Anfang der Woche vor dem Ausschuss. Die Vorstellung, er sei pfleglich mit den Banken umgegangen, gehöre ins Märchenreich.

Die Grünen fordern ein eigenes Finanzamt für Reiche

Weil es so lange gedauert hat, bis den Banken die umstrittenen Geschäfte endgültig untersagt worden sind, fordern die Grünen nun Konsequenzen. Um Steuertricks wie diese in Zukunft zu verhindern, bedürfe es eines eigenen Finanzamts, das ausschließlich Millionäre sowie Großkonzerne und damit auch Banken betreut. „Wir brauchen eine Spezialeinheit von Finanzbeamten auf Bundesebene, damit Geschäfte wie die Cum-Ex-Deals in Zukunft früher auffallen und Konsequenzen gezogen werden“, sagte Paus. Sie wünscht sich zudem eine Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle: Wollen Banken Sonderwege bei der Besteuerung gehen, sollten sie das in Zukunft den Behörden anzeigen müssen. „Eine solche Anzeigepflicht gibt es zum Beispiel schon in Großbritannien, wo man damit sehr gute Erfahrungen gemacht hat“, sagte Paus.

Zur Startseite